Entscheidungsstichwort (Thema)
Einzelfallwürdigung des FG zum subjektiven Tatbestand eines Subventionsbetruges rechtfertigt keine Zulassung der Revision
Leitsatz (NV)
Hat das FG bei einer nicht willkürlichen Würdigung der Umstände des Einzelfalls das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes eines Subventionsbetruges verneint und wurden die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffen, hat die hiergegen gerichtete NZB des FA keinen Erfolg. Die noch nicht geklärte Rechtsfrage, ob die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO 1977 über den Gesetzeswortlaut hinaus auch bei Vorliegen eines Subventionsbetruges aufgehoben wird, war im Streitfall demnach nicht entscheidungserheblich.
Normenkette
AO 1977 § 172 Abs. 1 Nr. 2c, § 173 Abs. 2; FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) betreibt ein Autohaus mit Kfz-Handel und Reparaturwerkstatt. An der Klägerin waren ursprünglich die Brüder A und B als Anteilseigner zu je 50 % mit jeweiligem Wohnsitz in den neuen Bundesländern beteiligt. Zum 1. Juli 1993 veräußerte B seinen Geschäftanteil an C.
Unter Hinweis auf Wohnsitze ihrer beiden Gesellschafter A und C in den neuen Bundesländern und ihre Eintragung in die Handwerksrolle beantragte die Klägerin fristgerecht die Gewährung einer Investitionszulage für 1993 von 20 % für diverse Wirtschaftsgüter im Wert von 626 788,67 DM. Im Anschluss an eine Investitionszulagensonderprüfung gewährte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) die Investitionszulage mit Bescheid vom 3. Juli 1995 für Wirtschaftsgüter im Wert von 333 156 DM. Im Übrigen lehnte das FA eine Förderung mit unterschiedlichen Begründungen ab. Nachdem das FA erfahren hatte, dass der neue Gesellschafter C mit Wohnsitz in den alten Bundesländern gemeldet war und dort auch zur Einkommensteuer veranlagt wurde, forderte es die gesamte Investitionszulage mit Bescheid vom 20. März 1997 unter Hinweis auf § 173 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zurück. Der Einspruch hatte insoweit Erfolg, als das FA im Rahmen seiner Einspruchsentscheidung eine 20%ige Investitionszulage für einzelne Wirtschaftsgüter im Wert von 82 422 DM gewährte.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, indem es den Bescheid vom 20. März 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufhob und die Investitionszulage 1993 von 16 485 DM auf 48 828 DM erhöhte.
In seinem Urteil führt das FG im Wesentlichen aus, dass der Erlass des Änderungsbescheides mangels einer einschlägigen Änderungsvorschrift rechtswidrig gewesen sei.
Eine Änderung nach § 173 AO 1977 komme nicht in Betracht, weil insoweit die Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO 1977 eingreife. Es könne dahinstehen, ob diese Änderungssperre über ihren Wortlaut hinaus auch bei Vorliegen eines Subventionsbetruges wieder aufgehoben werden könne. Jedenfalls habe das FG nicht zu seiner Überzeugung feststellen können, dass ein Subventionsbetrug gegeben sei, weil der Geschäftsführer der Klägerin weder vorsätzlich noch leichtfertig gehandelt habe. Deshalb sei auch § 172 Abs. 1 Nr. 2 c AO 1977 nicht einschlägig.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt das FA das Vorliegen eines Verfahrensmangels nach § 96 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und macht geltend, dass die Revision darüber hinaus zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen sei. Schließlich sei die Rechtssache auch grundsätzlich bedeutsam i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 132 FGO).
1. Der vom FA gerügte Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt nicht vor.
a) Das FA beanstandet als Verfahrensmangel, die Entscheidung des FG verstoße gegen den klaren Inhalt der Akten. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten als solcher kein Verfahrensmangel. Die Rüge eines Verstoßes gegen den Akteninhalt kann allerdings dahin zu verstehen sein, dass hiermit die Nichtbeachtung des § 96 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz FGO geltend gemacht wird, wonach das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet. Die Vorschrift verpflichtet das FG, den Inhalt der ihm vorliegenden Akten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen (BFH-Beschluss vom 14. November 2001 II B 29/00, BFH/NV 2002, 512; BFH-Urteil vom 3. November 1998 VII R 52/98, BFH/NV 1999, 640).
b) Das FG hat nicht gegen diese Verpflichtung verstoßen.
