Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung gerichtlicher Hinweispflichten; Aufwendungen zur Beseitigung von Sturmschäden als außergewöhnliche Belastung; keine Verteilung der Aufwendungen auf mehrere Kalenderjahre
Leitsatz (NV)
- Im Rahmen seiner verfahrensrechtlichen Prozessförderungs- und Fürsorgepflichten hat der Vorsitzende u.a. darauf hinzuwirken, dass sachdienliche Anträge gestellt werden. Der Erfolg der Klage soll nicht an der Rechtsunerfahrenheit eines Klägers, zumal in Formsachen, scheitern. Aufgabe des Gerichts ist es indes nicht, Rechtsrat oder Rechtsauskunft zu geben und neue, weiter gehende Prozessziele anzuregen.
- Für die schlüssige Rüge der Verletzung der Hinweispflichten ist nicht nur anzugeben, worauf das Gericht hätte hinweisen sollen, sondern auch, was die Beteiligten im Falle des Hinweises konkret vorgetragen hätten und inwiefern das angefochtene Urteil ‐ nach der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts ‐ auf dem vermeintlichen Verfahrensmangel beruhen kann.
- Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind nur Verstöße des Gerichts gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts, nicht hingegen Verfahrensfehler, die dem Finanzamt im außergerichtlichen Verfahren unterlaufen sind.
- Werden Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht, so kommt ein Abzug nur im Jahr des Abflusses in Betracht. Eine Verteilung von derartigen als Erhaltungsaufwand, z.B. nach § 10f EStG, zu beurteilenden Aufwendungen ist im Anwendungsbereich des § 33 EStG nicht zugelassen.
Normenkette
EStG § 11 Abs. 2, §§ 10f, 11b; FGO § 76 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 10.04.2003; Aktenzeichen 16 K 47/01) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Die Klägerin trägt vor, das Finanzgericht (FG) hätte sie darauf hinweisen müssen, dass Aufwendungen zur Beseitigung von Sturmschäden an einem Gebäude als außergewöhnliche Belastung (§ 33 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) abgezogen werden könnten. Mit diesem Vorbringen wird kein Verfahrensmangel schlüssig gerügt.
a) Nach § 76 Abs. 2 FGO hat der Vorsitzende im Rahmen seiner verfahrensrechtlichen Prozessförderungs- und Fürsorgepflichten u.a. darauf hinzuwirken, dass sachdienliche Anträge gestellt werden. Der Erfolg der Klage soll nicht an der Rechtsunerfahrenheit eines Klägers, zumal in Formsachen, scheitern. Das Gericht ist deshalb gehalten, durch Hinweise den Weg zu zeigen, wie das erstrebte Prozessziel am wirksamsten und einfachsten erreicht werden kann. Aufgabe des Gerichts ist es jedoch nicht, Rechtsrat und Rechtsauskunft zu geben und neue, weiter gehende Prozessziele anzuregen (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 5. Mai 2000 III B 14/00, BFH/NV 2000, 1349).
Für die schlüssige Rüge der Verletzung der Hinweispflicht durch das Gericht ist nicht nur anzugeben, worauf das Gericht hätte hinweisen sollen, sondern auch, was die Beteiligten im Falle des Hinweises konkret vorgetragen hätten und inwiefern das angefochtene Urteil ―nach der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts― auf dem vermeintlichen Verfahrensmangel beruhen kann (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2000, 1349, und vom 21. November 2001 III B 66/01, BFH/NV 2002, 517).
Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind grundsätzlich nur Verstöße des FG gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts. Keine Verfahrensfehler im Sinne dieser Zulassungsnorm sind hingegen Fehler, die dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) im Besteuerungsverfahren oder im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren unterlaufen sind (BFH-Beschluss vom 21. Juni 2001 XI B 26/01, BFH/NV 2001, 1444).
b) Die Klägerin hat zwar geltend gemacht, das FG hätte sie auf § 33 EStG hinweisen und insbesondere darauf hinwirken müssen, dass sie den für die Anwendung dieser Vorschrift erforderlichen Antrag stellt. Indes fehlt jeglicher Vortrag dazu, was sie auf einen entsprechenden Hinweis zur Anwendung des § 33 EStG noch ausgeführt hätte. Ebenso fehlen Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit des behaupteten Verfahrensmangels.
