Entscheidungsstichwort (Thema)
Beurteilungszeitpunkt für Zulässigkeit einer NZB; Rechtsschutzziel im NZB-Verfahren
Leitsatz (NV)
1. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Beschwerde, welche die Zulassung der Revision betrifft, ist nicht der Zeitpunkt der Einlegung, sondern der Zeitpunkt, in welchem über die Beschwerde entschieden wird.
2. Mit einer Beschwerde gegen die Nicht zulassung der Revision kann nicht die Aufhebung des angefochtenen Urteils und der angefochtenen Steuerbescheide erreicht werden. Dieses Prozeßziel ist der Revision vorbehalten. Entsprechende Anträge, die ein Angehöriger der rechts- und steuerberatenden Berufe stellt, können aus Gründen der Rechtssicherheit nicht umgedeutet werden. Es nützt auch nichts, wenn der Antrag auf Zulassung der Revision hilfsweise aufrechterhalten bleibt.
Normenkette
FGO §§ 115, 126 Abs. 3 Nr. 2
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat gemäß § 115 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Finanzgericht (FG) eingelegt und diese umfänglich begründet. Er beantragte hiernach, die Revision aus den Gründen des § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen. Im Laufe des Verfahrens ist er hiervon abgerückt. Er hat zunächst mit Schriftsatz vom 2. März 1996, sodann mit Schriftsatz vom 1. Mai 1996 (u. a.) beantragt,
"a) das Urteil des FG vom 30. 08. 1993 wird aufgehoben;
b) die Einspruchsentscheidung des Bg. (FA ... ) vom 07. 09. 1989 wird ebenfalls aufgehoben;
c) ...
d) Hilfsweise: Die Revision wird zugelassen"
und diesen Antrag im einzelnen begründet. Den Antrag hat er sodann mit Schriftsatz vom 17. Oktober 1996 nochmals bekräftigt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde war damit als unzulässig zu verwerfen.
1. Das zwischenzeitlich auf Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt -- FA --) gerichtete Begehren des Klägers kann nicht mittels der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, vielmehr nur mit der Revision selbst erreicht werden (vgl. § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Ebenso wie es angesichts der grundlegenden Unterschiede der beiden Verfahrensarten aber nicht möglich ist, durch Einlegung einer Revision deren Zulassung zu erreichen, ist es umgekehrt möglich, das Revisionsziel mit der Beschwerde durchzusetzen (vgl. Offerhaus in Hübsch mann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 115 FGO Rz. 19, m. w. N.).
2. a) Der Umstand, daß der Kläger zunächst wirksam Beschwerde eingelegt und mit dieser zunächst auch die Zulassung der Revision begehrt hat, ändert daran nichts. Er hat durch seinen Prozeßbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, ausdrücklich erklären lassen, daß er dieses Begehren nunmehr aufgibt. Der neue Antrag ist unmißverständlich und keiner Auslegung zugänglich. Von einem rechtskundigen Berufsangehörigen kann in zumutbarer Weise erwartet werden, daß diesem die unterschiedlichen Rechtsschutzziele, die durch Revision einerseits und Beschwerde andererseits erreicht werden können, geläufig sind; er ist deshalb mit seinen Prozeßerklärungen beim Wort zu nehmen (vgl. z. B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH --) vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 145, 395, BStBl II 1986, 679; vom 29. Juli 1993 X B 210/92, BFH/NV 1994, 382; Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 115 FGO Rz. 19 m. w. N.). Was insoweit für die Einlegung eines Rechtsmittels gilt, muß ebenso für dessen Aufrechterhalten gelten. Denn maßgebend für die Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde ist nicht der Zeitpunkt der Einlegung, sondern der Zeitpunkt, in welchem über die Beschwerde entschieden wird (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 132 FGO Tz. 9, 11; vgl. auch BFH-Beschluß vom 12. Februar 1969 VII B 60/66, BFHE 95, 84, BStBl II 1969, 318). Auf die ursprünglich geltend gemachten Zulassungsgründe kam es mithin nicht mehr an.
b) Aus letztlich gleichen Gründen des ausschlaggebenden Beurteilungszeitpunktes ist die Beschwerde auch nicht deshalb zulässig, weil der Kläger sein Zulassungsbegehren hilfsweise aufrechterhalten will. Bei dem Verfahren auf Zulassung der Revision und bei der Revision selbst handelt es sich um selbständige und voneinander zu unterscheidende Rechtsbehelfe, die zwar (bedingungsfrei) gleichzeitig eingelegt werden (vgl. z. B. BFH-Ureil vom 6. Februar 1979 VII R 82/78, BFHE 127, 135, BStBl II 1979, 374; Beschluß vom 9. Februar 1988 VII B 157/87, BFH/NV 1988, 586), die indes -- anders als Haupt- und Hilfsbegründungen -- regelmäßig nicht im Verhältnis von Haupt- und Hilfsanträgen zueinander stehen können (vgl. BFH-Beschluß vom 22. Juni 1982 VII B 115/81, BFHE 136, 70, BStBl II 1982, 603). Durch den nur hilfsweisen Antrag auf Zulassung der Revision wird aber erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß das Gericht sich nur dann mit dem Eventualantrag befassen soll, wenn es den Hauptantrag ablehnt. Es liegt damit ein eindeutiges Bedingungsverhältnis vor. Im Streitfall kann der Begriff "hilfsweise" auch nur deshalb auf diese Weise verstanden werden, weil der Antrag von einem Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigten gestellt und begründet worden ist. Es kann vorausgesetzt werden, daß ein Rechtsanwalt den Begriff "hilfsweise" in der üblichen Bedeutung der juristischen Terminologie verwenden und nicht lediglich auf das gegenseitige innerprozessuale Bedingungsverhältnis verweisen will, in dem Nichtzulassungsbeschwerde und Revision zwangsläufig stehen (ebenso: Beschluß in BFHE 136, 70, BStBl II 1982, 603).
Fundstellen
Haufe-Index 422093 |
BFH/NV 1997, 590 |