Entscheidungsstichwort (Thema)
Rüge der nicht richtigen Beurteilung der Voraussetzungen der Betriebsübernahme
Leitsatz (NV)
1. Mit der Behauptung, dass das FG die Voraussetzungen der Betriebsübernahme nicht richtig beurteilt habe, wird ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht dargelegt. Die Beschwerde rügt insoweit nur die materielle Richtigkeit der Entscheidung, was nicht zur Zulassung der Revision führt.
2. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs erfordert neben der Darlegung des Verfahrensverstoßes grundsätzlich auch Angaben dazu, dass das FG nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung bei richtigem Verfahren zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.
3. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf Divergenz gestützt, müssen abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und abstrakte Rechtssätze der Divergenzentscheidung so genau bezeichnet werden, dass eine Abweichung erkennbar wird.
Normenkette
AO § 75; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 29.11.2006; Aktenzeichen 3 K 395/03) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat am 2. Juni 1998 von einer GmbH die Einrichtungsgegenstände eines Ladens übernommen. Nachdem ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH abgelehnt wurde, ist am 2. Juni 1999 die Auflösung der GmbH im Handelsregister eingetragen worden. Mit Haftungsbescheid vom 12. November 1998 hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Kläger gemäß § 75 der Abgabenordnung (AO) als Betriebsübernehmer der GmbH wegen rückständiger Lohnsteuer nebst steuerlichen Nebenleistungen sowie rückständiger Umsatzsteuer als Haftungsschuldner in Anspruch genommen. Der Einspruch des Klägers führte zu einer Reduzierung der Haftungssumme.
Die daraufhin erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Kläger zu Recht nach § 75 AO als Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden sei. Zur Begründung führte es aus, dass der Kläger ein lebendes Unternehmen mit fortbestehender Ertragskraft übernommen habe und er dieses ohne größere Neuanschaffungen habe fortführen können. Der Betriebsübernahme stehe die Behauptung des Klägers, er habe das Unternehmen ohne wesentliche Neuanschaffungen nicht fortführen können, nicht entgegen. Diese Behauptung des Klägers sei durch die Feststellungen des Kreisverwaltungsreferates der Stadt X widerlegt, wonach der Kläger den Betrieb gaststättenrechtlich hätte ohne Einschränkungen weiterführen können. Dass er die Ladeneinrichtung vollständig herausreißen und das Lokal vollständig neu habe einrichten müssen, stehe einer Betriebsübernahme ebenfalls nicht entgegen. Die wirtschaftliche Kraft des Unternehmens werde hier durch den Firmenwert und die Betriebsräume verkörpert. Von einem toten Unternehmen, das nicht Gegenstand einer Betriebsübernahme sein könne, könne hier auch in Anbetracht des Umstandes, dass der Kläger in der Zeit von Anfang Juni bis Ende Dezember 1998 Umsatzerlöse in Höhe von … DM erwirtschaftet habe, nicht gesprochen werden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die vom Kläger erhobene Beschwerde, welche er sinngemäß auf die Zulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) stützt.
Das FG habe die vom Bundesfinanzhof (BFH) im Beschluss vom 3. Mai 1994 VII B 265/93 (BFH/NV 1994, 762) entwickelte Rechtsprechung, dass eine Betriebsübernahme nicht vorliege, wenn die Betriebsübergabe nicht von einer Hand in die andere erfolge, nicht beachtet. Der Kläger habe nämlich die Einrichtungsgegenstände nicht vom Veräußerer selbst, sondern von einem Sicherungsgeber erworben. Das FG habe sich mit dieser Frage nicht beschäftigt, weil es die Einrichtungsgegenstände --aufgrund ihrer Wertlosigkeit-- nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gerechnet habe. Im Übrigen habe man ihm kein rechtliches Gehör auf das Schreiben des FA vom 23. November 2006 eingeräumt, das in der mündlichen Verhandlung vorgelegt und vom FG zur Begründung des Urteils verwertet worden sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger einen Grund, der zur Zulassung der Revision führen könnte, nicht in der erforderlichen Weise (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) dargelegt hat.
1. Soweit sich die Beschwerde gegen die Ansicht des FG wendet, die Beteiligung Dritter an dem Veräußerungsgeschäft bei Betriebsübernahme --hier des Sicherungseigentümers der Einrichtungsgegenstände-- stehe einer Betriebsübernahme nicht entgegen, weil die Einrichtungsgegenstände nicht zu den für die Betriebsübernahme wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörten, legt sie keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar. Vielmehr richtet sich die Beschwerde mit diesem Vorbringen nur gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).
2. Soweit mit der Beschwerde gerügt wird, dass dem Kläger auf das Schreiben des FA vom 23. November 2006 kein rechtliches Gehör eingeräumt worden sei, ist das Vorbringen unschlüssig. Nach der eigenen Darstellung des Klägers ist ihm dieser Schriftsatz in der mündlichen Verhandlung vorgelegt worden. Er hätte dazu Stellung nehmen oder Vertagung beantragen können. Damit ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör Genüge getan. Im Übrigen fehlt es bereits an der Darlegung, dass das FG nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung, auf die bei der Prüfung eines Verfahrensverstoßes allein abzustellen ist, bei Berücksichtigung des Inhalts des genannten Schreibens zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre (z.B. BFH-Beschluss vom 1. August 2002 VII B 35/02, BFH/NV 2002, 1499).
3. Sofern der Beschwerde entnommen werden könnte, dass der Kläger eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) für erforderlich hält, fehlt es bereits an der hinreichenden Darlegung der Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
a) Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf Divergenz gestützt, erfordert die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendige Darlegung der Zulassungsvoraussetzungen, dass die Entscheidung des BFH oder eines anderen Gerichts, von der nach der Behauptung des Klägers das Urteil des FG abweicht, genau bezeichnet wird und dass kenntlich gemacht wird, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegen soll. Dem ist nur genügt, wenn abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und abstrakte Rechtssätze der Divergenzentscheidung so genau bezeichnet und einander gegenübergestellt werden, dass eine Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschlüsse vom 4. Mai 2005 XI B 225/03, BFH/NV 2005, 1603; vom 30. Mai 2005 X B 149/04, BFH/NV 2005, 1618). Diesem Erfordernis wird die Beschwerdebegründung nicht einmal ansatzweise gerecht.
b) Eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO kommt auch nicht etwa in Betracht, weil das erstinstanzliche Urteil unter einem so schweren Rechtsfehler leidet, dass sein Fortbestehen das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigen würde (BFH-Beschluss vom 7. Juli 2004 VII B 344/03, BFHE 206, 226, BStBl II 2004, 896).
Ein solcher Fehler --den der Kläger nicht aufgezeigt hat--, kommt nur bei offensichtlichen materiellen oder formellen Rechtsanwendungsfehlern des FG im Sinne einer willkürlichen oder zumindest greifbar gesetzwidrigen Entscheidung in Betracht (BFH-Beschluss vom 31. Mai 2005 III B 143/04, BFH/NV 2005, 1632).
Fundstellen