Leitsatz (amtlich)
1. Ist das finanzgerichtliche Verfahren nach Verkündung, aber vor Zustellung des Urteils wegen Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Klägerin unterbrochen worden, so kann der Konkursverwalter durch eine auf den Fortgang des Prozesses gerichtete Handlung den Prozeß aufnehmen und die Revisionseinlegung und Revisionsbegründung der Gemeinschuldnerin genehmigen.
2. Ist die Gemeinschuldnerin in der Annahme eines eigenen Prozeßführungsrechts in dem durch den Konkursverwalter aufgenommenen Prozeß tätig, so ist sie durch Beschluß aus dem Rechtsstreit zu weisen.
Normenkette
FGO § 155; ZPO §§ 240, 249 Abs. 2, § 250; KO § 1 Abs. 1, §§ 6, 10 Abs. 1
Tatbestand
Das FG hat die Klage der Klägerin auf Erstattung von HGA abgewiesen. Das Urteil wurde am 18. Juli 1967 verkündet und der Klägerin am 29. August 1967 zugestellt.
Über das Vermögen der Klägerin wurde am 3. August 1967, also nach Verkündung, aber vor Zustellung des Urteils des FG, das Konkursverfahren eröffnet. Der Beschluß über die Eröffnung des Konkursverfahrens wurde am 2. November 1967 rechtskräftig.
Die Klägerin legte trotz Eröffnung des Konkursverfahrens mit Schreiben vom 20. September 1967, beim FG eingegangen am 25. September 1967, Revision ein. Sie ist der Ansicht, sie allein sei legitimiert, gegen das Urteil des FG Revision einzulegen und das Rechtsmittelverfahren vor dem BFH zu betreiben. Der Konkursverwalter könne, wenn er wolle, dem Rechtsmittelverfahren beitreten, zumal die HGA-Beträge, die sie zurückverlange in die Konkursmasse fließen würden.
Nach Meinung des FA und des Konkursverwalters ist der Rechtsstreit durch die Eröffnung des Konkursverfahrens unterbrochen worden. Der Konkursverwalter teilte später mit Schreiben vom 9. Januar 1969 mit, daß er mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht einverstanden sei. Sein Prozeßbevollmächtigter erklärte auf Anfrage des Senatsvorsitzenden, daß das Schreiben des Konkursverwalters vom 9. Januar 1969 "als eine auf den Fortgang des Verfahrens gerichtete Prozeßhandlung im Sinne der Aufnahme des Verfahrens" anzusehen sei und daß er die Revisionseinlegung und Revisionsbegründung der Klägerin genehmige.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Der Senat weist die Klägerin für das Revisionsverfahren aus dem Prozeß, da sie nach Eröffnung des Konkursverfahrens nicht mehr legitimiert ist, den HGA-Erstattungsanspruch weiter gerichtlich geltend zu machen.
Die Klägerin verlor nach § 6 der Konkursordnung (KO) mit der Eröffnung des Konkursverfahrens die Befugnis, ihr zur Konkursmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Das Verwaltungsund Verfügungsrecht über die Konkursmasse steht seitdem allein dem Konkursverwalter zu. Zur Konkursmasse gehört nach § 1 Abs. 1 KO das gesamte, der Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen der Klägerin und damit auch der eingeklagte vermeintliche Anspruch der Klägerin auf Erstattung von HGA (vgl. auch BFH-Urteile I 168/60 U vom 9. Mai 1961, BFH 73, 300, BStBl III 1961, 375, und IV R 278/66 vom 7. März 1968, BFH 92, 153, BStBl II 1968, 496). Die Eröffnung des Konkursverfahrens bewirkte nach § 155 FGO in Verbindung mit § 240 ZPO eine Unterbrechung des von der Klägerin angestrengten Prozesses. Dies hat nach § 155 FGO in Verbindung mit § 249 Abs. 2 ZPO zur Folge, daß die vom Gericht oder einem Beteiligten in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozeßhandlungen während der Unterbrechung unwirksam sind (vgl. auch Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, § 249 Anm. IV). Im Streitfall ist das Urteil des FG wirksam ergangen, weil das FG es vor Eröffnung des Konkursverfahrens am 18. Juli 1967 mündlich verkündet hatte (vgl. § 104 Abs. 1 FGO). Es wurde der Klägerin jedoch am 29. August 1967 nicht rechtswirksam zugestellt, da über ihr Vermögen am 3. August 1967 das Konkursverfahren eröffnet worden war. Auf Grund der nicht wirksamen Zustellung wurden die Fristen zur Einlegung und Begründung der Revision (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht in Lauf gesetzt. Die Einlegung der Revision durch Schriftsatz der Klägerin vom 20. September 1967 war ebenfalls unwirksam.
Nach § 155 FGO in Verbindung mit § 240 ZPO dauert die durch die Konkurseröffnung bewirkte Unterbrechung des Prozesses solange fort, bis der Prozeß nach den für den Konkurs geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Konkursverfahren aufgehoben wird. Nach § 10 Abs. 1 KO können Rechtsstreitigkeiten über das zur Konkursmasse gehörige Vermögen, die zur Zeit der Eröffnung des Prozesses für die Gemeinschuldnerin anhängig waren, nur vom Konkursverwalter aufgenommen werden. Die Aufnahme kann durch jede Prozeßhandlung des Konkursverwalters geschehen, die auf den Fortgang des Verfahrens gerichtet ist und den Aufnahmewillen des Konkursverwalters erkennen läßt (Stein-Jonas, a. a. O., § 250 ZPO Anm. I 1). Der Konkursverwalter nahm im Streitfall den Prozeß dadurch auf, daß er mit Schreiben vom 9. Januar 1969 sich mit einer Entscheidung des Prozesses ohne mündliche Verhandlung nicht einverstanden erklärte. Wie sein Prozeßbevollmächtigter mit Schreiben vom 13. Mai 1970 klarstellte, wollte er hiermit dem Verfahren seinen Fortgang geben und die Revisionseinlegung sowie die Revisionsbegründung der Klägerin genehmigen.
Die Klägerin ist als Gemeinschuldnerin nicht prozeßführungsbefugt. Sie hat ihr Prozeßführungsrecht bezüglich der zur Konkursmasse gehörenden Ansprüche durch die Konkurseröffnung verloren und bis heute nicht wiedererlangt. Da sie jedoch in der Annahme eines eigenen Prozeßführungsrechts weiterhin im Prozeß durch Einreichung von Schriftsätzen tätig geworden ist, mußte der Senat sie durch Beschluß aus dem Rechtsstreit weisen (vgl. auch Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 30. Aufl., § 56 Anm. 1 E a).
Fundstellen
Haufe-Index 68782 |
BStBl II 1970, 665 |