Entscheidungsstichwort (Thema)
AdV einer mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidung
Leitsatz (NV)
1. Gegen die Entscheidung des FG über einstweilige Anordnungen nach § 114 Abs. 1 FGO ist die Beschwerde nur gegeben, wenn sie in der Entscheidung des FG zugelassen worden ist.
2. Auch der BFH kann die Vollziehung einer mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidung einstweilen aussetzen. Für den Antrag darauf fehlt es jedoch an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, wenn über die Beschwerde bereits unanfechtbar entschieden worden ist.
Normenkette
FGO § 114 Abs. 1, § 128 Abs. 3, § 131 Abs. 1 S. 2, § 155; ZPO § 572 Abs. 3
Tatbestand
M wurde in der ehemaligen DDR zum Helfer in Steuersachen zugelassen. Nachdem er im Rechtsverkehr als Steuerbevollmächtigter aufgetreten war, stellte die Oberfinanzdirektion (OFD) ihm gegenüber fest, daß er weder befugt sei, sich Helfer in Steuersachen zu nennen, noch daß er als Steuerbevollmächtigter auftreten dürfe. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) insoweit statt, als es die Feststellungsverfügung hinsichtlich der Bezeichnung als Helfer in Steuersachen aufhob; hingegen hielt es die Feststellung der OFD, der M dürfe sich nicht Steuerbevollmächtigter nennen, für rechtmäßig (Verfahren im 2. Rechtsgang). Über die dagegen eingelegte Revision des M hat der Bundesfinanzhof (BFH) noch nicht entschieden.
Ende November 1996 beantragte M bei der Steuerberaterkammer (StBerK) die Teilnahme an einem Seminar, das die StBerK zusammen mit den Steuerberaterkammern der anderen neuen Bundesländer nach § 40a Abs. 1 des Steuerberatergesetzes (StBerG) durchführt. Die StBerK lehnte den Antrag ab. Auf einen entsprechenden Antrag des M hin verpflichtete das FG die StBerK im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit dem angefochtenen Beschluß, M die Teilnahme an dem Seminar bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem Verfahren im 2. Rechtsgang zu gestatten.
Hiergegen wendet sich das Ministerium der Finanzen des Landes ... (FinMin) mit der Beschwerde (VII B 49/97). Das FinMin macht -- zusammengefaßt -- geltend, daß ein unzuständiges Gericht ohne Rechtsgrundlage und unter Verstoß gegen materielles Recht sowie gegen Verfahrensvorschriften eine Anordnung gegen den falschen Antragsgegner erlassen habe, deren Befolgung diesem erkennbar nicht möglich sei und im übrigen von ihm Verstöße gegen geltendes Recht verlange. Mit an den BFH gerichtetem Schreiben vom ... beantragt das FinMin, die Vollziehung der einstweiligen Anordnung vorläufig auszusetzen (Verfahren VII S 5/97).
M weist darauf hin, daß das FinMin am Verfahren nicht beteiligt sei. Es sei nicht ersichtlich, woraus das FinMin seine Befugnis zur Beschwerde bzw. Antragstellung herleite.
Entscheidungsgründe
Die Verfahren VII B 49/97 und VII S 5/97 werden aufgrund sinngemäßer Anwendung von § 121 i. V. m. § 73 FGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
1. Die Beschwerde des FinMin gegen die einstweilige Anordnung (Verfahren VII B 49/97) ist nicht statthaft; sie ist daher durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen (§ 132, § 155 FGO i. V. m. § 574 der Zivilprozßordnung -- ZPO --).
Die Beschwerde ist schon deswegen nicht statthaft, weil sie nicht durch das FG zugelassen worden ist. Gegen die Entscheidung des FG über einstweilige Anordnungen nach § 114 Abs. 1 FGO ist die Beschwerde nur gegeben, wenn sie in der Entscheidung des FG zugelassen worden ist (§ 128 Abs. 3 FGO). Da das FG in dem angefochtenen Beschluß die Beschwerde nicht zugelassen hat, ist sie im Streitfall -- wie auch aus der Rechtsmittelbelehrung des FG hervorgeht -- nicht statthaft.
Es kann deshalb dahinstehen, ob das FinMin, das die Beschwerde in seiner Eigenschaft als Beigetretener -- wohl in dem Klageverfahren Az.: ... -- eingelegt hat, auch im Beschwerdeverfahren über die einstweilige Anordnung die Stellung eines Beteiligten haben kann. Zweifel bestehen insoweit schon deshalb, weil es sich bei dem Verfahren wegen der einstweiligen Anordnung um ein gegenüber dem Klageverfahren formell selbständiges Verfahren handelt, zu dem der Beitritt ausdrücklich erklärt werden muß (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., zu dem inzwischen aufgrund von Art. 6 Nr. 4 des Grenzpendlergesetzes vom 24. Juni 1994, BGBl I 1994, 1395 weggefallenen § 61 FGO). Eine solche, auf das Beschwerdeverfahren bezogene Beitrittserklärung, deren Zulässigkeit gegebenenfalls im einzelnen geprüft werden müßte, hat das FinMin nicht abgegeben.
2. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der vom FG erlassenen einstweiligen Anordnung (Verfahren VII S 5/97) ist ebenfalls unzulässig.
Unbeschadet der bestehenden Zweifel an der Befugnis des FinMin im Verfahren wegen der einstweiligen Anordnung als Beteiligter aufzutreten (s. o), ist der an den BFH gerichtete Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der einstweiligen Anordnung nicht bereits deshalb unzulässig, weil nach dem Wortlaut des § 131 Abs. 1 Satz 2 FGO nur das FG, der Vorsitzende oder der Berichterstatter die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung einstweilen aussetzen kann. Nach § 155 FGO i. V. m. § 572 Abs. 3 ZPO kommt vielmehr auch eine Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung des FG in der Beschwerdeinstanz in Betracht (vgl. BFH-Beschluß vom 18. Dezember 1984 VII S 25/84, BFHE 142, 427, BStBl II 1985, 221; Gräber/Ruban, a. a. O., § 131 Rz. 3).
Der Antrag ist jedoch unzulässig, weil mit der nicht mehr anfechtbaren Entscheidung des Senats über die Beschwerde gegen den Erlaß der einstweiligen Anordnung im Verfahren VII B 49/97 das Rechtsschutz bedürfnis für eine Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung der Entscheidung des FG entfallen ist. Denn nachdem über die Beschwerde abschließend entschieden worden ist, kann die Vollziehung der mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidung des FG nicht mehr ausgesetzt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 422232 |
BFH/NV 1997, 691 |