Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Verzicht auf die Steuerbefreiung einer Grundstückslieferung durch Versäumnisurteil auf Rechnung mit gesondertem Steuerausweis
Leitsatz (NV)
- Ob ein Unternehmer auf die Steuerfreiheit für eine Grundstückslieferung verzichtet, ist aufgrund seines gesamten Verhaltens zu ermitteln. Eine Bindung an ein Versäumnisurteil auf Erteilung einer Rechnung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer besteht nicht.
- Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung einer Grundstückslieferung im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens ist auch vor In-Kraft-Treten des § 9 Abs. 3 UStG 1999 nach dem Verteilungstermin nicht mehr wirksam.
Normenkette
UStG 1999 § 9 Abs. 3; UStG 1993 § 9 Abs. 1
Tatbestand
1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hatte der E-KG an ihrem Grundstück ein Erbbaurecht bestellt. Die E-KG errichtete auf dem Grundstück ein Gebäude, das sie vermietete. Sie wurde zahlungsunfähig. Der Aufenthalt ihres geschäftsführenden Gesellschafters ist unbekannt. Die Klägerin betrieb die Zwangsversteigerung des Erbbaurechts. Sie erhielt aufgrund ihres Meistgebots von … DM am 18. Dezember 1998 den Zuschlag und führte die Mietverhältnisse zunächst fort.
Aufgrund eines entsprechenden Versäumnisurteils vom 10. Februar 1999 auf Erteilung einer Rechnung stellte der deswegen bestellte Abwesenheitspfleger am 1. April 1999 eine Rechnung über … DM und … DM Umsatzsteuer über den Verkauf des Erbbaurechts aus.
Die Klägerin machte den erwähnten Steuerbetrag als Vorsteuer in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für April 1999 geltend.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) lehnte es mit Bescheid vom 5. Juli 1999 ab, der Voranmeldung zuzustimmen, weil eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliege.
Die Sprungklage der Klägerin blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) ließ dahingestellt, ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen gegeben sei. Es sah aber als erwiesen an, dass die E-KG nicht auf die Steuerfreiheit der Veräußerung des Erbbaurechts verzichtet habe. Sie habe durch das ergangene Versäumnisurteil nicht die Befugnis verloren, selbst darüber zu entscheiden, ob sie auf die Steuerbefreiung dieses Umsatzes verzichte. Wie sich aus den beigezogenen Steueraken der E-KG ergebe, habe diese den Umsatz nicht versteuern wollen.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und wegen Abweichung von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
2. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO), sind nicht vorhanden.
a) Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftig und im Streitfall auch klärbar sein (Beschlüsse des BFH vom 25. Juli 2000 XI B 122/99, BFH/NV 2000, 1495; vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51).
Die von der Klägerin als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig; denn sie lässt sich aus dem Gesetz beantworten und ist geklärt.
aa) Soweit dem Vorbringen der Klägerin zu entnehmen ist, begehrt sie eine Klärung, ob eine in einem zivilrechtlichen Versäumnisverfahren erstrittene Rechnung mit gesondertem Steuerausweis über einen grundsätzlich steuerfreien Umsatz auch einen für einen solchen Umsatz möglichen Verzicht enthält.
Diese Frage ist nicht klärungesbedürftig. Die Grundsätze für einen Verzicht auf die Steuerfreiheit eines in § 9 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 bezeichneten Umsatzes sind durch die Rechtsprechung geklärt. Der Verzicht wird dadurch ausgeübt, dass der Unternehmer den Umsatz als steuerpflichtig "behandelt". In die Beurteilung, ob Erklärungen oder Verlautbarungen einen entsprechenden eindeutigen Willen des Unternehmers ergeben, ist sein gesamtes Verhalten einzubeziehen (BFH-Urteil vom 16. Juli 1997 XI R 94/96, BFHE 183, 301, BStBl II 1997, 670). Diese Grundsätze hat das FG angewendet. Es hat im Streitfall ―mangels vorhandender Verfahrensrügen für das Revisionsgericht bindend― festgestellt, dass die E-KG nicht habe verzichten wollen.
bb) Hinzu kommt, dass eine Klärbarkeit der von der Klägerin gestellten Rechtsfragen nicht gegeben ist, weil aus der im Versäumnisverfahren am 10. Februar 1999 erstrittenen Rechnung ein Vorsteuerabzug schon deswegen nicht zugelassen ist, weil nach der Rechtsprechung des Senats (BFH-Urteil vom 21. März 2002 V R 62/01, BFH/NV 2002, 1112) auch vor In-Kraft-Treten des § 9 Abs. 3 UStG 1999 n.F. ein Verzicht auf die Steuerbefreiung der Grundstückslieferung im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens nach dem Verteilungstermin (im Streitfall 18. Dezember 1998) nicht mehr wirksam ist.
b) Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
Eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen einer Abweichung der Vorentscheidung von der Rechtsprechung des BFH oder eines anderen obersten Bundesgerichts scheidet aus, weil die Begründung der Beschwerde insoweit nicht den Anforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht.
Zur schlüssigen Rüge einer Divergenz muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der (mutmaßlichen) Divergenzentscheidung des BFH andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (ständige Rechtsprechung, zuletzt u.a. BFH-Beschluss vom 18. April 2002 X B 186/01, noch nicht veröffentlicht).
Die Klägerin meint, die Vorentscheidung weiche von dem Urteil des BFH vom 1. Dezember 1994 V R 126/92 (BFHE 176, 491, BStBl II 1995, 426) ab. Sie hat aber keine Rechtssätze aus dieser Entscheidung und aus der Vorentscheidung gegenübergestellt, aus denen sich die Abweichung ergibt. Das Vorbringen der Klägerin ergibt nur, dass sie der Meinung ist, das FG hätte ihrer Klage im Ergebnis stattgeben müssen. Damit und mit dem Hinweis auf die nicht näher bestimmte "ständige Rechtsprechung" erfüllt die Klägerin die geforderten Zulässigkeitsvoraussetzungen aber nicht (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
3. Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.
Fundstellen