Entscheidungsstichwort (Thema)
Irrtümliche Auszahlung eines Einkommensteuerguthabens zusammenveranlagter Eheleute nach dem Ableben eines Ehegatten an den anderen bzw. dessen Erben
Leitsatz (NV)
1. Hinsichtlich eines Einkommensteuerguthabens sind zusammenveranlagte Ehegatten keine Gesamtgläubiger, sondern Teilgläubiger im Verhältnis der jeweils entrichteten Vorauszahlungen, wobei im Zweifel nach Köpfen aufzuteilen ist. Daran ändert auch nichts, wenn nach Ableben eines Ehegatten dessen Erben Rechtsnachfolger geworden sind (gefestigte Rechtsprechung).
2. Anders als bei einer Auszahlung des Guthabens an einen der Ehegatten während bestehender Ehe kann das FA nach Ableben eines Ehegatten nicht davon ausgehen, dass die Auszahlung an den überlebenden Ehegatten dem Willen der Rechtsnachfolger des anderen Ehegatten entspricht.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2; EStG § 36 Abs. 4 S. 3
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG (Urteil vom 12.09.2007; Aktenzeichen 5 K 360/04) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres im Jahre 2002 verstorbenen Vaters. Dessen im Juli 2000 verstorbene Ehefrau ist von deren Kindern (Erbengemeinschaft) beerbt worden. Die zusammenveranlagten Eheleute leisteten im Streitjahr 2000 vierteljährliche Vorauszahlungen zur Einkommensteuer, zuletzt zum 10. September. Durch den Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen für das IV. Quartal am 21. September 2000 erfuhr der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) vom Ableben der Ehefrau.
Aufgrund der von der Erbengemeinschaft eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 ergab sich ein Erstattungsanspruch. Das Guthaben wollte das FA an die Erbengemeinschaft überweisen, veranlasste aber irrtümlich die Zahlung an die Klägerin. Auf entsprechende Nachfrage der Erbengemeinschaft forderte das FA den hälftigen Erstattungsbetrag von der Klägerin zurück.
Einspruch und Klage gegen den Rückforderungsbescheid blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Klägerin sei nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zur Erstattung verpflichtet, da der zurückgeforderte hälftige Betrag des Einkommensteuerguthabens ohne Rechtsgrund an sie ausgezahlt worden sei. Die zusammenveranlagten Eheleute seien beide Gesamtschuldner der vorauszuzahlenden bzw. der veranlagten Einkommensteuer gewesen, bei der Zahlung des Ehemannes habe das FA davon ausgehen dürfen, dass damit --da nichts anderes erklärt worden sei-- auch die Tilgung der Steuerschuld der Ehefrau beabsichtigt gewesen sei. Dies gelte auch für die Vorauszahlung zum 10. September 2000 (nach dem Tod der Ehefrau). Daraus folge, dass beide Ehegatten bzw. deren Rechtsnachfolger nach § 37 Abs. 2 AO jeweils anteilig erstattungsberechtigt seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien zusammenveranlagte Ehegatten mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung hinsichtlich des Erstattungsanspruches keine Gesamtgläubiger, sondern Teilgläubiger im Verhältnis der jeweils entrichteten Vorauszahlungen, im Zweifel sei nach Köpfen aufzuteilen. Deshalb seien im Streitfall der Ehemann und die Erbengemeinschaft Gläubiger jeweils des hälftigen Erstattungsanspruches. Dieser sei auch nicht nach § 36 Abs. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch die Zahlung an die Klägerin erloschen. Das Auswahlermessen, mit befreiender Wirkung an den einen oder den anderen Ehegatten zu leisten, habe das FA gar nicht ausgeübt, sondern irrtümlich gezahlt.
