Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtliches Gehör; grundsätzliche Bedeutung; Besorgnis der Befangenheit
Leitsatz (NV)
1. Die pauschale Behauptung, sämtliche bundesdeutschen Gesetze, insbesondere diejenigen, die die Steuerpflicht begründen, seien nicht wirksam, ist nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO darzulegen.
2. Die Verfassungsmäßigkeit der Beteiligung des Justizministers an der Anstellung der Richter folgt aus Art. 98 Abs. 3 GG.
3. Nach § 119 Nr. 2 FGO ist die Besorgnis der Befangenheit eines Richters nur dann ein absoluter Revisionsgrund, wenn der Richter wegen dieser Besorgnis mit Erfolg abgelehnt war.
4. Dass das Gericht der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt ist, begründet keine Verletzung des Rechts auf Gehör.
5. Die Rüge, die rechtliche Würdigung des FG, die Richterbank sei korrekt besetzt gewesen und die für die Besteuerung der Klägerin zugrunde liegenden Gesetze seien verfassungsgemäß, sei rechtsfehlerhaft, kann keine Zulassung der Revision rechtfertigen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3, § 119 Nr. 2
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 16.04.2008; Aktenzeichen 9 K 692/03) |
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten um Einkommensteuer 1995 bis 2000. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bezieht als Pensionärin Versorgungsbezüge. Hinsichtlich der Streitjahre gab sie lediglich für 1999 eine Einkommensteuererklärung ab.
Nachdem gegen die Klägerin ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war, führte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) in der zweiten Jahreshälfte 2001 eine Außenprüfung bei der Klägerin durch. Anlässlich der Außenprüfung wurde festgestellt, dass die Klägerin der Firma X-GmbH Kraftfahrzeuge vermietet und Darlehen gewährt hatte. Das FA beurteilte die Einnahmen aus der Kraftfahrzeugvermietung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und diejenigen aus der Darlehensgewährung (abzüglich Werbungskosten und Sparerfreibetrag) als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Versorgungsbezüge der Klägerin bewertete das FA gemäß den vom … Amt für Bezüge und Versorgung ausgestellten Lohnsteuerbescheinigungen als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und erließ entsprechende Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, die indes aufgrund eines Antrages der Klägerin und ihres Ehemannes auf getrennte Veranlagung nochmals geändert wurden.
Mit der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage wendete sich die Klägerin gegen die Besteuerung ihrer Einkünfte und hatte zunächst insoweit Erfolg, als das FA geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995, 1996 und 1999 erteilte, in denen es davon absah, die Einnahmen aus der Kraftfahrzeugvermietung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. April 2008 und vom 28. Mai 2008 ab. In der mündlichen Verhandlung hatte die Klägerin ausweislich der Sitzungsniederschriften insgesamt 39 --fortlaufend nummerierte-- größtenteils vorformulierte Anträge gestellt (im Wesentlichen zur Feststellung der ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts und zur Gesetzgebungslegitimation der Bundesrepublik Deutschland - insbesondere hinsichtlich der Steuerpflicht --"Feststellung der Offenkundigkeit"--, zur Feststellung der verfassungsrechtlichen Legitimation aller Richter und der speziellen Legitimation des Spruchkörpers als gesetzlicher Richter, zur Befangenheit des Spruchkörpers sowie zur Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht --BVerfG--). Den Befangenheitsantrag gegen die Berufsrichter lehnte der mit anderen Berufsrichtern besetzte Spruchkörper des FG ab. Der gegen die Letzteren gestellte Befangenheitsantrag wurde ebenfalls abgewiesen.
Ausweislich des angefochtenen Urteils hat die Klägerin vor dem FG u.a. folgenden Antrag gestellt:
"Die Klägerin beantragt,
zur endgültigen Klärung einer Rechtsgrundlage für nichtstaatliche bundesrepublikanische Gerichte (GVG § 15) und Steuererhebungen für die Bundesrepublik Deutschland nach dem verständlichen, anzuwendenden GG Art. 100 die Vorlage beim BVerfG durch das Finanzgericht zur Prüfung, ob es in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt noch ein gültiges, rechtsstaatlich bestandsfähiges Grundgesetz, eine grundgesetzmäßige Besteuerungsmöglichkeit … geben kann,
die Aufhebung aller rechtsgrundlagenlosen, unrichtig erstellten und angefochtenen Steuerbescheide für die strittigen Steuerjahre,
hilfsweise … für den Fall, dass … neueste Berechnungen vorgelegt werden sollen, die Berücksichtigung ihrer Unterhaltszahlungen …,
hilfsweise die Aufrechnung mit dem Teil ihrer Forderungen aus Schadensersatzpflicht des Beklagten ihr gegenüber durch Grundbuchfälschungen … ."