Das FA trägt vor, das FG habe zu Unrecht den Text in Zeile 40 des Investitionszulagenantrags als "Kleingedrucktes" gewertet, das gelegentlich selbst von verantwortungsvollen Mitbürgern übersehen werde und mithin keinen besonders schweren Pflichtverstoß begründen könne. Vielmehr handele es sich nach Auffassung des FA bei der in Zeile 40 enthaltenen Bestätigung, nach der "im Zeitpunkt des Investitionsabschlusses am Kapital zu mehr als der Hälfte unmittelbar natürliche Personen mit Haupt- oder Familienwohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt am 9. November 1989 in der ehemaligen DDR beteiligt" gewesen seien, nicht um Kleingedrucktes, sondern um die Bestätigung einer der grundlegenden Anspruchsvoraussetzungen. Insofern sei das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass diese Angaben nicht zu den Anspruchsvoraussetzungen gehörten.
Die Behauptung des FA ist unzutreffend. So ist aus dem Inhalt der Entscheidungsgründe ersichtlich, dass das FG die Aussage über das "Kleingedruckte" nicht auf die in Zeile 40 des Investitionszulagenantrages genannte Bestätigung bezog. Sinngemäß handelt es sich vielmehr um die zusätzlich in Zeile 44 geforderten Angaben zu den Haupt- oder Familienwohnsitzen bzw. dem jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalt der Anteilseigner der Klägerin am 9. November 1989 --und ggf. deren spätere Änderung-- in der ehemaligen DDR. Dies ergibt sich schon daraus, dass das FG ausdrücklich die Wohnsitzangabe für C angesprochen hat, die erst in Zeile 44 des Vordrucks erbeten wurde. Diese Anfrage ist im Verhältnis zum übrigen Formulartext tatsächlich kleiner gedruckt. Ferner hat das FG in seinen Entscheidungsgründen in diesem Zusammenhang ausdrücklich hervorgehoben, dass der zweite Anteilseigner C zum Zeitpunkt der Stellung des Investitionszulagenantrags über die als Adresse angegebene Wohnanschrift verfügt habe. Vor diesem Hintergrund sei ein Übersehen des "Kleingedruckten" nicht als leichtfertig anzusehen. Schließlich entspricht auch die Darstellung des FG, die Wohnsitzangaben zu den Anteilseignern der Klägerin hätten sich nicht unter der Spalte "Anspruchsvoraussetzungen" auf der 1. Seite des Investitionszulagenantrags befunden, den Tatsachen. Die vom FA angesprochenen Angaben wurden vielmehr erst auf der 2. Seite des Antragsformulars unter der Überschrift "Zusätzliche Angaben für die auf 20 v.H. erhöhte Investitionszulage" erbeten. Diese technische Einordnung der erforderlichen Angaben im Antragsformular durch das FG war mithin zutreffend. Über die rechtliche Bewertung dieser Angaben als Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung einer erhöhten Investitionszulage hat das FG entgegen der Darstellung des FA in diesem Zusammenhang keine Aussage getroffen.
2. Ferner ist auch die vom FA gerügte Divergenz nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nicht gegeben.
Das FG weicht nicht von der Rechtsprechung des BFH ab.
Soweit das FA vorträgt, die Entscheidung des FG widerspreche den Ausführungen des BFH in seinem Urteil vom 5. Februar 1975 I R 85/72 (BFHE 115, 173, BStBl II 1975, 677), trifft dies nicht zu. Der BFH hält in dem genannten Urteil den Widerruf eines Steuererlasses für gerechtfertigt, falls ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit dem Erlassantrag Angaben macht, deren Unrichtigkeit ihm bewusst ist. Demgegenüber hat das FG im Streitfall ausdrücklich hervorgehoben, dass dem Geschäftsführer der Klägerin bei seiner Unterschrift gerade nicht bewusst gewesen sei, mit dem Wohnsitz von C eine subventionserhebliche Tatsache unrichtig angegeben zu haben.
Darüber hinaus steht die Entscheidung des FG auch nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des BFH in seinem Urteil vom 27. August 1998 III R 47/95 (BFHE 187, 134, BStBl II 1999, 65). Der dort zugrunde liegende Sachverhalt ist schon insofern entscheidend abweichend gelagert, als es um die Feststellung des Fehlens jeglichen Verschuldens --also insbesondere auch leichtester Fahrlässigkeit-- im Rahmen einer beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO 1977 ging, während im Streitfall die Frage nach dem Vorliegen von Vorsatz oder einer Leichtfertigkeit --also gerade besonders schwere Verschuldensformen-- zu beantworten war.
