Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlassung eines Teileigentums an eine Gemeinschaft zur Vermietung
Leitsatz (NV)
Zur Frage, ob der Erwerber eines Teileigentums (Hotelappartement), der seine Räumlichkeiten einer aus allen Teileigentümern bestehenden Gemeinschaft zur Vermietung überläßt, Unternehmer und damit vorsteuerabzugsberechtigt ist.
Normenkette
UStG 1993 § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 705, 741
Tatbestand
I. Die H-GmbH vermietete mit Vertrag vom 29. Dezember 1993 an die W-GmbH ein Hotelgebäude. Das Grundstück war nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) in Teileigentumseinheiten aufgeteilt, die mit dem Sondereigentum an jeweils einem von ca. 400 Hotelappartments verbunden waren. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) erwarb mit Kaufvertrag vom 23. Juni 1994 von der H-GmbH ein Teileigentum.
In seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (1994) gab der Antragsteller Umsätze aus Vermietung in Höhe von 2 230 DM sowie als abziehbare Vorsteuerbeträge die ihm anläßlich des Erwerbs des Teileigentums in Rechnung gestellte Umsatzsteuer (insgesamt 24 584,80 DM) an. Nachdem der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) die Umsatzsteuer zunächst erklärungsgemäß veranlagt hatte, setzte er mit Änderungsbescheid vom 31. März 1998 die Umsatzsteuer auf Null sowie Zinsen auf die Nachforderung fest. Das FA vertrat die Rechtsauffassung, der Antragsteller habe sein Teileigentum einer Vermietergemeinschaft der Teileigentümer gegen Beteiligung am Gewinn und Verlust überlassen. Nur diese Gemeinschaft ―und nicht der Antragsteller― sei infolge Vermietung an die W-GmbH Unternehmer.
Der Antragsteller machte geltend, er sei als Vermieter seines Teileigentums in den von der H-GmbH mit der W-GmbH geschlossenen Mietvertrag vom 29. Dezember 1993 eingetreten. Er selbst erbringe die Vermietungsleistungen an die W-GmbH und sei deshalb Unternehmer. Seinen Einspruch gegen den Änderungsbescheid wies das FA mit Entscheidung vom 13. Oktober 1998 zurück. Über die dagegen unter dem Az. 6 K 6118/98 erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.
Das FA lehnte die Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 1. Juli 1998 ab. Die Ablehnung des an das FG gerichteten Antrags auf Aussetzung der Vollziehung begründete das FG im Beschluß vom 20. Januar 1999 wie folgt: Die gegenüber der W-GmbH getätigten Vermietungsumsätze seien von der aus den Teileigentümern bestehenden Vermietergemeinschaft ausgeführt worden; allein diese sei Unternehmer. Bereits im Mietvertrag vom 29. Dezember 1993 sei von den damaligen Mietvertragsparteien (H-GmbH und W-GmbH) vereinbart worden, daß nach Veräußerung der Teileigentumseinheiten die Vermieterrechte und -pflichten auf eine Gemeinschaft der Erwerber übergehen sollten. Dementsprechend habe der Antragsteller im Kaufvertrag mit der H-GmbH erklärt, daß er mit den anderen Teileigentümern hinsichtlich der Vermietung und Verpachtung im Außenverhältnis gegenüber dem Mieter (W-GmbH) in einer Gemeinschaft verbunden sein werde. Die vom Antragsteller an den Verwalter erteilte Vollmacht habe sich "auf die gemeinschaftlich erfolgende Verwaltung seines Teileigentums im Rahmen der im Außenverhältnis zu Mietern … bestehenden Gemeinschaft der Teileigentümer" erstreckt. Diese Vereinbarungen und Erklärungen entsprächen der Teilungserklärung (Gemeinschaftsordnung), wonach die Nutzungsbefugnis der jeweiligen Teileigentümer auf die gemeinschaftliche Vermietung sämtlicher Teileigentumseinheiten und des Gemeinschaftseigentums beschränkt sei. Der von den Teileigentümern beauftragte Verwalter habe zumindest bis zum September 1994 der W-GmbH die Vermietungsleistungen im Namen der Vermietergemeinschaft in Rechnung gestellt.
