Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung; Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs; Begründungsfrist
Leitsatz (NV)
- Der Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert die Darlegung, inwiefern über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen oder welche sonstigen Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten.
- Mit der Behauptung, das Urteil verstoße gegen das sachliche Recht, kann eine Revisionszulassung nur erreicht werden, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich oder doch jedenfalls so greifbar gesetzeswidrig ist, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werden kann.
- Die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs gegen Richter kann nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Rechtslage nur mit der Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensfehler gerügt werden.
- Die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde ist hinsichtlich der Anforderungen an ihre Begründung nur nach den innerhalb der Begründungsfrist vorgebrachten Ausführungen zu beurteilen; spätere Darlegungen sind grundsätzliche nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1-2, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 119 Nr. 2
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 24.01.2003; Aktenzeichen 8 K 3952/02) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Keiner der von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Revisionszulassungsgründe ist in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geforderten Weise dargelegt worden.
Das Finanzgericht (FG) hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Einwendungen der Kläger gegen die Höhe der im Bescheid vom 24. Oktober 2001 festgesetzten Steuer nicht zur Nichtigkeit dieses Bescheides führten; im Übrigen sei der Bescheid ausreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1 der Abgabenordnung ―AO 1977―). Über die Rechtmäßigkeit und damit auch über die Wirksamkeit des Einkommensteuerbescheids für 1991 vom 17. März 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 1997 sei bereits rechtskräftig entschieden worden. Der Hilfsantrag sei nach § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 1 AO 1977 unzulässig.
Eine den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechende Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hätte sich, soweit sie auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 FGO gestützt wird, mit diesen tragenden Gründen befassen müssen.
1. Macht der Beschwerdeführer geltend, dass eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), so muss er in der Beschwerdebegründung darlegen, inwiefern über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen oder welche sonstigen Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten. Rügt der Beschwerdeführer ―wie hier― eine Abweichung des angefochtenen Urteils von anderen Gerichtsentscheidungen, so muss er nach ständiger Rechtsprechung des BFH tragende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits herausarbeiten und einander gegenüber stellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen. Unter tragenden Rechtssätzen sind dabei solche zu verstehen, die in beiden Entscheidungen rechtserheblich sind (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 5. Juli 2002 XI B 67/00, BFH/NV 2002, 1479; vom 12. Juli 2002 II B 33/01, BFH/NV 2002, 1482; vom 12. Juli 2002 XI B 152/01, BFH/NV 2002, 1484; vom 24. März 2003 II B 41/02, BFH/NV 2003, 1067).
a) Die Beschwerde entspricht nicht diesen Anforderungen. Die Kläger haben zwar in der Beschwerdebegründungsschrift zahlreiche Divergenzentscheidungen insbesondere des BFH benannt. Sie haben jedoch in keinem Fall abstrakte Rechtssätze sowohl des FG-Urteils als auch der benannten Divergenzentscheidungen herausgearbeitet und gegenübergestellt. Es kommt hinzu, dass von den als divergierend bezeichneten Entscheidungen allenfalls die auf S. 23 der Beschwerdebegründungsschrift vom 13. Mai 2003 erwähnten die für das FG entscheidungserheblichen Gesichtspunkte ansatzweise betreffen. Das FG hat sein Urteil nämlich allein darauf gestützt, dass der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1991 vom 24. Oktober 2001 wirksam und eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 1991 nicht möglich sei. Es ist weder dargelegt noch erkennbar, dass das FG von tragenden Rechtssätzen der BFH-Entscheidungen vom 23. August 2000 X R 27/98 (BFHE 193, 19, BStBl II 2001, 662), vom 26. März 1981 VII R 3/79 (BFHE 133, 163), vom 14. Mai 1969 VII B 180/67 (BFHE 96, 5, BStBl II 1969, 538) und des Urteils des Schleswig-Holsteinischen FG vom 25. September 1984 V 85/83 (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1985, 211) abgewichen ist. Dies gilt insbesondere für die Senatsentscheidung in BFHE 193, 19, BStBl II 2001, 662. Von dem tragenden Rechtssatz dieses Urteils, dass ein Einkommensteuerbescheid auch dann nichtig ist, wenn er für einen Veranlagungszeitraum ergeht, für den bereits ein ―wirksamer― Einkommensteuerbescheid gegenüber demselben Adressaten erlassen wurde, ohne das Verhältnis zu diesem Bescheid klarzustellen, weicht das FG-Urteil offensichtlich nicht ab.
