Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfe für eine Anfechtungsklage gegen einen Grunderwerbsteuerbescheid
Leitsatz (NV)
1. Für den Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für die Beschwerde gegen einen die Prozeßkostenhilfe verweigernden Beschluß des Finanzgerichtes gilt nicht der Vertretungszwang des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG.
2. Ermittlung der 66 2/3 %-Grenze des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG.
Normenkette
FGO § 142; ZPO § 114; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; GrEStEigWoG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Tatbestand
I. 1. Der Antragsteller hatte am 5. August 1977 für 121 200 DM ein früher landwirtschaftlich genutztes Anwesen gekauft. Antragsgemäß hatte das FA nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG den Erwerb insoweit freigestellt, ,,als die Gegenleistung auf das Wohnhaus mit Umgriff entfällt". Diese Gegenleistung errechnete das FA auf 80 372 DM; danach verblieb eine Gegenleistung von 40 828 DM, von welcher das FA 2 857,95 DM Steuer berechnete und mit Bescheid vom 7. Dezember 1977 festsetzte.
Am 18. August 1980 veräußerte der Antragsteller das vorgenannte Grundstück weiter. Das FA erhob die Steuer - soweit sie auf die Gegenleistung von 80 372 DM entfiel - gemäß § 3 GrEStEigWoG nach mit der Begründung, das Vertragsobjekt habe während der Benutzung durch den Antragsteller nicht zu mehr als 66 2/3 % Wohnzwecken gedient. Laut Einkommensteuererklärung 1978 des Antragstellers sei es zu 45 % gewerblich vermietet gewesen.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA führte in seiner Einspruchsentscheidung u. a. aus:
,,Nachforschungen des Finanzamts haben die Angaben des Bf. hinsichtlich der Eigennutzung des Nebengebäudes mit 70 qm Wohnfläche bestätigt. Die als Abstellräume für Antiquitäten und Zubehör (Maschinen, Werkzeuge) genutzte Fläche des Hauptgebäudes betrug nach diesen Ermittlungen 170 qm. Die gesamte Nutzfläche des Hauptgebäudes beträgt 350 qm. Die restliche Fläche (350 qm - 170 qm = 180 qm) war wegen Renovierungsarbeiten des Bf. noch keiner Nutzung zugeführt.
Die im Hauptgebäude lagernden Antiquitäten waren jedoch nicht Gegenstand einer privaten Sammlung des Bf., sondern Umlaufvermögen einer Antiquitätenhandlung (X-GmbH), deren Inhaber bzw. Geschäftsführer der Bf. war. Die für die Antiquitäten der X-GmbH genutzten Räumlichkeiten wurden somit nach Maßgabe der Bestimmungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStEigWoG in Verbindung mit Abschn. 55 Einkommensteuer-Richtlinien (Tz. 4.7 der Vorschriftensammlung zur Grunderwerbssteuer VS C.13.1.1) nicht zu Wohnzwecken, sondern zu gewerblichen Zwecken genutzt.
Es ergibt sich folgende Nutzflächenberechnung:
Wohn- gewerbl. ungen. Fläche gesamt
zwecke Zwecke wegen Renovierung
Nebengebäude 70 qm - - 70 qm
Hauptgebäude - 170 qm 180 qm 350 qm
70 qm 170 qm 180 qm 420 qm
Von der gesamten Nutzfläche (420 qm = 100 v. H.) wurden somit 40,47 v. H. (170 qm) zu gewerblichen Zwecken genutzt. Die Nacherhebung der Grunderwerbsteuer erfolgte daher zurecht, da die Höchstgrenze der gewerblichen Nutzung (33 1/3 v. H.) des Vertragsobjekts überschritten wurde. Die vom Bf. genutzte Wohnung im Nebengebäude (70 qm) liegt flächenmäßig eindeutig unter dem von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStEigWoG geforderten Nutzungsanteil von 66 2/3 v. H. für Wohnzwecke (66 2/3 v. H. v. 420 qm = 280 qm)."