Der Antragsteller habe sein Teileigentum nicht an die Gemeinschaft der Teileigentümer vermietet und sei deshalb auch nicht durch eine derartige Vermietung Unternehmer geworden. Der Antragsteller habe vielmehr sein Teileigentum der Gemeinschaft als Beitrag überlassen, um die gemeinschaftliche Vermietung zu ermöglichen. Die Teilungserklärung (Gemeinschaftsordnung) habe kein Sonderentgelt für die Überlassung vorgesehen, sondern bestimmt, daß der Antragsteller für seine Beitragsleistung eine Beteiligung an dem in der Jahresrechnung des Verwalters festgestellten Jahresergebnis erhalte. Das Jahresergebnis sei einheitlich für alle Teileigentumseinheiten einschließlich Sondereigentum zu ermitteln gewesen.
Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde macht der Antragsteller geltend: Die Entscheidung des FG beruhe auf der fehlerhaften Auslegung von Formulierungen in der Teilungserklärung, dem Miet- und dem Kaufvertrag. Der erklärte Wille der Vertragsbeteiligten sei nicht zutreffend gewürdigt worden. Um diesen zu ermitteln, müßten auch der Verkaufsprospekt, die Vollmachten für die Vermietung der Teileigentumseinheiten, die Mietverteilungsliste sowie die Verwalterabrechnungen ausgewertet werden. Das FG habe nicht gewürdigt, daß die Teileigentümer eine Vergütung für die mietweise Überlassung angestrebt, von Anfang an einen der Höhe nach festgelegten Anteil an dem von der W-GmbH gezahlten Mietzins erhalten haben (der Antragsteller 661,81 DM) und nicht am Gewinn und Verlust einer Vermietergemeinschaft beteiligt gewesen seien. Es sei sowohl in § 11 des Kaufvertrages als auch im Emissions- und Verkaufsprospekt und im Nachtrag vom 15. Mai 1995 zum Mietvertrag festgelegt worden, daß die Teileigentümer einen Mietzins erhalten sollten. In der Vereinbarung vom 30. Juni 1994 sei die Verteilung der Gesamtmiete auf die einzelnen Teileigentumseinheiten festgelegt worden. Eine Gewinn- und Verlustrechnung sei nicht erstellt worden.
Sofern von einer Vermietergemeinschaft auszugehen sei, liege eine reine Innengesellschaft vor, die nicht Unternehmer sei. Bei gegenteiliger Auffassung müsse angenommen werden, daß die Teileigentümer ihr Teileigentum der Vermietergemeinschaft gegen festes Mietentgelt überlassen haben.
Der Antragsteller beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des FG die Vollziehung des Umsatzsteueränderungsbescheides vom 31. März 1998 auszusetzen und die bis zum Ergehen dieses Beschlusses verwirkten Säumniszuschläge aufzuheben.
Das FA hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides entsprechend dem Antrag des Antragstellers.
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; seitdem ständige Rechtsprechung).
2. Der erkennende Senat kommt bei der im summarischen Verfahren gebotenen überschlägigen Prüfung entgegen der Auffassung des FG zu dem Ergebnis, daß die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides ernstlich zweifelhaft ist.
