Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehen der Zollschuld; Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung; Abweichung von einer Entscheidung der Kommission keine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2; ZK Art. 203-204; ZKDV Art. 865 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat in ihrem Betrieb in M im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren als zugelassene Empfängerin eine Sendung mit Teilen und Zubehör für Instrumente zum Regeln der Code-Nr. 9032 9090 000 erhalten, die am 8. Oktober 1996 mit Versandschein T 1 von F nach M (Deutschland) befördert worden waren. Eine Anfrage des Beklagten und Beschwerdegegners (Hauptzollamt ―HZA―) bei der Klägerin ergab, dass diese die Sendung ohne Zustimmung des HZA und ohne Eröffnung eines weiteren Versandverfahrens zum HZA A befördert haben will; dort sei die Sendung am 26. Oktober 1996 gestellt, zur Wiederausfuhr im TIR-Verfahren angemeldet und anschließend aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt worden. Das HZA hat daraufhin mit Steuerbescheid vom 25. Februar 1997 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 2. Juni 1997 gegen die Klägerin Einfuhrabgaben in Höhe von … DM festgesetzt, weil eine Zollschuld durch Entziehen der Ware aus der zollamtlichen Überwachung entstanden sei. Die dagegen gerichtete Klage war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) führte im Einzelnen aus, die Zollschuld sei bereits nach Art. 203 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex ―ZK―) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 302/1) durch Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung entstanden. Die Klägerin könne ihre Auffassung, es sei keine Zollschuld entstanden, daher nicht auf Art. 204 ZK i.V.m. Art. 859 Nr. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (Zollkodex-Durchführungsverordnung ―ZKDVO―) der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 253/1) stützen.
Entscheidungsgründe
II. Soweit die Klägerin ihre Nichtzulassungsbeschwerde auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) gestützt hat, ist sie unbegründet, weil die von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen entweder keine grundsätzliche Bedeutung haben oder in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wären. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde auf das Vorliegen einer Divergenz gestützt wurde, ist sie unzulässig, weil die Abweichung der angefochtenen Entscheidung von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs oder des Bundesverfassungsgerichts nicht ausreichend bezeichnet worden ist (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Die Rechtsfrage, "ob durch den Wortlaut des Art. 204 ZK … eine Vorrangstellung des Art. 203 ZK einhergeht oder ob Art. 204 ZK als genauere Rechtsform mit genau festgelegten Heilungsmöglichkeiten der Pflichtverletzung dem Art. 203 ZK vorgeht", kann nur so beantwortet werden, wie es das FG entschieden hat. Danach ergibt sich die Zollschuld aus Art. 203 ZK, wenn die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen worden ist. Das folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 204 ZK, nach dem eine Einfuhrzollschuld nach dieser Vorschrift (nur) entsteht, wenn "in anderen als den in Art. 203 genannten Fällen" eine sich aus der vorübergehenden Verwahrung oder der Inanspruchnahme eines Zollverfahrens, in das die Ware überführt worden ist, ergebende Pflicht nicht erfüllt wird.
2. Die Rechtsfrage, ob durch das nur vorübergehende Entfernen von Waren, die sich in der vorübergehenden Verwahrung befinden, vom Verwahrungsort ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung zu sehen ist, wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil die Waren nach den Feststellungen des FG im Streitfall, auf Dauer von dem Verwahrungsort (Art. 51 ZK), der sich im Betrieb der Klägerin befand, entfernt wurden.
Die Beantwortung der Frage, ob in dem Fall, in dem Waren, die sich in der vorübergehenden Verwahrung befinden und ohne vorherige Überführung in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren ausgeführt werden, ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung oder (nur) eine Verletzung der Pflichten aus der vorübergehenden Verwahrung vorliegt, wäre in einem Revisionsverfahren schon deshalb nicht klärungsfähig, weil das FG nicht feststellen konnte, dass die nämlichen Waren überhaupt ausgeführt worden sind.
3. Auch die Frage, ob bei der (angeblichen) Abfertigung der Ware zum TIR-Verfahren eine zollamtliche Prüfung tatsächlich durchgeführt sein muss oder ob die Möglichkeit einer Prüfung die gleiche Rechtswirkung hat, wäre im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, da der Zollstelle in Frankfurt/Oder nach den Feststellungen des FG die Möglichkeit von Prüfungsmaßnahmen genommen war, weil die Ware nicht als Nichtgemeinschaftsware angemeldet wurde.
4. Die angebliche Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung der Kommission vermag eine zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO führende Abweichung nicht zu begründen, weil eine Entscheidung der Kommission keine der in der Vorschrift genannten gerichtlichen Entscheidungen ist. Daraus allein ergibt sich auch nicht die grundsätzliche Bedeutung der Sache.
5. Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen