Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Erfordernissen einer Revisionsbegründung
Leitsatz (NV)
Die Zulässigkeit einer Revision setzt auch voraus, daß die Revisionsbegründung aus sich heraus erkennen läßt, daß sich der Revisionskläger mit den Gründen, auf denen die Vorentscheidung beruht, auseinandergesetzt hat.
Normenkette
FGO §§ 124, 120
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bis zum 1. Mai 1977 selbständig als Steuerberater tätig. Seinen Gewinn ermittelte er durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Mit Wirkung vom 2. Mai 1977 gründete er zusammen mit drei Steuerbevollmächtigten eine Sozietät, in die er seine Steuerberatungspraxis einbrachte. Im ,,Kauf- und Gesellschaftsvertrag" vom 4. Juni 1977 legten die Vertragsparteien den ,,Umsatzwert der eingebrachten Praxis" auf 500 000 DM fest und vereinbarten, daß der Kläger an die anderen drei Gesellschafter eine ,,Teilpraxis von ideell 3/4" gegen einen Kaufpreis von je 125 000 DM (zusammen 375 000 DM) veräußere.
Die Sozietät, die ihren Gewinn ebenfalls durch Bestandsvergleich ermittelt (§ 4 Abs. 1 EStG), erstellte eine Eröffnungsbilanz, in der die Buchwerte der Praxis des Klägers fortgeführt sind. In Ergänzungsbilanzen hierzu aktivierten die drei Sozien des Klägers einen Praxiswertanteil von jeweils 125 000 DM.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1977 beantragte der Kläger, für einen Gewinn aus der Veräußerung einer ,,Teilpraxis" die Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat demgegenüber im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Klägers für 1977 die Auffassung, der bei der Einbringung der Einzelpraxis in die Sozietät erzielte Gewinn könne nicht tarifbegünstigt werden. Die Veräußerung von 3/4 der Einzelpraxis sei keine Veräußerung einer Teilpraxis. Der Kläger habe vielmehr nur einen Teil der Buchwerte und stillen Reserven seiner Einzelpraxis an die anderen Gesellschafter gegen Zuzahlung veräußert und die ihm verbliebenen Anteile an den Wirtschaftsgütern seiner Einzelpraxis zu Buchwerten in die Gesellschaft eingebracht; danach seien nicht sämtliche stillen Reserven aufgedeckt worden (Einkommensteuerbescheid vom 10. März 1980; Änderungsbescheid vom 14. Oktober 1980; Einspruchsentscheidung vom 10. August 1982).
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, der bei Einbringung der Praxis in die Sozietät erzielte Gewinn sei nicht tarifbegünstigt. Eine begünstigte Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe i. S. von § 18 Abs. 3 EStG scheide aus, weil der Kläger weiterhin als Steuerberater tätig sei. Auch eine tarifbegünstigte Teilbetriebsveräußerung liege nicht vor, weil es sich bei der Sacheinlage des Klägers in die Sozietät gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten um die gesamte Praxis gehandelt habe, die in keiner Weise in mehrere organisatorisch verselbständigte Teile aufgeteilt gewesen sei. Des weiteren komme auch eine begünstigte Veräußerung eines Mitunternehmeranteils nicht in Betracht, denn der Kläger sei erst durch die Gründung der Sozietät Gesellschaftermitunternehmer geworden. Schließlich könne die beantragte Tarifbegünstigung auch nicht gemäß § 24 Abs. 3 des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG) gewährt werden, weil bei der Einbringung der Praxis des Klägers in die Sozietät die stillen Reserven nur teilweise, nämlich nur in Höhe von 3/4, aufgedeckt worden seien. Die Klage hätte nur dann Erfolg haben können, wenn der Kläger, wie in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 1985 angekündigt, zusammen mit seinen Sozien eine der Zustimmung des FA unterliegende geänderte Eröffnungsbilanz für die Sozietät eingereicht hätte, in der auch der auf den Kläger entfallende Teil des Praxiswerts angesetzt worden wäre. Hierauf sei der Kläger mehrfach hingewiesen worden. Gleichwohl sei dem FA keine geänderte Bilanz vorgelegt worden, obwohl hierzu zwei Jahre Zeit gewesen sei. Das FG schließe hieraus, daß die Sozietät eine solche Änderung ernsthaft nicht erwäge.
