Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung bei zutreffender, aber missverstandener Rechtsmittelbelehrung
Leitsatz (NV)
Weist die Rechtsmittelbelehrung unter Verwendung des Gesetzeswortlauts auf das Erfordernis, die Nichtzulassungsbeschwerde beim FG einzulegen, und sodann ‐ nach Abhandlung des weiteren Rechtsmittels der Revision ‐ auf den vor dem BFH geltenden Vertretungszwang hin, ist die Rechtsmittelbelehrung zutreffend. Legt der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde gleichwohl persönlich ein, weil er den Vertretungszwang nicht mit der beim FG einzulegenden Beschwerde in Verbindung bringt, unterliegt er einem Missverständnis, das zu einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Beschwerdefrist führen kann.
Normenkette
FGO § 55 Abs. 2 S. 1, § 56
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 25. Januar 2000 1 K 69/99 drei Tage vor der am 6. März 2000 abgelaufenen Beschwerdefrist persönlich Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt, der das Finanzgericht (FG) nicht abgeholfen hat. Vom Bundesfinanzhof (BFH) auf den Vertretungszwang gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) hingewiesen, baten die Kläger mit Schreiben vom 11. April 2000 um Auskunft, ob der Mangel in der Vertretung heilbar sei. Dies wurde mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 14. April 2000 verneint. Daraufhin beantragten die Kläger mit Schreiben vom 18. April 2000 wiederum persönlich "für das Beschwerdeverfahren die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand". Zur Begründung machen sie geltend, die Rechtsmittelbelehrung der FG-Entscheidung sei hinsichtlich des Vertretungszwangs missverständlich.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag ist abzulehnen; die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor.
Vor dem BFH müssen sich natürliche Personen durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG). Die Kläger gehören nicht zu dem vertretungsberechtigten Personenkreis. Die von ihnen persönlich eingelegte Beschwerde ist daher unwirksam (vgl. BFH-Beschluss vom 21. April 1997 VIII R 26/97, BFH/NV 1997, 797). Mit ihr konnte die einmonatige Beschwerdefrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht gewahrt werden.
Diese einmonatige Beschwerdefrist ist auch nicht wegen unrichtiger Rechtsmittelbelehrung durch die Einjahresfrist des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO ersetzt worden. Dabei kann auf sich beruhen, ob in der Rechtsmittelbelehrung über den Wortlaut des § 55 Abs. 1 Satz 1 FGO hinaus überhaupt auf den beim BFH bestehenden Vertretungszwang hinzuweisen war (vgl. dazu Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 55 FGO Anm. 24 mit Fußnote 27); selbst wenn ein derartiger Hinweis erforderlich gewesen wäre, wäre er durch die Wiedergabe des Wortlauts des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG korrekt erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 1989 III R 77/85, BFH/NV 1989, 649, 651).
Die Kläger haben die zutreffende Belehrung lediglich missverstanden, so dass allenfalls eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommt (vgl. Spindler, a.a.O., § 55 FGO Anm. 26). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO scheidet im Streitfall jedoch aus, weil die Kläger dem Erfordernis des § 56 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 FGO nicht genügt haben, wonach innerhalb zweier Wochen nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung ―hier die Einlegung der Beschwerde durch eine nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG postulationsfähige Person― nachzuholen ist. Dies ist nicht geschehen, obwohl spätestens mit der Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 14. April 2000 das Hindernis einer missverstandenen Rechtsmittelbelehrung entfallen wäre.
Der Senat entscheidet über den Wiedereinsetzungsantrag durch Zwischenentscheidung gemäß § 155 FGO i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozeßordnung, um eine Rücknahme der Beschwerde zu ermöglichen.
Fundstellen
Haufe-Index 425719 |
BFH/NV 2000, 1234 |