Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung; Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung; Feststellungslast für fristgerechten Zugang eines Zulagenantrages
Leitsatz (NV)
- Lässt sich der fristgerechte Zugang eines Zulagenantrages trotz Ausschöpfung aller zugänglichen und zumutbaren Ermittlungsmöglichkeiten nicht oder nicht vollständig aufklären, so geht die Unerweislichkeit zu Lasten des die Investitionszulage begehrenden Anspruchsberechtigten.
- Für das finanzgerichtliche Verfahren gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Über den Beweiswert von Beweismitteln bestehen im übrigen keine festen gesetzlichen Regeln, vielmehr muss sich das FG seine eigene Überzeugung bilden und dazu den Sachverhalt mit dem notwendigen Grad der Gewissheit feststellen.
- Wird im Kern lediglich das Ergebnis einer Beweiswürdigung im konkreten Streitfall beanstandet, so wird dadurch der Rechtssache noch keine grundsätzliche Bedeutung verliehen.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3; InvZulG 1993 § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO sind nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt worden.
1. Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Dies verlangt einen substantiierten Vortrag der Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Fall auch voraussichtlich klärungsfähig ist. Dazu ist auszuführen, dass die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängt. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzen. Hat der BFH über die Rechtsfrage bereits entschieden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinander gesetzt hat. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217).
Einwände, die sich allein gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils wenden, wozu auch die Beweiswürdigung durch das Finanzgericht (FG) gehört, sind grundsätzlich nicht geeignet, das für das Zulassungsverfahren erforderliche Allgemeininteresse zu indizieren (vgl. BFH-Beschluss vom 28. August 2001 X B 60/01, BFH/NV 2002, 347, m.w.N.).
a) Die Investitionszulage ist bis zum 30. September des Folgejahres bei dem für die Besteuerung des Anspruchsberechtigten zuständigen Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) nach amtlichem Vordruck mit eigenhändiger Unterschrift zu stellen (vgl. § 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes 1993). Der Antrag muss bei dem zuständigen FA innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist eingegangen sein (vgl. auch bereits BFH-Urteil vom 10. Juni 1975 VIII R 72/72, BFHE 116, 252, BStBl II 1975, 762, 763, zu § 19 Abs. 4 des Berlinhilfegesetzes 1968).
Für den Zugang bei der Behörde trägt der Anspruchsberechtigte die objektive Feststellungslast, soweit die Unaufklärbarkeit nicht allein in den Verantwortungsbereich der Behörde fällt (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1987 I R 12/84, BFHE 151, 315, BStBl II 1988, 111, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 15. Oktober 1998 IV B 5/98, BFH/NV 1999, 585, m.w.N., jeweils allgemein zur Frage des Zugangs von Schriftstücken).
Lässt sich ein entscheidungserheblicher Sachverhalt trotz Ausschöpfung aller zugänglichen und zumutbaren Ermittlungsmöglichkeiten nicht oder nicht vollständig aufklären, so geht die Unerweislichkeit zu Lasten des die Investitionszulage begehrenden Anspruchsberechtigten (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462, unter 2. der Gründe, m.w.N.).
Die Klägerin hat insoweit keine bestimmten klärungsbedürftigen Rechtsfragen bezeichnet. Nach ihrem eigenen Vortrag, der auch den Feststellungen des FG zugrunde gelegt worden ist, soll der Investitionszulagenantrag für das Wirtschaftsjahr 1994/95 nicht lediglich bei der Finanzbehörde abgegeben, sondern der zuständigen Sachbearbeiterin persönlich von der Zeugin Schreiber übergeben worden sein.
b) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO gilt für das finanzgerichtliche Verfahren der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 20. März 1987 III R 172/82, BFHE 149, 536, BStBl II 1987, 679, 680). Im Übrigen gibt es keine festen gesetzlichen Regeln über den Beweiswert von Beweismitteln (vgl. Uterhark in Schwarz, Abgabenordnung, § 88 Rz. 26). Die Beweiswürdigung des FG ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht grundsätzlich entzogen. Sie ist nur revisibel, soweit Verstöße gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder die Verfahrensordnung vorliegen (vgl. BFH-Urteile vom 20. September 1994 VII R 40/93, BFH/NV 1995, 485, 486; vom 8. November 1995 II R 83/93, BFH/NV 1996, 637, 639, ständige Rechtsprechung). Das FG muss sich eine eigene Überzeugung bilden und dazu den Sachverhalt mit dem erforderlichen Grad der Gewissheit feststellen (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1997 X R 111/95, BFH/NV 1997, 734, 735; von Groll in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 96 Rz. 15 und 16, m.w.N.).
Die Klägerin trägt vor, angesichts des langen zeitlichen Abstandes von sechseinhalb Jahren zwischen der Vernehmung der Zeugin A durch das FG und der von ihr bekundeten persönlichen Abgabe des Investitionszulagenantrags bei der zuständigen Sachbearbeiterin des FA habe das FG zu hohe Anforderungen an das Erinnerungsvermögen der Zeugin gestellt. Die Klägerin greift damit im Kern lediglich das Ergebnis der Beweiswürdigung durch das FG im konkreten Fall an, was jedoch der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu verleihen vermag (vgl. BFH-Beschluss vom 1. Dezember 1998 III B 78/97, BFH/NV 1999, 741, 742). Insbesondere fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der oben bereits beispielhaft angeführten Rechtsprechung und dem Schrifttum zum Beweismaß und zu den Anforderungen an einen Zeugenbeweis. Auch hat die Klägerin in keiner Weise erkennbar gemacht, wie die abstrakten Grundsätze überhaupt noch weiter in allgemeiner Form konkretisiert werden könnten (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 741, 742).
2. Die Klägerin hat außer der Benennung der Zulassungsgründe in § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO auch nichts dafür dargetan, dass eine Entscheidung des BFH zu einer bestimmten Rechtsfrage aus Gründen der Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (vgl. zu den Anforderungen BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2002, 217, und vom 14. Februar 2002 VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798, 799, m.w.N.).
Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 846317 |
BFH/NV 2002, 1615 |