Entscheidungsstichwort (Thema)
Vernehmung von Auslandszeugen; Vertagungsantrag
Leitsatz (NV)
1. Sieht das FG ‐ ermessensgerecht ‐ allein die Vernehmung des Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat zur Erforschung der Wahrheit als geeignete Form der Beweiserhebung an, weil es entscheidend auf den persönlichen Eindruck und die Glaubwürdigkeit des Zeugen ankommt, und erklärt der Kläger, den Zeugen in der mündlichen Verhandlung nicht stellen zu können, darf ihn das FG analog § 244 Abs. 3 StPO als unerreichbares Beweismittel bewerten.
2. Einem Antrag auf Vertagung wegen Verhinderung eines im Ausland lebenden Zeugen braucht das FG jedenfalls dann nicht nachgehen, wenn dessen Verhinderung nicht nachprüfbar entschuldigt ist und außerdem der Beweisführer keine Angaben dazu macht, wann damit zu rechnen ist, dass dieser für eine Aussage zur Verfügung steht.
Normenkette
AO 1977 § 90 Abs. 2; FGO § 76 Abs. 1, § 79 Abs. 1, §§ 94, 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1; StPO § 244 Abs. 3; ZPO § 164 Abs. 1, §§ 363-364
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (Urteil vom 09.03.2004; Aktenzeichen 3 K 2132/99) |
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Das Finanzgericht (FG) hat keinen Verfahrensfehler begangen, indem es die Vernehmung des Zeugen K. durch die Justizbehörden seines Heimatortes in der Schweiz oder Frankreich abgelehnt hat. Auch den Zeugen Dr. W. hätten die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in der mündlichen Verhandlung stellen müssen.
a) Das FG hat zu Recht aus § 76 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) eine Beweismittelbeschaffungspflicht der Kläger entnommen, da der streitige Sachverhalt sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der AO 1977 bezieht. Streitig ist ein aus Sicht des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) ungeklärter Vermögenszuwachs, der nach der Einlassung der Kläger auf einem in der Schweiz vereinbarten und ausgereichten Darlehen beruhen soll.
Deshalb waren die Kläger grundsätzlich gehalten, die Zeugen K. und Dr. W. dem Prozessgericht zu stellen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Februar 2006 II B 30/05, BFH/NV 2006, 1056).
b) Verfahrensfehlerfrei hat das FG die Vernehmung der Zeugen K. und Dr. W. durch ein ersuchtes Gericht in der Schweiz, in Frankreich bzw. Liechtenstein abgelehnt.
Das FG ist in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung von der Anwendbarkeit der §§ 363 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) im finanzgerichtlichen Verfahren ausgegangen. Die Entscheidung, ob und ggf. von welcher der in § 363 Abs. 1 und 2 bzw. § 364 Abs. 2 ZPO geregelten Alternativen der Beweiserhebung das Gericht Gebrauch macht, steht in dessen Ermessen (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Mai 1992 VIII B 76/91, BFH/NV 1993, 32). Diese Ermessensentscheidung obliegt dem Vollsenat des FG. Dass die Berichterstatterin im Schreiben vom 6. Februar 2002 eine Vernehmung des Zeugen K. in der Schweiz in Betracht gezogen hat, wenn dieser aus gesundheitlichen Gründen zu einem Erscheinen vor dem FG nicht bereit sein sollte, ist deshalb ohne Belang. Im Übrigen hat das FA bereits am 20. Februar 2002 darauf hingewiesen, mit einer schriftlichen Erklärung des Zeugen K. als Urkundsbeweis nicht einverstanden zu sein, weil durch die Vorlage einer schriftlichen Zeugenerklärung die Bedenken gegen die tatsächliche Durchführung des Darlehensvertrags nicht ausgeräumt werden könnten. Auch hat das FG den Klägern erstmals mit Schreiben vom 14. März 2002 aufgegeben, den Zeugen K. zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. April 2002 zu stellen und damit offensichtlich von der Überlegung der Berichterstatterin, den Zeugen durch Schweizer Justizbehörden befragen zu lassen, Abstand genommen.
Die Kläger haben keine Tatsachen vorgetragen, die die Ablehnung des FG, die Zeugen K. und Dr. W. durch ein Gericht in der Schweiz, Frankreich oder Liechtenstein vernehmen zu lassen, als ermessensfehlerhaft erscheinen ließe.
Das FG hat seine Entscheidung darauf abgestellt, dass die von den Klägern vorgetragene Gestaltung und Durchführung des Darlehensvertrags überaus ungewöhnlich sei und die Kläger insoweit kein objektives und nicht von ihnen selbst stammendes Beweismittel zum Nachweis auch nur eines Teils ihres Tatsachenvortrags vorlegen konnten. In einem solchen Fall ist es ermessensgerecht, wenn das FG allein die Vernehmung des Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat zur Erforschung der Wahrheit als geeignete Form der Beweiserhebung ansieht, weil es angesichts der fehlenden Überprüfungsmöglichkeit der Zeugenaussage entscheidend auf den persönlichen Eindruck und die Glaubwürdigkeit des Zeugen ankommt.