a) Allerdings hat der erkennende Senat wie auch das FG keine ernstlichen Zweifel daran, daß die Vermietungsleistungen nicht von den einzelnen Teileigentümern, sondern von einer aus diesen gebildeten Vermietergemeinschaft ausgeführt worden sind, die neben der Eigentümergemeinschaft nach dem WEG bestand. Dabei ist es für den Streitfall unerheblich, ob diese Vermietergemeinschaft im Hinblick darauf, daß sie den Teileigentümern zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks der Vermietung ihrer Sondereigentumseinheiten diente, als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB―) zu beurteilen ist, oder ob sie als Bruchteilsgemeinschaft i.S. des § 741 BGB anzusehen ist, was im Hinblick auf das Miteigentum der Teileigentümer und insbesondere auf die Mitvermietung des gemeinschaftlichen Eigentums angenommen werden könnte (zur Abgrenzung vgl. BFH-Urteil vom 25. März 1993 V R 42/89, BFHE 172, 134, BStBl II 1993, 729).
b) Jedenfalls hat das FG zu Recht darauf abgestellt, daß nach der Teilungserklärung, dem Mietvertrag zwischen der H-GmbH und der W-GmbH, in den die Teileigentümer auf der Vermieterseite eingetreten sind, dem Kaufvertrag zwischen der H-GmbH und dem Antragsteller sowie nach der an den Verwalter erteilten Vollmacht die Teileigentümer sich zu einer Vermietergemeinschaft zusammengeschlossen haben und diese die Vermietungsleistungen an die W-GmbH erbracht hat. Die Würdigung des FG beruht darauf, daß in diesen Urkunden die gemeinschaftliche Vermietung im Außenverhältnis ausdrücklich vorgesehen ist.
c) Es kann den Ausführungen des FG noch hinzugefügt werden, daß nach der Teilungserklärung die Eigennutzung, insbesondere die Eigenvermietung der Teileigentumseinheiten durch die Teileigentümer auf die Dauer von 30 Jahren ausdrücklich ausgeschlossen ist. Bedeutung für die Entscheidung der Streitfrage kommt noch dem Mietgegenstand zu, wie er im Mietvertrag vom 29. Dezember 1993 beschrieben worden ist. Danach wurde der W-GmbH ein Hotel mit rd. 400 Zimmern, Gastronomie, Tagungs- und sonstigen Nebenflächen sowie Stellplätzen vermietet. Dieser Vertrag, in den die Teileigentümer auf der Vermieterseite eingetreten sind, konnte nur durch gemeinschaftliche Vermietung des gesamten Gebäudes einschließlich Außenanlagen und nicht durch rd. 400 Einzelvermietungen der Appartments und des anteiligen Gemeinschaftseigentums erfüllt werden. Die Vermietung zum Zwecke des Betriebs eines Hotels erforderte zwangsläufig ein gemeinsames, abgestimmtes Verhalten der Teileigentümer. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den großen Umfang der Gastronomie-, Tagungs- und sonstigen Nebenflächen, die im (ideellen) Miteigentum der Teileigentümer standen. Ein gemeinsames Handeln war darüber hinaus generell bei Ausübung der Vermieterrechte nach dem Mietvertrag erforderlich: bauliche Veränderungen durch den Vermieter, Genehmigung von Werbemaßnahmen, außerordentliche Kündigung bei Zahlungsrückstand, bei Vertragsverletzung, Konkurs, Vergleich oder Konzessionsentzug, Kontrolle und Aufhebung oder Verlängerung des Vertrages. Wenn unter diesen Umständen die Urkunden gemeinschaftliche Vermietung vorsahen, besteht kein ernstlicher Zweifel, daß dies dem objektivierten Willen der Beteiligten entsprach.
d) Die vom Antragsteller erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Das FG hat die Urkunden ―wie bereits dargelegt― zutreffend gewürdigt. Es kann dahinstehen, welchen Inhalt der vom FG nicht berücksichtigte und vom Antragsteller dem Senat nicht vorgelegte Emissions- und Verkaufsprospekt hatte. Jedenfalls würde die darin vorgesehene Gestaltung durch die tatsächlich getroffenen Regelungen verdrängt. Den Nachtragsvereinbarungen kommt steuerrechtlich keine Rückwirkung zu. Daß die Teileigentümer einen in der Mietverteilungsliste festgelegten Betrag als Anteil an dem Mietzins erhalten sollten, ist vom FG gesehen worden. Im übrigen ist dieser Umstand für die Frage, ob der Antragsteller Vermietungsleistungen erbracht hat, nicht entscheidend. Denn den festen Betrag kann der Antragsteller auch aufgrund seiner Rechtsbeziehungen zur Vermietergemeinschaft von dieser erhalten haben.
e) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides bestehen wegen Unentschiedenheit in der Beurteilung der Frage, ob der Antragsteller sein Appartment und seinen Anteil am Gemeinschaftseigentum der Vermietergemeinschaft entgeltlich zur Nutzung überlassen, dadurch Umsätze ausgeführt und insoweit seine Unternehmereigenschaft begründet hat (vgl. dazu BFH-Urteil vom 27. Juni 1995 V R 36/94, BFHE 178, 249, BStBl II 1995, 915). Dem FG ist einzuräumen, daß nach der Vorschrift … der Teilungserklärung für eine (unentgeltliche) Beitragsleistung gegen Beteiligung am Überschuß der Vermietergemeinschaft sprechen könnte (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. März 1988 V R 178/83, BFHE 153, 166, BStBl II 1988, 646). Die genannte Vorschrift regelt die Beteiligung der Teileigentümer an dem in der Jahresabrechnung des Verwalters festgestellten Jahresergebnis entsprechend ihrem Miteigentumsanteil. Das Jahresergebnis soll aus dem Saldo zwischen den Mieteinnahmen und den Instandhaltungs- und Bewirtschaftungskosten ermittelt werden. Diese Regelung ist allerdings in der Weise durchgeführt worden, daß die Teileigentümer in monatlicher Zahlungsweise ihren Anteil am Mietzins erhalten und ein die Instandhaltungs- und Bewirtschaftungskosten enthaltendes Wohngeld an die Eigentümergemeinschaft entrichten. Diese Beträge sind zwar nicht fest in dem Sinne, wie ihn der Antragsteller versteht. Denn zum einen ist das Wohngeld lediglich Vorauszahlung, über die nach Jahresende z.B. unter Berücksichtigung nicht aus der Instandhaltungsrücklage zu entnehmender Kosten abgerechnet wird. Zum anderen ist der auszuzahlende Mietanteil nur so lange als feststehend zu betrachten, als der Mieter (W-GmbH) den vollen Mietzins entrichtet. Bei Mietminderung oder zeitweiligem bzw. vollständigem Mietausfall würde die Vermietergemeinschaft die Zahlungen anpassen. Jedoch ist trotz der Veränderlichkeit dieser Zahlungen nicht die Annahme ausgeschlossen, daß der Antragsteller wie auch die anderen Teileigentümer ihre Objekte gegen Erwartung eines Entgelts überlassen haben und deshalb in einem Leistungsaustausch mit der Vermietergemeinschaft stehen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. Mai 1990 V R 47/86, BFHE 161, 185, BStBl II 1990, 757).
Bei der Entscheidung über diese Frage muß auch bedacht werden, ob sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hierzu Auswirkungen ergeben. Nach dieser Rechtsprechung fordert es das geltende Umsatzsteuersystem, daß der Unternehmer durch die Regelung über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Umsatzsteuer entlastet wird (vgl. EuGH-Urteile vom 4. Oktober 1995 Rs. C-291/92, Armbrecht, Slg. 1995, I-2775, BStBl II 1996, 392, und vom 15. Januar 1998 Rs. C-37/95, Ghent Coal, Slg. 1998, I-1, Umsatzsteuer-Rundschau 1998, 149, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1998, 95, Rz. 15).
3. Die in der Vergangenheit verwirkten Säumniszuschläge sind aufzuheben (BFH-Beschluß vom 10. Dezember 1986 I B 121/86, BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389).
Fundstellen