Der vom FA behauptete Widerspruch zu dem Beschluss des BFH vom 20. Dezember 2000 III B 43/00 (BFH/NV 2001, 744) ist gleichfalls nicht erkennbar, da bei dem vom BFH entschiedenen Fall lediglich zu beurteilen war, ob die Voraussetzungen einer Änderung des Investitionszulagenbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 bzw. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 dem Grunde nach erfüllt waren, während im Streitfall das Vorliegen eines Subventionsbetruges nach § 264 des Strafgesetzbuches (StGB) und damit wesentlich abweichend gelagerte Tatbestandsmerkmale zu überprüfen waren. Dasselbe gilt für die vom FA in diesem Zusammenhang ebenfalls genannten Urteile des BFH vom 17. Dezember 1997 III R 39/93 (BFH/NV 1998, 812) und vom 28. Juli 1966 V 25/64 (BFHE 86, 634, BStBl III 1966, 635). Auch dort war lediglich zu entscheiden, ob die Voraussetzungen der jeweiligen Änderungsvorschriften vorgelegen haben.
Schließlich widerspricht die Entscheidung des FG auch nicht dem Urteil des BFH vom 13. Dezember 2001 III R 24/99 (BFHE 196, 464, BStBl II 2002, 159), wonach ein Antrag auf Investitionszulage ausnahmsweise auch ohne wirksame Unterschrift gestellt sein kann, wenn sich aus den dem Antrag beigefügten Unterlagen eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Äußerungswillen des Anspruchsberechtigten ergibt. Dem FA ist zwar darin zu folgen, dass der BFH in diesem Zusammenhang auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Anspruchsberechtigten für unrichtige oder unvollständige Angaben, die subventionserhebliche Tatsachen i.S. des § 264 StGB darstellen, angesprochen hat. Diese Ausführungen haben aber insofern allgemeinen Charakter, als es bei dem Sachverhalt, über den der BFH zu befinden hatte, auf das Vorliegen der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Subventionsbetruges, insbesondere des subjektiven Tatbestandes, nicht ankam. Diese Aussage des BFH entbindet das FG mithin nicht von der Verpflichtung, gleichwohl im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die einzelnen dort vorgetragenen besonderen Umstände das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsmerkmale des genannten Straftatbestandes positiv festzustellen.
3. Die Revision ist darüber hinaus auch nicht zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO erforderlich, da die Ausführungen des FG entgegen der Darstellung des FA auch nicht vom Urteil des Niedersächsischen FG vom 5. November 2003 2 K 140/99 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 81) abweichen.
Das Niedersächsische FG war in seiner Entscheidung angesichts der dort vorliegenden besonderen Umstände im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu der Auffassung gelangt, dass die subjektiven Tatbestandsmerkmale eines Subventionsbetruges zu bejahen seien. Der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt ist aber demgegenüber entscheidend abweichend gelagert, so dass die Einzelfallprüfung des Niedersächsischen FG nicht auf den Streitfall übertragbar ist. Vielmehr bestätigt die vorgenommene Einzelfallprüfung des Niedersächsischen FG auch die vom FG im Streitfall gewählte Verfahrensweise, wonach trotz der vorhandenen Unterschrift unter dem Investitionszulagenantrag auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale des Subventionsbetruges jeweils positiv zu prüfen und festzustellen sind.
4. Entgegen der Auffassung des FA ist der Rechtsstreit auch nicht grundsätzlich bedeutsam i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Dem FA ist zwar darin zu folgen, dass der BFH die Rechtsfrage, ob die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO 1977 über den Gesetzeswortlaut hinaus auch bei Vorliegen eines Subventionsbetruges i.S. von § 264 StGB aufgehoben werden kann, noch nicht ausdrücklich entschieden hat.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn im konkreten Fall eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die im allgemeinen Interesse einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts eine höchstrichterliche Klärung erfordert (BFH-Beschlüsse vom 31. Oktober 2002 I B 25/02, BFH/NV 2003, 315, und vom 12. November 2001 VIII B 61/01, BFH/NV 2002, 220). Im Streitfall fehlt es aber an der Entscheidungserheblichkeit der genannten Rechtsfrage, da das FG das Vorliegen des Tatbestandes des Subventionsbetruges aufgrund nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angefochtener Feststellungen verneint hat, so dass die vom FA aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig war.
5. Soweit das FA sich gegen die Verneinung des subjektiven Tatbestandes eines Subventionsbetruges durch das FG wendet, richtet es sich im Kern gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Urteils, wobei es seine Rechtsauffassung an Stelle derjenigen des FG gesetzt hat. Dies vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen. Die Rügen des FA betreffen auch keinen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung, der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO führen könnte (BFH-Beschluss vom 28. Juli 2003 III B 125/02, BFH/NV 2003, 1445, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1391530 |
BFH/NV 2005, 1609 |