II. Der Antragsteller hat beim FG Klage erhoben mit dem Antrag, den Grunderwerbsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Außerdem hat der Antragsteller beantragt, ihm für die vorgenannte Klage Prozeßkostenhilfe zu gewähren. Das FG hat diesen Antrag durch Beschluß vom 13. Januar 1986 abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine Aussicht auf Erfolg.
Die Klage hat das FG inzwischen durch Vorbescheid vom 13. Januar 1986 abgewiesen.
Mit einem - von ihm selbst unterschriebenen - Schreiben vom 17. Februar 1986 an das FG - dort eingegangen am 20. Februar 1986 - teilt der Antragsteller mit, er ,,ersuche . . . wiederholt Prozeßkostenhilfe zu gewähren und das Verfahren bis dahin auszusetzen".
Das FG hat dieses Schreiben als Beschwerde angesehen und dieser nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
III.1. Der Antrag ist zulässig.
Der Senat legt zugunsten des Antragstellers dessen Schreiben vom 17. Februar 1986 dahin aus, daß er beim Bundesfinanzhof (BFH) zunächst Prozeßkostenhilfe begehrt für die Beschwerde gegen den Beschluß des FG vom 13. Januar 1986. Denn die Beschwerde selbst könnte er gemäß Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG nur durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Prozeßbevollmächtigten einlegen. Dagegen kann er für diese Beschwerde die Prozeßkostenhilfe auch ohne diese Vertretung beantragen; denn für derartige Fälle gilt Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG nicht (BFH-Beschluß vom 18. Juli 1985 V S 3/85, BFHE 143, 528, BStBl II 1985, 499).
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Dem Antragsteller kann keine Prozeßkostenhilfe für die Beschwerde gewährt werden. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung, d. h., die Beschwerde gegen den FG-Beschluß vom 13. Januar 1986, bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 FGO, § 114 ZPO). Das FG hat in diesem Beschluß die Prozeßkostenhilfe zu Recht mit der Begründung verweigert, daß die Klage ihrerseits keine solchen Erfolgsaussichten habe.
a) Unstreitig hatte der Antragsteller den notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag vom 5. August 1977 abgeschlossen, so daß gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG Grunderwerbsteuer entstanden war. Wenn der Antragsteller sich auf Umstände beruft, nach denen in seinem Fall ausnahmsweise keine Grunderwerbsteuer entstanden ist, so trägt er dafür die (objektive) Beweislast. Nach Ansicht des Senats gibt es keinen Anhalt dafür, daß der Antragsteller diesen Beweis führen kann.
b) Zweifelhaft mag schon sein, ob das vom Antragsteller erworbene landwirtschaftliche Anwesen noch als Einfamilienhaus oder Zweifamlienhaus im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 GrEStEigWoG angesehen werden kann. Zwar kann nach dem Urteil des Senats vom 30. September 1981 II R 8/80 (BFHE 134, 189, BStBl II 1982, 30) auch ein niedersächsisches Bauernhaus mit einem 4 000 qm großen Grundstück noch ein derartiges Einfamilienhaus sein. Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein etwa 10 000 qm großes Grundstück mit einem sog. Vierseithof. Es ist zu berücksichtigen, daß mit dem genannten Gesetz nur die Befriedigung von Wohnbedürfnissen des Erwerbers erleichtet werden, nicht aber generell der Erwerb von bebauten Grundstücken begünstigt werden sollte, sofern nur der Erwerber mehr als 66 2/3% der Nutzfläche ein Jahr lang innerhalb der Fünf-Jahres-Frist zum Wohnen verwenden würde. Das zeigt sich darin, daß der Erwerb eines Hauses mit drei Wohnungen selbst dann nicht begünstigt war, wenn der Erwerber eine der Wohnungen innerhalb der Fünf-Jahres-Frist ein Jahr lang nutzte.