Der Abzug von Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden aufgrund von Naturkatastrophen als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG kommt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur unter engen Voraussetzungen in Betracht; es muss sich um Vermögensgegenstände in einem existentiell wichtigen Bereich handeln, wie z.B. dem Wohnen im eigenen Haus (vgl. BFH-Urteile vom 6. Mai 1994 III R 27/92, BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104, unter 3.a der Gründe, und vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774, unter 2.a der Gründe).
Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass sie das Gebäude für den eigenen Wohnbedarf genutzt hat. Selbst wenn die von ihr geltend gemachten Aufwendungen aber dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen wären, so käme ein Abzug dieser Aufwendungen nach § 11 Abs. 2 EStG ausschließlich im Jahr des Abflusses in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juni 1999 III R 8/95, BFHE 189, 371, BStBl II 1999, 766, unter II.1. der Gründe, m.w.N., insoweit zustimmende Anmerkung von Kanzler in Finanz-Rundschau 1999, 1194).
Im Streitfall sind die geltend gemachten Aufwendungen bereits in den Jahren 1992 und 1993 angefallen. Das Kalenderjahr 1992 war indes überhaupt nicht beim FG anhängig. Die wegen des Kalenderjahres 1993 rechtshängig gewordene Klage hat das FG als unzulässig abgewiesen.
Eine sachliche Prüfung einer Korrektur des Bescheides für 1993 und eines möglichen Abzugs dieser Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung war dem FG mithin von vornherein verwehrt. Es hätte unter diesen Umständen bereits zusätzlicher Darlegungen bedurft, weshalb das FG nach dieser prozessrechtlichen Verfahrenslage überhaupt zu Hinweisen auf materiell-rechtliche Rechtsfragen verpflichtet gewesen sein soll.
Die Möglichkeit einer Verteilung der Aufwendungen auf die späteren, ebenfalls beim FG anhängigen Veranlagungszeiträume 1994 bis 1997 hätte ebenfalls ausführlich dargelegt werden müssen. Die von der Klägerin herangezogene Regelung in § 11b EStG, nach der Erhaltungsaufwendungen bei Baudenkmalen auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilt werden dürfen, betrifft ausschließlich Aufwendungen, die anderenfalls sofort als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzuziehen wären (vgl. Kleeberg in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 11b Anm. A 8). Das FG hat indes im Streitfall gerade eine Einkünfteerzielungsabsicht verneint.
Soweit § 10f EStG eine Verteilung von Erhaltungsaufwendungen für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmale zulässt, die nicht zu den Betriebsausgaben oder Werbungskosten gehören, erfolgt ein Abzug wie Sonderausgaben (vgl. § 10f Abs. 1 Satz 1 EStG). Im Streitfall ist bereits nicht erkennbar, dass das Nebengebäude zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Darüber hinaus macht der Regelungsinhalt deutlich, dass es sich um eine Ausnahmeregelung von § 11 Abs. 2 EStG im Sonderausgabenbereich, nicht hingegen im Anwendungsbereich des § 33 EStG handelt.
2. Zu dem Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat die Klägerin die Darlegungsanforderungen (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217) nicht einmal ansatzweise erfüllt. Weder ist eine bestimmte Rechtsfrage bezeichnet worden, noch ist ihre Klärungsbedürftigkeit (vgl. dazu auch die Hinweise unter 1.b dieses Beschlusses) und ihre Klärbarkeit dargelegt worden.
3. Von einer Darstellung des Tatbestandes sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen
Haufe-Index 1093693 |
BFH/NV 2004, 339 |