Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörungsrüge wegen unterbliebener gerichtlicher Hinweise; keine Akteneinsicht bei unzulässiger Anhörungsrüge
Leitsatz (NV)
1. Eine Anhörungsrüge, mit der geltend gemacht wird, eine gerichtliche Entscheidung sei fehlerhaft und verstoße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, weil das Gericht bestimmte Hinweise unterlassen habe, ist unzulässig. wenn der Rügeführer nicht darlegt, dass die Entscheidung im Fall der von ihm als unterlassen gerügten Hinweise möglicherweise anders ausgefallen wäre.
2. Bei einer unzulässigen Anhörungsrüge besteht kein Anspruch auf Akteneinsicht.
Normenkette
FGO §§ 56, 62 Abs. 4, § 78 Abs. 1, § 91 Abs. 1, § 128 Abs. 2, § 133a
Tatbestand
I. Der Senat hat durch den angefochtenen Beschluss vom 17. November 2008 die "Sofortige Beschwerde" der Klägerin, Beschwerdeführerin und Rügeführerin (Klägerin) vom 18. September 2008 "wegen nicht ordnungsgemäßer Ladung" im Verfahren des Finanzgerichts (FG) des Saarlandes 1 K 1305/05 als unzulässig verworfen, weil die Klägerin den Vertretungszwang nach § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht eingehalten hatte.
Dagegen hat die Klägerin --nunmehr durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten-- am 6. Januar 2009 "Anhörungsrüge gem. § 133a FGO" erhoben.
Sie rügt, die Entscheidung über ihre Sofortige Beschwerde vom 18. September 2008 sei nicht durch das FG, sondern, ohne zwischenzeitliche Hinweise, durch den V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) ergangen. Das FG habe ihr nicht mitgeteilt, dass die Sofortige Beschwerde nicht vom FG bearbeitet werde. Das FG hätte darauf hinweisen müssen, dass die Sofortige Beschwerde "nicht vom FG bearbeitet werde und somit durch die Weitergabe der Sofortigen Beschwerde an den BFH besondere Postulationsqualifikation erforderlich ist und bspw. ein Rechtsanwalt der durch die Beschwerdeführerin eingereichten Beschwerde beitreten muss".
Auch der V. Senat des BFH habe das rechtliche Gehör verletzt, indem er keinen Hinweis darauf erteilt habe, "dass eine Beschwerde bei ihm eingegangen sei, die von nicht Postulationsfähigen eingereicht wurde. Der BFH hätte ähnlich einer Aufforderung zur Klageergänzung nach § 65 Abs. 2 FGO zur Einreichung der Beschwerde durch einen Postulationsfähigen oder zum Beitritt durch einen Postulationsfähigen innerhalb einer bestimmten Frist auffordern müssen".
Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin wird auf S. 3 bis 24 ihrer Rügeschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Anhörungsrüge der Klägerin ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 133a Abs. 2 Satz 6 FGO entspricht, wonach die Rüge u.a. darlegen muss, dass das Gericht den Anspruch des Rügeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Hierzu hätte die Klägerin darlegen müssen, dass die Entscheidung des Senats vom 17. November 2008 im Fall der von ihr als unterlassen gerügten Hinweise des FG und des BFH möglicherweise anders ausgefallen wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 11. November 2008 V S 14/08, juris; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 133a Rz 12, m.w.N.).
Dies ist nicht geschehen.
2. Im Übrigen hätte sich am Entscheidungsergebnis nichts geändert, wenn die Klägerin die Hinweise, die ihr nach ihrem Vorbringen nicht erteilt worden sind, erhalten hätte.
Denn auch wenn sie daraufhin den Vertretungszwang nach § 62 Abs. 4 FGO eingehalten hätte, hätte der Senat ihre "Sofortige Beschwerde" vom 18. September 2008 "wegen nicht ordnungsgemäßer Ladung" als unzulässig verwerfen müssen. Denn die Ladung zur mündlichen Verhandlung (§ 91 Abs. 1 FGO) kann als sog. prozessleitende Verfügung nach § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. Oktober 1992 X B 68/92, BFH/NV 1993, 372; vom 16. Oktober 2006 X B 132/06, juris).
Es kann deswegen dahinstehen, ob ein Beteiligter, der ein Rechtsmittel zum BFH beim FG einlegt, ohne nach § 62 Abs. 4 FGO vertreten zu sein, auf diesen Mangel hinzuweisen ist (vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht --BVerwG--, Beschluss vom 5. Juni 1998 4 BN 20/98, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1998, 783; vgl. zur Frage, ob eine Rechtsmittelbelehrung einen Hinweis auf den Vertretungszwang enthalten muss: BVerwG-Urteile vom 15. April 1977 IV C 3.74, BVerwGE 52, 226; vom 31. März 1995 4 A 1/93, BVerwGE 98, 129; BFH-Beschluss vom 30. Dezember 2004 II R 2/04, BFH/NV 2005, 718).
3. Im Übrigen trifft nach Aktenlage das Vorbringen der Klägerin nicht zu, das FG habe ihr nicht mitgeteilt, dass die Sofortige Beschwerde nicht von ihm bearbeitet werde.
Vielmehr hat das FG der Sofortigen Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 22. September 2008 nicht abgeholfen und den Beteiligten Abgabenachricht erteilt, wie die Klägerin im Übrigen auf S. 4 ihrer Rügeschrift selbst vorträgt.
4. Auch die weitere Rüge der Klägerin, der V. Senat des BFH habe keinen Hinweis erteilt, dass eine Beschwerde bei ihm eingegangen sei, die von einem nicht Postulationsfähigen eingereicht worden sei, trifft nach Aktenlage nicht zu.
Denn danach hat die Geschäftsstelle des Senats der Klägerin mit Schreiben vom 22. Oktober 2008 mitgeteilt, dass die Streitsache dem BFH vorliegt und unter dem Az. V B 117/08 geführt wird. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin dieses Schreiben nicht erhalten hat, gibt es nicht.
5. Die von der Klägerin hilfsweise beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Rügeschrift, S. 22) kann nicht gewährt werden.
a) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert ist, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO).
b) Ist ein Rechtsbehelf unstatthaft, wie hier gemäß § 128 Abs. 2 FGO die von der Klägerin eingelegte Sofortige Beschwerde vom 18. September 2008, kommt eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht (vgl. BFH-Beschluss vom 5. April 1994 III B 33/94, BFH/NV 1994, 884; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 56 Rz 21).
c) Abgesehen davon trifft die Begründung der Klägerin für ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, ihr sei erst nach Eingang des mit der Anhörungsrüge angefochtenen Beschlusses des Senats vom 17. November 2008 am 23. Dezember 2008 bekannt geworden, dass das FG ihrer Beschwerde nicht abgeholfen habe, nicht zu, wie bereits dargelegt wurde.
6. Die von der Klägerin ferner beantragte Akteneinsicht (Rügeschrift, S. 23) war nicht zu gewähren.
Da die vorliegende Anhörungsrüge unzulässig ist, besteht kein Anspruch auf Akteneinsicht, denn die Akteneinsicht ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt geeignet, der Rechtsschutzgewährung der Klägerin im vorliegenden Verfahren zu dienen (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Juni 2007 VIII B 201/06, BFH/NV 2007, 1804, m.w.N.).
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Nach Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz --GKG-- (Anlage 1 zu § 3 GKG i.d.F. des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004, BGBl I 2004, 3220) fällt eine Festgebühr von 50 € an.
8. Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 133a Abs. 4 Satz 3 FGO).
Fundstellen