Der Senat läßt offen, ob das FA hier den Begriff des Einfamilienhauses oder Zweifamilienhauses im Sinne des GrEStEigWoG bei der vorläufigen Steuerbefreiung zugunsten des Antragstellers zu weit ausgelegt hat. Dieser Fehler würde die Nacherhebung der Steuer gemäß § 3 GrEStEigWoG nicht hindern (BFH-Urteil vom 13. Februar 1985 II R 74/82, BFHE 143, 163, BStBl II 1985, 374). Es bestehen aber auch noch aus anderen Gründen keine Erfolgsaussichten im Sinne des § 114 ZPO.
c) Der bisher bekannte Sachverhalt gibt keinen Anhalt dafür, daß eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes zu dem Ergebnis führen könnte, der Antragsteller habe die Räume des erworbenen Anwesens zu mehr als 662/3% für Wohnzwecke genutzt.
Der Antragsteller wurde während des Einspruchsverfahrens durch den Steuerberater X und durch den Rechtsanwalt Y vertreten. Das FA hat beide Personen (mit Schreiben vom 4. Dezember 1980 und 5. November 1981) um eine Berechnung der Wohn- und Nutzfläche des Anwesens gebeten. Rechtsanwalt Y hat mitgeteilt: ,,Die genutzte Wohnfläche im ausgebauten Teil des Nebengebäudes betrug ca. 70 qm. Die Wohnfläche im Hauptgebäude hätte nach Fertigstellung ca. 350 qm betragen, wovon ca. 70 qm für die Benutzung durch die Firma . . . GmbH vorgesehen waren (Umbau des früheren Kuhstalles im Hauptgebäude mit Gewölbe)." Von diesen tatsächlich genutzten 70 qm ist das FA in seiner Einspruchsentscheidung ausgegangen. Daß die Wohnfläche im Hauptgebäude nach dessen Fertigstellung etwa 350 qm betragen hätte, ist unerheblich. Denn tatsächlich ist es zu dieser Nutzung nicht gekommen, weil das Grundstück vorher weiterveräußert wurde.
Die jetzigen Angaben des Antragstellers in seinem Schreiben vom 17. Februar 1986 sprechen nicht für die Aussicht auf ein gegenteiliges Beweisergebnis.
Der Antragsteller macht geltend, daß in bestimmten Räumlichkeiten ,,meine . . . (Pferde und Fuhrwerke), mein Traktor, Motorboot und PKW untergebracht" waren. Abgesehen davon, daß Räume für solche Zwecke nicht mehr als (für die Berechnung des Wohnflächenanteils unschädliche) Nebenräume eines Einfamilienhauses oder Zweifamilienhauses angesehen werden können, sind diese Angaben nicht geeignet, einen Anhalt dafür zu geben, bei einer weiteren Beweisaufnahme werde sich ein anderer, dem Antragsteller günstiger Sachverhalt herausstellen. Es wäre Aufgabe des Antragstellers gewesen, hier genaue Angaben zu machen. Ihn trifft eine erhöhte Mitwirkungspflicht, denn er weiß am ehesten, auf welche Weise er damals das Anwesen genutzt hat. Auch sein Einwand, die Ausübung seines Gewerbes (Antiquitätenhandel) sei ihm behördlich untersagt worden, so daß er die Räume nicht mehr teilweise gewerblich habe nutzen können, hilft in dieser Hinsicht nicht weiter. Wenn diese gewerbliche Nutzung wegfiel, so bedeutet das noch nicht, daß jetzt die betreffenden Räume im Sinne des GrEStEigWoG zu Wohnzwecken dienten.
Der weitere Vortrag des Antragstellers, daß er zahlreiche Umbauarbeiten in Angriff genommen habe, die erst sein Nachfolger im Eigentum nach einem weiteren Jahr habe fertigstellen können, ist ebenso unerheblich wie die übrigen Ausführungen darüber, daß das FA in der Einspruchsentscheidung die Flächendaten falsch beurkundet habe.
Fundstellen
Haufe-Index 414493 |
BFH/NV 1987, 465 |