Hiernach kann dahingestellt bleiben, ob --angesichts eines insoweit vertragslosen Zustandes im Verhältnis vor allem zur Schweizerischen Eidgenossenschaft und zum Fürstentum Liechtenstein-- überhaupt und ggf. auf welchem verfahrensrechtlichen Wege auf dem Territorium fremder Staaten eine Beweiserhebung in Steuersachen einschließlich einer schriftlichen Befragung von Zeugen stattfinden könnte.
Da die Kläger die Zeugen nicht in der mündlichen Verhandlung gestellt haben, durfte das FG analog § 244 Abs. 3 der Strafprozessordnung sie als unerreichbares Beweismittel bewerten (BFH-Beschluss in BFH/NV 1993, 32). Der Zeuge K. war im Übrigen auch deshalb ein unerreichbares Beweismittel, weil er --wie die Kläger im Schriftsatz vom 8. März 2004 vorgetragen haben-- unbekannt verzogen ist. Dass der Zeuge nicht zu einem früheren Zeitpunkt während des fünf Jahre dauernden FG-Verfahrens gehört worden ist, beruht nicht auf einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG, sondern darauf, dass die Kläger ihrer Obliegenheit zur Beschaffung des Beweismittels nicht nachgekommen sind. Das FG hatte den Klägern bereits mit Schreiben vom 14. März 2002 aufgegeben, den Zeugen K. zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. April 2002 zu stellen.
2. Durch die als Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügte unterlassene Beiziehung der Akten der Steuerfahndungsstelle X hat das FG nicht gegen seine Pflichten gemäß § 76 Abs. 1, § 79 Abs. 1 FGO verstoßen. Zutreffend hat das Gericht vielmehr erkannt, dass die Gründe für die Weigerung des Zeugen Dr. W., vor Gericht zu erscheinen, für die Entscheidung im Streitfall ohne Belang sind. Im Streitfall ist zudem --anders als die Kläger in der Beschwerdebegründung vortragen-- nicht die Frage entscheidungserheblich, ob die Z-S.A. eine Briefkastenfirma ist. Von Bedeutung ist vielmehr, ob die Z-S.A. den Klägern aufgrund der Vermittlung des Zeugen K. ein Darlehen über 600 000 DM gewährt hat. In den Unterlagen der Steuerfahndungsstelle X befindet sich aber nur der von der Informationszentrale Ausland des Bundesamtes für Finanzen überlassene Darlehensvertrag (Schreiben vom 15. August 2003, Bl. 331 der FG-Akte). Dass die Z-S.A. über ausreichende Mittel für die Darlehensgewährung verfügt hat --diesen Punkt hat das FG in seiner Entscheidung als wahr unterstellt-- und ein "Hintermann" der Gesellschaft das Geld für die Dauer seiner mehrjährigen Haft sicher und zinsbringend anlegen wollte, lässt keinerlei Rückschlüsse darauf zu, ob die Z-S.A. den Klägern tatsächlich ein Darlehen gewährt hat. Da die Akten der Steuerfahndungsstelle X somit im Streitfall nicht der Durchführung des FG-Verfahrens gedient hätten, durfte das FG diese Unterlagen nicht beiziehen (vgl. § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO 1977 i.V.m. § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO 1977).
3. Durch die zeitgleiche Übersendung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 9. März 2004 und des angefochtenen FG-Urteils wurde das Recht der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt. Nach § 94 FGO i.V.m. § 164 Abs. 1 ZPO können sachliche oder rechtliche Unrichtigkeiten des Protokolls jederzeit, also auch nach Bekanntgabe der gerichtlichen Entscheidung und der Einlegung eines Rechtsmittels (Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 164 Rn. 2) berichtigt werden. Im Übrigen wurden die Kläger ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 9. März 2004 als Partei vernommen.
4. Ohne Erfolg rügen die Kläger schließlich, dass das FG ihren Antrag auf Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung zu Unrecht abgelehnt und --sinngemäß-- dadurch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verletzt habe. Einem Antrag auf Vertagung wegen Verhinderung eines im Ausland lebenden Zeugen braucht das FG jedenfalls dann nicht nachgehen, wenn dessen Verhinderung nicht nachprüfbar entschuldigt ist und außerdem der Beweisführer keine Angaben dazu macht, wann damit zu rechnen ist, dass dieser für eine Aussage zur Verfügung steht (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Februar 2004 V B 205/02, BFH/NV 2004, 964).
Im Streitfall war die Verhinderung des Zeugen K. nicht nachprüfbar entschuldigt. Zwar haben die Kläger wiederholt auf die schwere Erkrankung des von ihnen benannten Zeugen hingewiesen, hierzu gleichwohl keine nachprüfbaren Unterlagen vorgelegt. Aus der Erklärung des Zeugen K. vom 8. April 2002 ergibt sich lediglich, dass dieser bereit ist, vor den Eidgenössischen Justizbehörden in der Streitsache auszusagen, nicht aber, aus welchen Gründen er nicht vor dem FG erscheinen kann. Auch das von den Klägern wiederholt angeführte Alter des Zeugen K. (er wurde 1927 geboren) kann für sich gesehen dessen Verhinderung nicht entschuldigen. Nachdem die Kläger zudem keine Angaben dazu gemacht haben, wann K. zur Verfügung stehen werde, war das FG nicht verpflichtet, den Termin aufzuheben und konnte unter Berücksichtigung des Akteninhaltes entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 1575660 |
BFH/NV 2006, 2119 |