Entscheidungsstichwort (Thema)
Einwendungen gegen eine finanzgerichtliche Schätzung
Leitsatz (NV)
Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalles durch das FG im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt insbesondere für Einwände gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen (ständige BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
AO § 162 Abs. 1-2; FGO § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) benannten Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind teils nicht ordnungsgemäß dargelegt worden, teils liegen sie der Sache nach nicht vor.
Rz. 2
1. Eine die einheitliche Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gefährdende Divergenz liegt vor, wenn das Finanzgericht (FG) bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der Bundesfinanzhof (BFH), das Bundesverfassungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG. Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zu Grunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 13. Juli 2011 X B 117/10, BFH/NV 2011, 2075, m.w.N.).
Rz. 3
a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Des Weiteren ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2010 X B 72/10, BFH/NV 2011, 273, m.w.N.).
Rz. 4
b) Der Kläger trägt sinngemäß vor, bei der vorgenommenen Schätzung der Umsatzsteuer und des Gewinns des Jahres 2007 sei die Bemessungsgrundlage weder vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) noch vom FG begründet worden. Damit bestehe eine Divergenz des finanzgerichtlichen Urteils zum Urteil des BFH vom 11. Februar 1999 V R 40/98 (BFHE 188, 10, BStBl II 1999, 382), nach dem eine Schätzung dann eine über die Wertangaben hinausgehende Begründung der Besteuerungsgrundlagen erfordere, wenn das FA erheblich von den Angaben des Steuerpflichtigen abweiche. Im Streitfall sei erheblich von den anerkannten Zahlen der Jahre 2004 bis 2006 abgewichen worden. So sei im Jahr 2006 gerade einmal die Hälfte des für 2007 geschätzten Gewinns erklärt worden, obwohl der Kläger in diesem Jahr keinen Gewinn erzielt habe. Bei der Umsatzsteuer sei eine Steuerlast von 5.473 € geschätzt worden, während die Umsatzsteuerlast im Jahr 2006 3.231,84 € betragen habe.
Rz. 5
c) Es kann dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen des Klägers die Darlegungsanforderungen i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfüllt. Es bestehen insbesondere deshalb Zweifel, weil der BFH in seiner (vermeintlichen) Divergenzentscheidung einen Anlass für die Verpflichtung zur über die Wertangaben hinausgehenden Begründung der Besteuerungsgrundlagen dann gesehen hat, wenn das FA ohne ersichtlichen Grund in erheblichem Maße von den Angaben des Steuerpflichtigen in dessen Umsatzsteuervoranmeldungen abgewichen ist. Der Kläger überprüft dagegen die Abweichung der Schätzungsbeträge mit den von ihm erklärten Umsätzen und Gewinnen der Vorjahre.
Rz. 6
d) Entscheidend ist aber, dass --im Gegensatz zur Auffassung des Klägers-- eine Erläuterung der Besteuerungsgrundlagen gegeben wurde. Nach den Festellungen im Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils hat sich das FA bei der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen der Umsatzsteuer wegen der Erlöse und Vorsteuern an den vom Kläger abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen orientiert, hat den Erlösen einen Unsicherheitszuschlag in Höhe von 10 % der darin vorangemeldeten Umsätze zugerechnet und bei den Vorsteuern einen Unsicherheitsabschlag in Höhe von etwa 3 % vorgenommen. Für die Schätzung des Gewinns hat sich das FA an den letzten ihm aus einer Gewinnermittlung oder Steuererklärung des Klägers bekannten Besteuerungsgrundlagen orientiert und die Schätzung unter Anwendung von Unsicherheitszu- oder ‐abschlägen vorgenommen. Auch wenn das Ergebnis der Schätzung, ein Gewinn von exakt 20.000 € im Jahr 2007 Zweifel an dem gerade dargestellten Vorgehen aufkommen lässt, ist der angerufene Senat auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, da der Kläger in Bezug auf diese Feststellungen keine durchgreifende Revisionszulassungsgründe vorgebracht hat (§ 118 Abs. 2 FGO).
Rz. 7
2. Die vom Kläger gegen die Höhe der Schätzung des FG erhobenen Einwände vermögen die Zulassung der Revision nicht zu begründen.
Rz. 8
a) Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalles durch das FG im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich (Senatsbeschluss vom 17. Februar 2004 X B 142/03, nicht veröffentlicht --n.v.--). Dies gilt insbesondere für Einwände gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen (Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 31. Juli 2007 X B 36/07, n.v.). Ein zur Zulassung der Revision berechtigender erheblicher Rechtsfehler aufgrund objektiver Willkür kann allenfalls in Fällen bejaht werden, in denen das Schätzungsergebnis des FG wirtschaftlich unmöglich, damit schlechthin unvertretbar ist und sich als offensichtlich realitätsfremd darstellt (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Januar 2009 X B 125/08, BFH/NV 2009, 951; siehe auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 69, m.w.N.).
Rz. 9
b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Zum einen ist es grundsätzlich gerechtfertigt, bei einer Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen im Wege griffweisen Schätzens einen Unsicherheitszuschlag bei steuererhöhenden Merkmalen und einen Unsicherheitsabschlag bei steuermindernden Umständen vorzunehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2007 X B 4/07, BFH/NV 2008, 587, m.w.N.), wobei der Unsicherheitszuschlag in Höhe von 10 % und der Unsicherheitsabschlag in Höhe von ca. 3 % keinen Bedenken begegnet. Zum anderen ist auch in Bezug auf die absolute Höhe des geschätzten Umsatzes in Höhe von knapp 90.000 € sowie des geschätzten Gewinns in Höhe von 20.000 € nicht von einem offensichtlich realitätsfremden Ergebnis auszugehen, da nach den bindenden Feststellungen des FG die erklärten Gewinne der Jahre 2004 bis 2006 zwischen 6.000 € und 21.000 € und die entsprechenden Umsätze zwischen 160.000 € und 190.000 € lagen.
Rz. 10
3. Der vom Kläger angeführte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund gestützt, muss der Beschwerdeführer eine für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage herausarbeiten, die das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Er muss dabei darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft ist, wobei er sich mit den in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassungen auseinandersetzen muss (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 32, m.w.N.).
Rz. 11
Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht, weil er es unterlassen hat, eine derartige Rechtsfrage mit einem hinlänglich konkretisierten und präzisierten Inhalt zu formulieren. Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Rechtsfragen,
-ob eine erhebliche Abweichung von den Gewinnen der Vorjahre dafür spreche, dass die Gewinnschätzung rechtswidrig sei, zumindest wenn Tatsachen vorgetragen würden, die auf eine Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen hindeuteten, sowie
inwieweit der Steuerpflichtige mit diesen Angaben zur Zahlungsunfähigkeit die Schätzung des FA erschüttern könne,
sind nicht abstrakt klärbar. Denn die Antwort auf diese Rechtsfragen kann nur im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände gegeben werden.
Fundstellen
Haufe-Index 3084476 |
BFH/NV 2012, 1461 |