Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücknahme eines Vorabentscheidungsersuchens

 

Leitsatz (NV)

  1. Das Vorabentscheidungsersuchen vom 29. Oktober 2002 VII R 52/01 (BFH/NV 2003, 354), beim EuGH als Rs. C-451/02 registriert, wird zurückgenommen.
  2. Im Fall der Zurücknahme eines Vorabentscheidungsersuchens (1.) ist die Wiederaufnahme des ausgesetzten Revisionsverfahrens von Amts wegen anzuordnen.
 

Normenkette

ZK Art. 203 Abs. 1; FGO §§ 74, 155; ZPO § 250

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 29.10.2002; Aktenzeichen VII R 52/01)

 

Tatbestand

Mit Beschluss vom 29. Oktober 2002 VII R 52/01 (BFH/NV 2003, 354) hatte der Bundesfinanzhof (BFH) das bei ihm unter diesem Aktenzeichen anhängige Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vier Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Mit Schreiben vom 19. März 2004 hat der Kanzler des EuGH unter Bezugnahme auf das in Abschrift übermittelte Vorabentscheidungsurteil des EuGH vom 12. Februar 2004 Rs. C-337/01 ―Hamann International GmbH Spedition + Logistik― beim BFH angefragt, ob es im Hinblick auf dieses Urteil noch für notwendig erachtet werde, das Vorabentscheidungsersuchen aufrecht zu erhalten. In dem genannten Urteil hat der EuGH entschieden, dass in das Zolllager übergeführte und zur Wiederausfuhr aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft bestimmte Nichtgemeinschaftswaren der zollamtlichen Überwachung i.S. des Art. 203 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (VO Nr. 2913/92) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 302/1) entzogen worden sind, wenn sie ohne vorherige Abfertigung zum externen Versandverfahren aus dem Zolllager entfernt und von dort zur Ausgangszollstelle befördert worden sind und die Zollbehörden, sei es auch nur zeitweise, nicht imstande gewesen sind, die zollamtliche Überwachung dieser Waren sicherzustellen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat ist der Auffassung, dass damit auch die Antwort des EuGH auf die in der vorliegenden Sache gestellte erste Frage "1. Entsteht eine Einfuhrzollschuld gemäß Art. 203 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92, wenn eine in der vorübergehenden Verwahrung befindliche Ware ohne Zustimmung der Zollbehörde, der die Ware gestellt wurde, von dem Verwahrungsort entfernt wird, aber einer anderen Zollstelle wieder gestellt wird, ohne jedoch zuvor zu dem für die Beförderung erforderlichen gemeinschaftlichen Versandverfahren abgefertigt worden zu sein?" zwingend vorgegeben ist, da der vorliegende Lebenssachverhalt dem vom EuGH entschiedenen in allen wesentlichen Punkten gleicht. Für diese Einschätzung spricht insbesondere, dass der EuGH, anders als von Generalanwalt Tizzano in seinen Schlussanträgen vom 12. Juni 2003 in der Rs. C-337/01 vorgeschlagen, auch für Fälle, bei denen die Wiederausfuhr der Nichtgemeinschaftswaren nachgewiesen ist, an der anhand von Einfuhrfällen entwickelten strengen Auslegung des Begriffs der Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung festgehalten (Abs. 31 und 32 der Gründe) und ferner auch den wirtschaftlichen Charakter der Einfuhrabgaben bei der Frage der Entstehung der Zollschuld im Hinblick auf die Möglichkeit der Erstattung oder des Erlasses der gesetzlich geschuldeten Einfuhrabgaben gemäß Art. 239 der VO Nr. 2913/92 für nicht maßgeblich erachtet hat (Abs. 34 der Gründe).

Bei der mithin zu erwartenden Bejahung der ersten Frage wird der EuGH nach den üblichen Gepflogenheiten die nur für den Fall der Verneinung der ersten Frage gestellte zweite Frage des Vorabentscheidungsersuchens und die weiteren Fragen, die auf der zweiten Frage aufbauen, nicht beantworten, sodass von einem Urteil des EuGH in der vorgelegten Sache keine weiteren Erkenntnisse für den Streitfall zu erlangen sein werden. Im Hinblick auf die Gebote des kooperativen Zusammenwirkens zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten und dem EuGH und des rationellen Einsatzes der Ressourcen bei der Rechtsschutzgewährung zieht der Senat sein Vorabentscheidungsersuchen zurück.

Da mit der Rücknahme des Vorabentscheidungsersuchens der Grund für die Aussetzung des Revisionsverfahrens (§ 74 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) entfallen ist, war die Wiederaufnahme dieses Verfahrens von Amts wegen anzuordnen (§ 155 FGO i.V.m. dem insoweit wegen des Amtsbetriebs im finanzgerichtlichen Verfahren modifiziert anzuwendenden § 250 der Zivilprozessordnung; vgl. den BFH-Beschluss vom 19. November 1999 XI B 131/98, BFH/NV 2000, 587, und Gräber/Koch/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 74 Rz. 51).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1151223

BFH/NV 2004, 993

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