Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmangel bei mehrfacher Begründung des Urteils
Leitsatz (NV)
Hat das FG sein Urteil mit einer Hilfsbegründung versehen, kann die angefochtene Entscheidung nur dann auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen, wenn er sowohl die Hauptbegründung als auch die Hilfsbegründung betrifft.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist promovierter Theologe. Er ist selbständig und behandelt in seiner Praxis Patienten psychotherapeutisch. Der Kläger bekommt seine Patienten zum Teil von Ärzten überwiesen.
In seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre (1985 bis 1987) machte der Kläger für einen Teil seiner Umsätze Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) besteuerte aber auch diese Umsätze in den angefochtenen Steuerbescheiden.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage ab. Das FG begründete seine Entscheidung damit, daß der Kläger keine den in dieser Vorschrift genannten Heilberufen (sog. Katalogberufen) "ähnliche" Tätigkeit ausübe; es fehle an einer vergleichbaren gesetzlichen Berufszulassung und Berufsausübungsregelung. Das FG folgte ausdrücklich nicht der von der Finanzverwaltung in Abschn. 90 Abs. 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1985 (UStR 1985) vertretenen Auffassung, es reiche für die Steuerbefreiung aus, daß nichtärztliche Psychotherapeuten und Psychagogen ihre heilkundliche Tätigkeit aufgrund einer Zuweisung der Patienten durch einen Arzt und unter dessen Verantwortung ausübten. Aber selbst nach dieser unzutreffenden Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG 1980 könne die Klage keinen Erfolg haben, da sich den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht entnehmen lasse, in welchem Umfang ihm Patienten von den Ärzten überwiesen worden seien.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde eingelegt, die er auf Verfahrensfehler stützt. Er sieht im Zusammenhang damit, daß dem FG die vorge legten ärztlichen Bescheinigungen nicht genügten, eine Verletzung des § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Ein Verfahrens mangel im Sinne dieser Vorschrift ist ein Verstoß gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts. Derartige Verfahrensfehler liegen nur vor, wenn das FG unter Zugrundelegung seiner materiell-rechtlichen Auffassungen gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Hat das FG seine Entscheidung mit einer Hilfsbegründung versehen, kann die angefochtene Entscheidung nur dann auf dem Verfahrensmangel beruhen, wenn er sowohl die Hauptbegründung als auch die Hilfsbegründung betrifft (vgl. allgemein zur Geltendmachung von Zulassungsgründen bei mehrfach begründeten Entscheidungen Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 2. Mai 1974 IV B 3/74, BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 524, und vom 1. Oktober 1986 II B 34/86, BFH/NV 1987, 784).
Es kann dahinstehen, ob in der Beschwerdebegründung schlüssig ein Verfahrensmangel gerügt wird. Jedenfalls betrifft die Rüge nur die Hilfserwägung des FG, die Klage sei auch dann begründet, wenn die Verwaltungsauffassung in Abschn. 90 Abs. 2 UStR 1985 rechtens wäre. Sie bezieht sich nicht auf die Hauptbegründung für die Klageabweisung durch das FG, beim Psychotherapeuten fehle eine gesetzliche Berufszulassungs- und Berufsausübungsregelung. Insoweit hat der Kläger keinen der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe geltend gemacht.
Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundes finanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 422027 |
BFH/NV 1997, 426 |