Entscheidungsstichwort (Thema)
Reinvestitionsrücklage bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft
Leitsatz (NV)
Die Frage, ob die Rechtsprechung dem in der Land- und Forstwirtschaft gebotenen Strukturwandel durch eine weitere Einschränkung des Realisationsprinzips Rechnung tragen müsse, ist ebenso wenig von grundsätzlicher Bedeutung, wie die Frage einer Verletzung der Berufsfreiheit und des Rechts auf Eigentum durch die steuerliche Erfassung realisierter stiller Reserven.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 6b; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Gründe
In der Sache streiten die Beteiligten darüber, ob eine Rücklage für Ersatzbeschaffung auch zulässig ist, wenn anstelle der zerstörten Scheune eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs Wohnungen als Ersatzwirtschaftsgüter errichtet werden.
Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.
1. Es kann offen bleiben, ob die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. entsprechenden Weise dargelegt haben. Diese Vorschrift ist im Streitfall noch anzuwenden, weil das finanzgerichtliche Urteil vor dem 1. Januar 2001 zugestellt worden ist (Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757). Zur notwendigen Darlegung hätten die Kläger ausführen müssen, dass nach ihrer Auffassung die angestrebte Revisionsentscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (s. z.B. den BFH-Beschluss vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Die Kläger haben aber weder ausgeführt, ob und in welchem Umfang die von ihnen angesprochene Rechtsfrage umstritten ist (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozess, Rdnr. 153), noch haben sie das allgemeine Interesse an der Klärung dieser Frage über den entschiedenen Einzelfall hinaus dargelegt. Auch die Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Norm entbindet nicht davon, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage darzulegen (BFH-Beschlüsse vom 14. Dezember 1987 V B 77/87, BFH/NV 1989, 27; vom 27. März 1992 III B 547/90, BFHE 168, 17, BStBl II 1992, 842, und vom 1. September 1995 VIII B 12/95, BFH/NV 1996, 228).
Den Zweifeln an der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache braucht der Senat indessen nicht weiter nachzugehen, da die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Februar 1987 II B 140/86, BFHE 148, 494, BStBl II 1987, 344).
2. Ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage ist insbesondere gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage noch nicht vorliegt und hinsichtlich ihrer Beantwortung eine Unsicherheit besteht (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 115 Anm. 9).
a) Die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob die Rechtsprechung dem in der Land- und Forstwirtschaft gebotenen Strukturwandel durch eine weitere Einschränkung des Realisationsprinzips Rechnung tragen müsse, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Der Senat hat hierzu entschieden, dass § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) gerade auch für die Fälle einer ökonomisch sinnvollen Anpassung von Unternehmen an strukturelle Veränderungen geschaffen wurde (BTDrucks IV/2400, S. 46, 62, IV/2617, S. 4), und daraus gefolgert, dass der Bereich der Strukturanpassung in § 6b EStG abschließend geregelt sei (Urteil vom 29. April 1999 IV R 7/98, BFHE 188, 390, BStBl II 1999, 488, m.w.N. zur Rechtsprechung anderer Senate des BFH). In dieser Entscheidung hat der Senat zugleich für die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung am Tatbestandserfordernis der Funktionsgleichheit des Ersatzwirtschaftsguts festgehalten und ausgeführt, eine solche Rücklage sei erfolgswirksam aufzulösen, wenn das aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedene oder beschädigte Wirtschaftsgut nicht durch ein wirtschaftlich gleichartiges und ebenso genutztes Wirtschaftsgut ersetzt werde; das Erfordernis der Funktionsgleichheit aber sei nicht erfüllt, wenn ein landwirtschaftlich genutztes Wirtschaftsgebäude durch eine Mehrzweckhalle ersetzt und diese nach Fertigstellung mehrere Jahre an einen Gewerbetreibenden vermietet wird (BFH in BFHE 188, 390, BStBl II 1999, 488). Dies gilt in gleicher Weise für die im Streitfall anstelle der zerstörten Scheune errichteten Wohnungen.
b) Aber auch die von den Klägern aufgeworfene Frage einer Verletzung der Berufsfreiheit und des Rechts auf Eigentum ist nicht mehr klärungsbedürftig, nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) diese Frage im Zusammenhang mit der Ersatzbeschaffungsrücklage bei Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb behandelt hat (Entscheidung des BVerfG vom 20. Mai 1988 1 BvR 273/88, Steuerrechtsprechung in Karteiform ―StRK―, Einkommensteuergesetz 1975, § 5 Rückl., Rechtsspruch 2, Betriebs-Berater ―BB― 1988, 1716). Danach konnte offen bleiben, ob ein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb überhaupt in den Eigentumsbegriff des Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes einzubeziehen sei. In der Besteuerung des Entnahmegewinns könne nämlich schon deshalb kein Eingriff in den Gewerbebetrieb gesehen werden, weil das Wirtschaftsgut endgültig aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden und die dafür erlangte Brandentschädigung nicht für die Wiederbeschaffung funktionsgleicher Wirtschaftsgüter eingesetzt worden sei. Ebenso wenig greift die Einkommensbesteuerung in die Erwerbsfähigkeit und Unternehmensfreiheit des Steuerpflichtigen ein (s. auch hierzu BVerfG in StRK, Einkommensteuergesetz 1975, § 5 Rückl., Rechtsspruch 2, BB 1988, 1716).
Fundstellen