Gegen dieses klageabweisende Urteil vom 13. Juni 1985, dem Kläger zugestellt am 12. Juli 1985, legte der Kläger fristgerecht Revision ein. Innerhalb der bis zum 31. Dezember 1985 verlängerten Frist zur Begründung der Revision ging beim Bundesfinanzhof (BFH) ein als ,,Revisions-Begründung" bezeichneter Schriftsatz vom 25. Dezember 1985 ein, in dem lediglich ausgeführt ist, es könne doch wohl nicht wahr sein, daß die bisher nicht geänderte Bilanz der Sozietät der Klage die Aussicht auf den Erfolg genommen habe. Die Bilanzänderung sei unterblieben, weil der Kläger und seine Partner sie für unwesentlich angesehen hätten. Nach Rückkehr der Partner aus dem Weihnachtsurlaub werde eine geänderte Eröffnungsbilanz nachgereicht. Im übrigen habe der Kläger seinerzeit eine Versteuerung des gesamten Entnahmegewinns erklären wollen, diese erst auf Betreiben des FA unterlassen.
Das FA beantragt, die Revision mangels hinreichender Revisionsbegründung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
1. Die Revision ist beim FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats oder innerhalb der vom Vorsitzenden des zuständigen Senats beim BFH antragsgemäß verlängerten Frist zu begründen (§ 120 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Revisionsbegründung oder die Revision muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben (§ 120 Abs. 2 FGO).
Das Erfordernis, die Revision zu begründen, soll das Revisionsgericht davor bewahren, das angefochtene Urteil von Amts wegen auf alle denkbaren Fehler hin überprüfen zu müssen, und den Revisionskläger dazu zwingen, sein Vorbringen und seine Rechtsansicht im Hinblick auf die abweichenden Auffassungen, die ihm durch die angefochtene Entscheidung bekanntgeworden sind, zu überprüfen (z. B. BFH-Beschluß vom 16. Oktober 1984 IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470). Demgemäß muß die Revisionsbegründung aus sich heraus erkennen lassen, daß sich der Revisionskläger mit den Gründen, auf denen die Vorentscheidung beruht, auseinandergesetzt hat (z. B. BFH-Beschluß vom 12. Februar 1975 VII R 5/72, BFHE 115, 180, BStBl II 1975, 609). Insbesondere muß der Revisionskläger dartun, welche Ausführungen der Vorinstanz aus welchen Gründen unrichtig sein sollen (Entscheidung in BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470).
2. Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung des Klägers nicht. Der Kläger stützt seinen Angriff gegen die Vorentscheidung im wesentlichen nur auf die Bemerkung, es könne doch wohl nicht wahr sein, daß die bisher nicht geänderte Bilanz der Sozietät der Klage die Aussicht auf den Erfolg genommen habe. Der Kläger äußert sich jedoch mit keinem Wort dazu, warum diese damit offenbar zu kritisierende Rechtsauffassung der Vorentscheidung ,,nicht wahr" sein könne. Seine weiteren Ausführungen, mit denen er zu rechtfertigen versucht, weshalb die Bilanzänderung unterblieben ist, deuten vielmehr darauf hin, daß er die einschlägigen Rechtsausführungen des FG nunmehr als zutreffend hinnimmt. Die Revisionsbegründung enthält demnach keine Ausführungen, die erkennen lassen, daß und aus welchen Gründen der Kläger die Vorentscheidung für unrichtig hält.
Soweit der Kläger geltend macht, er habe ursprünglich den ,,gesamten Entnahmegewinn" versteuern wollen, sei aber davon durch das FA abgehalten worden, handelt es sich ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils um neues tatsächliches Vorbringen, das in der Revisionsinstanz außer Betracht bleiben müßte und schon deshalb für sich genommen für eine ordnungsmäßige Revisionsbegründung nicht ausreichen kann.
Unter den gegebenen Umständen kann auf sich beruhen, welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, daß der Schriftsatz vom 25. Dezember 1985 auch keinen Revisionsantrag enthält.
Fundstellen
Haufe-Index 414495 |
BFH/NV 1987, 720 |