b) Die gegen die Entscheidung des FG erhobenen Einwände der Kläger stellen sich in Wahrheit als Einwendungen gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar. Diese können im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht zum Erfolg führen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 22. November 2002 X B 92/02, BFH/NV 2003, 320).
Mit der Behauptung, das Urteil verstoße gegen das sachliche Recht, kann eine Revisionszulassung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nur erreicht werden, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich oder doch jedenfalls so greifbar gesetzeswidrig ist, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werden kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. Juli 2003 V B 72/02, BFH/NV 2003, 1597; vom 29. August 2002 III B 16/02, BFH/NV 2003, 39; vom 21. März 2003 VII B 197/02, BFH/NV 2003, 1103, jeweils m.w.N.). Dazu hätten die Kläger, was nicht geschehen ist, substantiiert darlegen müssen, weshalb die Vorentscheidung nach ihrer Ansicht unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar sei (Senatsentscheidung vom 12. Dezember 2002 X B 99/02, BFH/NV 2003, 496).
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
a) Wird die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision darauf gestützt, dass das FG seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt habe, bedarf es einer Darstellung der Tatsachen, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergeben. Außerdem muss dargelegt werden, inwiefern das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel beruht, es also ohne den Verfahrensfehler möglicherweise anders ausgefallen wäre. Da die Beteiligten auf eine § 76 Abs. 1 FGO genügende Sachaufklärung verzichten können, muss der Beschwerdeführer zudem darlegen, dass er die seiner Ansicht nach unzulängliche Sachaufklärung vor dem FG gerügt hat oder dass ihm eine solche nicht möglich war (Senatsentscheidung vom 14. Februar 2003 X B 74/02, BFH/NV 2003, 805). Die Ausführungen der Kläger werden diesen Erfordernissen nicht gerecht. Die Kläger haben insbesondere nicht vorgetragen, dass sie die mangelnde Sachaufklärung bzw. die unterlassene Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt hätten. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 24. Januar 2003 ist das jedenfalls nicht geschehen.
b) Die übrigen Verfahrensrügen (Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes; § 96 Abs. 2 FGO; Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) sind erst mit Schriftsatz vom 29. August 2003 und somit nicht innerhalb der am 15. Mai 2003 abgelaufenen Beschwerdebegründungsfrist (§ 116 Abs. 3 FGO) geltend gemacht worden. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an ihre Begründung grundsätzlich nur nach den innerhalb der Begründungsfrist vorgebrachten Ausführungen zu beurteilen; spätere Darlegungen sind ―abgesehen von bloßen Erläuterungen und Ergänzungen des fristgemäßen Vorbringens― nicht zu berücksichtigen (Senatsentscheidung vom 29. September 2000 X B 23/00, BFH/NV 2001, 437; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 22).
c) Soweit sich die Kläger im Schriftsatz vom 29. August 2003 mit der Behauptung, der von ihnen abgelehnte Richter am FG X habe zu Unrecht an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch mitgewirkt, gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs durch das FG wenden, gilt Entsprechendes. Denn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs kann nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Rechtslage nur mit der (zugelassenen) Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensfehler gerügt werden (BFH-Beschluss vom 31. Juli 2002 V B 18/02, BFH/NV 2003, 58; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 89). Auch insoweit ist die Beschwerdebegründungsfrist gemäß § 116 Abs. 3 FGO zu beachten.
Auch die erst mit Schriftsatz vom 1. September 2003 erhobene Rüge, das FG sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen (§ 119 Nr. 2 FGO), betrifft einen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, der mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden muss (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 95; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 233).
3. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
Fundstellen