Mit der Beschwerde will die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache erreichen. Sie meint, entgegen der Auffassung des FG sei von Gesamtgläubigerschaft und damit vom Erlöschen des Erstattungsanspruches mit Auszahlung an die Klägerin auszugehen. Die Gesamtgläubigerschaft sei die Kehrseite der Gesamtschuld und damit bedürfe es auch hinsichtlich des Erstattungsanspruches von zusammenveranlagten Ehegatten keiner ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Auch habe das FG zu Unrecht in § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG ein Auswahlermessen bei der Auszahlung der Einkommensteuererstattung an Ehegatten angenommen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.
Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn im konkreten Fall eine Frage entscheidungserheblich ist, die im Interesse der Allgemeinheit der Klärung bedarf. Daran fehlt es in der Regel, wenn die betreffenden Fragen durch den BFH geklärt sind. In einem solchen Fall ist in der Beschwerde zu begründen, weshalb trotzdem weiterer oder ggf. erneuter Klärungsbedarf bestehe (BFH-Beschluss vom 10. September 2002 III B 56/02). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hat sich nicht mit der im FG-Urteil genannten Entscheidung des Senats vom 15. November 2005 VII R 16/05 (BFHE 211, 396, BStBl II 2006, 433, ständige Rechtsprechung) auseinandergesetzt. Darin ist eingehend ausgeführt, dass ein Erstattungsanspruch bei zusammenveranlagten Ehegatten demjenigen zusteht, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, wobei das FA grundsätzlich davon ausgehen kann, dass derjenige Ehegatte, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen, mit ihm zusammenveranlagten Ehegatten begleichen will. Soweit im Zeitpunkt der Zahlung Anhaltspunkte für eine bestimmte andere Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten fehlen, ist davon auszugehen, dass die Zahlung der Einkommensteuer auf Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden ist mit der Folge, dass beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO zu gleichen Teilen erstattungsberechtigt sind. Sie sind Teilgläubiger, nicht Gesamtgläubiger. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, unter welchen Gesichtspunkten im Streitfall erneuter oder weitergehender Klärungsbedarf besteht. Den von der Klägerin zitierten abweichenden FG-Urteilen ist der Senat ausdrücklich nicht gefolgt (Beschlüsse vom 15. April 2004 VII B 63/03, BFH/NV 2004, 1214, und vom 11. Januar 2005 VII B 136/04, BFH/NV 2005, 833). Insbesondere ist auch geklärt, dass eine einmal getroffene Tilgungsbestimmung, selbst wenn es keine ausdrückliche war, nicht rückwirkend geändert werden kann (Senatsbeschluss vom 4. November 2003 VII B 382/02, BFH/NV 2004, 314; Urteil vom 18. Februar 1997 VII R 117/95, BFH/NV 1997, 482). Da es insofern auf die Sicht des FA im Zahlungszeitpunkt ankommt, ist der dem FA zunächst nicht erkennbare Wegfall der Gesamtschuld --im Streitfall im III. Quartal 2000 durch das Ableben der Ehefrau-- für die Entscheidung ohne Bedeutung.
Die Rechtsfrage, ob dem FA bei der Erstattung einer Einkommensteuerüberzahlung an Ehegatten im Hinblick auf § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG ein Auswahlermessen eingeräumt ist oder nicht, ist --abgesehen von ihrer Klärungsbedürftigkeit-- im Streitfall in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Die Regelung des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG ist hier schon deshalb nicht einschlägig, weil erkennbar war, dass eine Erstattung des gesamten Steuerbetrages an die Klägerin nicht --wie grundsätzlich bei zusammenveranlagten Eheleuten-- dem Willen der Erbengemeinschaft entsprach (vgl. Senatsurteil vom 13. Februar 1996 VII R 89/95, BFHE 180, 1, BStBl II 1996, 436). Sie begründet insbesondere auch keine Gesamtgläubigerschaft der Ehegatten hinsichtlich ihrer Einkommensteuererstattungsansprüche (Urteil vom 2. Februar 1995 VII R 105/94, BFH/NV 1995, 781, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2036631 |
BFH/NV 2008, 1802 |