Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterablehnung
Leitsatz (NV)
Die Richterablehnung kann grundsätzlich nicht auf Rechts- und Verfahrensverstöße gestützt werden, die dem Gericht in einem Parallelverfahren unterlaufen sind.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1 S. 1; ZPO § 42
Tatbestand
Der am 15. Juli 1997 verstorbene Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat u. a. gegen eine ihm gegenüber ergangene Prüfungsanordnung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt -- FA --) sowie gegen dessen Aufforderungen zur Abgabe von Steuererklärungen beim Finanzgericht (FG) Klagen erhoben. Die Inanspruchnahme des Klägers war in dessen Funktion als ehemaliger Gesellschafter der Firma P & Co., Schweiz, erfolgt. In diesen Klageverfahren wurde der Kläger von dem Prozeßbevollmächtigten X des Beschwerdeverfahrens vertreten.
Daneben wurde ein weiteres Klageverfahren vor dem FG geführt. Darin ging es ebenfalls um die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung, die dem Kläger gegenüber in dessen Funktion als Gesellschafter der Schweizer Firma ergangen ist. In diesem Verfahren wurde der Kläger durch den Prozeßbevollmächtigten Y vertreten.
In sämtlichen Klageverfahren sind zwischenzeitlich -- auf mündliche Verhandlungen vom 30. April 1997 -- abweisende Urteile ergangen, die rechtskräftig sind. An den Urteilen haben der Präsident des FG A, die Richter am FG B und C mitgewirkt.
Zuvor war vor dem FG jeweils Termin zur mündlichen Verhandlung zunächst auf den 28. Januar 1997 anberaumt und entsprechend geladen worden. Der Prozeßbevollmächtigte Y hatte daraufhin am 17. Januar 1997 um unmittelbare Ladung des Klägers gebeten; ihm selbst sei eine Kontaktaufnahme wegen dessen Abwesenheit nicht möglich. Außerdem beantragte der Prozeßbevollmächtigte Terminverlegung um acht Wochen, um dem Kläger rechtliches Gehör zu gewähren.
Der Senatsvorsitzende lehnte dies ab. Ein erheblicher Grund für die Terminverlegung liege nicht vor, da der Verhinderungsgrund von dauerhafter Art sei. Nach Mitteilung des FA sei der Kläger seit November 1996 wegen eines gegen ihn ergangenen Haftbefehls flüchtig. Diese Mitteilung war vom FA in einigen der Klageverfahren gemacht worden. Der Prozeßbevollmächtige des Klägers im Beschwerdeverfahren als Bevollmächtigter dieser Klageverfahren hatte auf diesen Vortrag erwidert, ihm sei von einem Haftbefehl nichts bekannt. Der Vortrag sei für die Klageverfahren auch unerheblich.
Der Prozeßbevollmächtigte Y lehnte die drei Berufsrichter des FG-Senats, den Präsidenten des FG A, die Richter am FG B und C, daraufhin wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der Senatsvorsitzende habe die Argumentation des FA in den Parallelverfahren in das Verfahren eingeführt, ohne Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben. Darin liege die einseitige Übernahme des FA-Vortrags und eine Benachteiligung des Klägers. Es müsse davon ausgegangen werden, daß diese Vorgehensweise mit den beiden anderen Berufsrichtern zuvor abgesprochen und von diesen mitgetragen würde.
Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers im Beschwerdeverfahren schloß sich diesem Vorgehen an und lehnte die besagten Richter ebenfalls ab. Nach der Lebenserfahrung sei davon auszugehen, daß sich die zum Ausdruck gekommene Unparteilichkeit der Richter in dem anderen Verfahren sich auf dieses Verfahren auswirken werde.
Das FG hat den Ablehnungsantrag zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, der nicht abgeholfen wurde.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Richterablehnung (§51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. §42 der Zivilprozeßordnung) kann grundsätzlich nicht auf Rechts- und Verfahrensverstöße gestützt werden, die dem Gericht -- möglicherweise -- in einem Parallelverfahren unterlaufen sind (Bundesfinanzhof -- BFH --, Beschlüsse vom 27. Juli 1992 VIII B 59/91, BFH/NV 1993, 112; vom 7. September 1994 II B 70/94, BFH/NV 1995, 414; vom 30. August 1995 XI B 114/95, BFH/NV 1996, 225; vom 16. Dezember 1996 I B 100/94, BFH/NV 1997, 369; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §51 Rdnr. 41, m. w. N.). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn Gründe schlüssig dargetan sind, die dafür sprechen, daß die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (BFH-Beschlüsse vom 17. Juli 1974 VIII B 29/74, BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638; vom 16. Februar 1989 X B 99/88, BFH/NV 1989, 708; in BFH/NV 1997, 369). Daran fehlt es im Streitfall indes; die "Erkenntnisse der Lebenserfahrung" vermögen eine solche Einstellung der abgelehnten Richter oder das Vorliegen von Willkür nicht zu belegen.
Fundstellen
Haufe-Index 67007 |
BFH/NV 1998, 714 |