Entscheidungsstichwort (Thema)
USt-Kürzung nach dem BerlinFG für neugegründete Unternehmen
Leitsatz (NV)
1. Für die Höhe der Berliner Wertschöpfungsquote kann nur ein Wirtschaftsjahr maßgeblich sein, in dem der Unternehmer Umsätze erzielt hat.
2. Die USt-Kürzung nach dem BerlinFG für Unternehmen, die erstmalig eine Tätigkeit in Berlin (West) aufnehmen, richtet sich daher nach der Berliner Wertschöpfungsquote des Wirtschaftsjahres, in dem der Unternehmer sich erstmalig in Form von Umsätzen am wirtschaftlichen Verkehr beteiligt.
Normenkette
BerlinFG § 1 Abs. 1, 7, § 6 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt seit Oktober 1986 in Berlin ein Unternehmen zur Herstellung und zum Vertrieb von ... produkten.
Im Jahr 1986 führte sie noch keine Umsätze aus. Für das Streitjahr 1987 errechnete sie eine Berliner Wertschöpfungsquote i. S. von § 6 a des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) in Höhe von 37,27. Ausgehend von dieser Quote, beantragte sie in ihrer Umsatzsteuererklärung für beide Streitjahre (1987 und 1988) eine Umsatzsteuerkürzung nach dem BerlinFG in Höhe von 4,1 v. H. des maßgeblichen Umsatzes.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) gewährte der Klägerin lediglich eine Kürzung in Höhe des Sockelkürzungsbetrages von 3 v. H., da ihre Berliner Wertschöpfungsquote im vorletzten Wirtschaftsjahr nicht mindestens 15 betragen habe.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gewährte der Klägerin die Kürzung in der beantragten Höhe. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, § 1 Abs. 7 BerlinFG enthalte eine planwidrige Lücke hinsichtlich derjenigen Unternehmer, die erstmalig in Berlin (West) tätig würden. Diese Lücke sei dahingehend zu schließen, daß entgegen dem Wortlaut des Gesetzes beim Fehlen eines vorletzten Wirtschaftsjahres das letzte Wirtschaftsjahr und beim Fehlen eines letzten Wirtschaftsjahres, also bei Beginn der unternehmerischen Tätigkeit, das erste Wirtschaftsjahr maßgebend sei. § 1 Abs. 7 BerlinFG sei dahin auszulegen, daß nur ein Wirtschaftsjahr, in dem der Unternehmer Umsätze erzielt habe, ein für die Höhe der Berliner Wertschöpfung maßgebliches erstes Wirtschaftsjahr sein könne.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es Verletzung von § 6 Abs. 2 BerlinFG rügt. Das FA ist der Auffassung, das BerlinFG enthalte keine planwidrige Lüke. Der Gesetzgeber habe gewollt, daß die betroffenen Unternehmer in den beiden ersten Jahren der Gründung keine Kürzung erhalten sollten. Zudem sei das erste Wirtschaftsjahr (1986) auch zur Berechnung der Wertschöpfungsquote für die Ermittlung des Kürzungssatzes in den beiden Folgejahren heranzuziehen.
Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Wie der Senat in seinem Urteil vom heutigen Tage V R 33/93, nicht veröffentlicht, zu einem vergleichbaren Sachverhalt entschieden hat, ist die Auffassung des FG, § 1 Abs. 7 BerlinFG enthalte eine planwidrige Lücke, die dahingehend zu schließen sei, daß für die Berechnung des Umsatzsteuer-Kürzungssatzes beim Fehlen eines vorletzten Wirtschaftsjahres auf das letzte Wirtschaftsjahr und beim Fehlen eines letzten Wirtschaftsjahres auf das erste Wirtschaftsjahr abzustellen sei, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das gleiche gilt für die Auffassung des FG, nur ein Wirtschaftsjahr, in dem der Unternehmer Umsätze erzielt habe, könne i. S. von § 1 Abs. 7 BerlinFG für die Höhe der Berliner Wertschöpfung maßgeblich sein (zur lükenfüllenden Auslegung eines Gesetzes, das für das Erstjahr der unternehmerischen Betätigung keine Regelung enthält, vgl. Senatsurteil vom 22. November 1984 V R 170/83, BFHE 142, 316, BStBl II 1985, 142 zu § 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes -- UStG -- 1980).
a) Der Senat hat in dem bezeichneten Urteil (V R 33/93) dargelegt, daß das FG die Regelungslücke in § 1 Abs. 7 und § 6 Abs. 2 BerlinFG in zutreffender Weise in Übereinstimmung mit der Systematik und dem Zweck des BerlinFG ausgefüllt hat.
Als "vorletztes Wirtschaftsjahr" bzw. ersatzweise als "letztes Wirtschaftsjahr" im Sinne der vorgenannten Vorschriften ist bei Unternehmern, die erstmalig eine Tätigkeit in Berlin (West) aufnehmen, nicht eine Gründungs- und Vorbereitungsphase ohne Umsätze von wenigen Monaten vor Jahresende anzusehen. Vorbereitungshandlungen sind bereits dem Grunde nach nicht begünstigt.
Bei einem neu eröffneten Unternehmen ist maßgebliches "vorletztes Wirtschaftsjahr" bzw. ersatzweise "letztes Wirtschaftsjahr" i. S. des § 6 Abs. 2 BerlinFG daher das Wirtschaftsjahr, in dem der Unternehmer sich erstmalig in Form von Umsätzen i. S. von § 1 Abs. 1 bis 6 BerlinFG oder Innenumsätzen i. S. von § 1 a BerlinFG am wirtschaftlichen Verkehr beteiligt hat.
b) Die in § 1 Abs. 7 BerlinFG getroffene gleichlautende Regelung über die Maßgeblichkeit der Wertschöpfungsquote des vorletzten Wirtschaftsjahres für die Gewährung des erhöhten Kürzungssatzes hat den gleichen Zweck wie die Regelung in § 6 Abs. 2 BerlinFG. Sie ist daher gleichermaßen auszulegen.
c) Da die Klägerin erstmalig 1987 Umsätze ausgeführt hat, ist vom FG mangels Vorliegens eines "vorletzten Wirtschaftsjahres" i. S. des § 6 Abs. 2 und § 1 Abs. 7 BerlinFG richtigerweise die in diesem Jahr von der Klägerin erzielte Wertschöpfungsquote der Berechnung des Umsatzsteuer- Kürzungssatzes für 1987 zugrunde gelegt und die Umsatzsteuer 1987 entsprechend dem der Höhe nach zutreffenden Antrag unter Gewährung eines Kürzungssatzes in Höhe von 4,1 v. H. festgesetzt worden. Auch für 1988 hat das FG diesen Kürzungssatz zu Recht gewährt, da die Wertschöpfungsquote des ersten Jahres, das für die Berechnung des Umsatzsteuer-Kürzungsanspruchs i. S. des § 6 Abs. 2 und § 1 Abs. 7 BerlinFG maßgeblich ist, ebenfalls im folgenden Besteuerungszeitraum der Berechnung des Kürzungssatzes zugrunde zu legen ist.
Fundstellen