Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmangel; Verletzung der Sachaufklärungspflicht; Verstoß gegen den Akteninhalt
Leitsatz (NV)
1. Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht ist nicht ausreichend dargelegt, wenn nicht die Erforderlichkeit weiterer Sachverhaltsermittlungen, sondern die fehlende Berücksichtigung entscheidungserheblicher Gesichtspunkte geltend gemacht wird.
2. Ein Verstoß gegen den Akteninhalt ist nicht ausreichend dargelegt, wenn es lediglich um eine angeblich fehlerhafte rechtliche Beurteilung geht.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 76 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 25.10.2005; Aktenzeichen 6 K 6709/02 F) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die behaupteten Verfahrensmängel nicht ausreichend dargelegt oder solche gar nicht geltend gemacht. Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Voraussetzungen müssen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Begründung der Beschwerde dargelegt werden.
1. Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht
a) Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Finanzgericht (FG) den Sachverhalt von Amts wegen. Die Aufklärungspflicht bezieht sich auf Tatsachen; keine Tatsachen sind Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen, sofern es nicht um ausländisches Recht geht (List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 76 FGO Rz 13; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 76 Rz 11; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 76 FGO Rz 21, jeweils m.w.N.).
Eine schlüssige Rüge, das FG habe gegen seine Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung verstoßen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), erfordert die Darlegung, zu welchen konkreten Tatsachen weitere Ermittlungen geboten waren, welche Beweise zu welchem Beweisthema das FG hätte erheben müssen, wo Tatsachen vorgetragen waren, aus denen sich dem FG die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen auch ohne einen entsprechenden Beweisantrag hätte aufdrängen müssen, welches Ergebnis die zusätzliche Erhebung von Beweisen aller Voraussicht nach gehabt hätte und inwieweit die unterlassene Beweiserhebung oder Ermittlungsmaßnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Februar 1988 I R 143/84, BFHE 152, 500, BStBl II 1988, 819 unter II.1. der Gründe; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 70, m.w.N.).
b) Danach haben die Kläger einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht nicht ausreichend dargelegt. Zusätzliche ermittlungsbedürftige Tatsachen lassen sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen.
Das FG hat ausdrücklich festgestellt, dass die Erbengemeinschaft eine Feststellungserklärung 1992 am 15. Juni 1994 für den Gewerbebetrieb eingereicht hat und dass von den Klägern Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in den Streitjahren (1992 bis 1994) nicht erklärt worden sind. Die von den Klägern herausgestellte Frage nach der Bildung einer GbR durch die Mitglieder der Erbengemeinschaft, die zur Abgabe einer derartigen Erklärung verpflichtet war, ist keine Tatsachen-, sondern eine Rechtsfrage. Im Übrigen hat das FG die seiner Auffassung nach bestehende, aber nicht erfüllte Verpflichtung zur Erklärung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nicht mit der Existenz verschiedener Steuerpflichtiger, sondern mit dem unterschiedlichen Erklärungsinhalt --einerseits erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen der Erbengemeinschaft, andererseits nicht erklärte Einkünfte aus den streitigen Grundstücken-- begründet. Auf die Frage, ob die Bezeichnung als Erbengemeinschaft/GbR bzw. GbR zutreffend war, kommt es daher in diesem Zusammenhang nicht an.
c) Auch aus der nach Auffassung der Kläger fehlenden Feststellung des FG, dass die Prüfungsanordnung vom 26. November 1999 nicht an die Klägerin zu 3. gerichtet gewesen sei, lässt sich ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht nicht entnehmen. Denn das FG hat die Prüfungsanordnung ausweislich des Tatbestandes berücksichtigt; es ist dabei davon ausgegangen, dass diese der Erbengemeinschaft gegenüber erlassen worden sei. Die Kläger machen demgegenüber nicht die Erforderlichkeit weiterer Sachverhaltsermittlungen geltend, sondern rügen, dass das FG einen ihrer Auffassung nach entscheidungserheblichen Gesichtspunkt nicht berücksichtigt hat. Damit wird jedoch kein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht dargelegt.
2. Verstoß gegen den Akteninhalt
a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus seinem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Diese Regelung ist nach der Rechtsprechung des BFH dahin auszulegen, dass neben dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch der gesamte Akteninhalt vollständig zu berücksichtigen ist. Ein Verstoß dagegen kann mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. August 1999 IV B 96/98, BFH/NV 2000, 70, und vom 25. Juli 2006 IV B 116/04, BFH/NV 2006, 2270 unter 2. der Gründe). Angeblich widersprüchliche Urteilsbegründungen oder fehlerhafte Sachverhaltswürdigungen sind dagegen --wenn sie vorliegen-- materiell-rechtliche Fehler und keine Verfahrensfehler (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 2270 unter 2. der Gründe).
b) Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ergibt sich danach aus den Darlegungen der Kläger nicht. Das FG hat berücksichtigt, dass die Erbengemeinschaft am 15. Juni 1994 eine Feststellungserklärung eingereicht hat. Die Frage, ob deshalb die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres 1994 auch hinsichtlich der landwirtschaftlichen Einkünfte begonnen hat, wie die Kläger meinen, oder ob die Einreichung einer diese Einkünfte betreffenden Erklärung erforderlich gewesen wäre, wie das FG meint, ist eine Rechtsfrage, mit der sich das FG in den Gründen des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt hat. In der rechtlichen Beurteilung des FG liegt --entgegen der Auffassung der Kläger-- kein Verfahrensfehler, sondern allenfalls ein materiell-rechtlicher Fehler. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das FG einleitend von einer neben der gewerblichen Erbengemeinschaft/GbR bestehenden landwirtschaftlichen GbR hinsichtlich des ruhenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gesprochen hat, weil es sich dabei ersichtlich um eine rechtliche Würdigung des im Tatbestand wiedergegebenen Sachverhaltes handelt.
c) Auch der Hinweis, das FG habe die aus den Akten zu entnehmende unterbliebene Adressierung der Betriebsprüfungsanordnung an die Klägerin zu 3. bei der Prüfung, ob eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) eingetreten ist, nicht berücksichtigt, genügt nicht, um einen Verfahrensverstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO darzulegen. Denn das FG hat sich mit der Prüfungsanordnung vom 26. November 1999 im angefochtenen Urteil ausdrücklich auseinandergesetzt, diese also zur Kenntnis genommen. Zwar ist es davon ausgegangen, dass damit eine Betriebsprüfung bei der Erbengemeinschaft angeordnet --und auf Antrag der Kläger verschoben-- wurde, ohne sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Ablaufhemmung möglicherweise nicht eingetreten war, weil die Anordnung nicht an sämtliche Erben adressiert war. Darin liegt jedoch kein Verstoß gegen den Inhalt der Akten, sondern (wiederum) allenfalls ein materiell-rechtlicher Fehler.
Das FG hat auch kein Vorbringen der Kläger übergangen. Denn diesen Gesichtspunkt haben sie im Veranlagungs- und Klageverfahren nicht geltend gemacht; im vorliegenden Beschwerdeverfahren haben sie sich erstmals darauf berufen.
3. Ein Verfahrensmangel ergibt sich danach aus den Darlegungen der Kläger nicht. Sie wenden sich in der Sache vielmehr gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung und die vom FG vorgenommene Einzelfallwürdigung. Das reicht indes zur ordnungsgemäßen Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes nicht aus (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 7. September 2005 IV B 67/04, BFH/NV 2006, 234 unter 1.a der Gründe).
Fundstellen