Das FG hielt es nicht für geboten, das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG die von der Klägerin bezeichneten Vorschriften zur Entscheidung vorzulegen, da es die für die Entscheidung maßgeblichen Gesetze nicht als verfassungswidrig ansah. Insbesondere erachtete es das Grundgesetz als rechtswirksame verfassungsrechtliche Grundlage der Bundesrepublik Deutschland. Hieraus folge die Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung von Steuern. Demgemäß vertrat das FG die Auffassung, die Versorgungsbezüge der Klägerin seien als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu versteuern und die vereinnahmten Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Unterstützungsleistungen der Klägerin an ihren Ehemann berücksichtigte das FG nicht, weil die Klägerin und ihr Ehemann einen Antrag auf getrennte Veranlagung gestellt hätten, was voraussetze, dass die Ehegatten nicht dauernd getrennt lebten. Das könne nicht festgestellt werden. Überdies fehle der Nachweis über die Zahlung der behaupteten Unterhaltsleistungen.
Mit ihrer 145 Seiten umfassenden Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin im Ergebnis die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die Verweigerung des rechtlichen Gehörs, des fairen Verfahrens und der Verweigerung des gesetzlichen Richters sowie ausgreifende Verletzung des sachlich-materiellen Rechts geltend.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen in der Begründung der Beschwerde die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden, d.h. in der Beschwerdeschrift muss entweder dargetan werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert, oder dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift in keiner Weise (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 25 ff. und § 115 Rz 23 ff., jeweils m.w.N.).
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat die Klägerin nicht ausreichend dargelegt. Dabei deutet der Senat das Vorbringen der Klägerin zu diesem Zulassungsgrund dahin, dass sie die Gültigkeit sämtlicher bundesdeutscher Gesetze, insbesondere derjenigen, die die Steuerpflicht begründen, als Grundlage des finanzgerichtlichen Urteils in Frage stellt. Diese pauschale Behauptung genügt nicht dem Darlegungserfordernis. Denn es fehlt insbesondere jegliche Auseinandersetzung mit der die grundsätzliche Gültigkeit der von der Klägerin angezweifelten Rechtsnormen bejahenden Rechtsprechung des BVerfG.
2. Soweit dem Vorbringen der Klägerin zu entnehmen sein sollte, dass das Vorliegen des Zulassungsgrundes der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beziehungsweise der Fortbildung des Rechts gerügt wird, werden diese Zulassungsgründe nicht im Ansatz dargelegt.
3. Dem Vorbringen der Klägerin ist zu entnehmen, dass sie ihre Rügen vornehmlich auf Verfahrensmängel der finanzgerichtlichen Entscheidung bezieht. Auch diese Einwände führen nicht zur Zulässigkeit der Beschwerde. Denn die behaupteten Mängel sind nicht ordnungsgemäß dargelegt und liegen nach Aktenlage offensichtlich auch nicht vor.
Im Einzelnen:
a) Unzulässiger Zeitdruck durch Hauptverhandlungsterminierung und überlange Hauptverhandlung
Der Ladung zum Termin vom 16. April 2008 ist zu entnehmen, dass die mündliche Verhandlung um 10.00 Uhr begann und um 19.13 Uhr geschlossen wurde. Die Verhandlung vom 28. Mai 2008 begann um 10.00 Uhr und wurde ausweislich der Sitzungsniederschrift um 12.21 Uhr geschlossen. Angesichts dieser relativ langen Verhandlungsdauer stand der Klägerin ausreichend Zeit zur Verfügung, ihr Vorbringen zu erläutern und dem Gericht detailliert darzulegen. Dass die Verhandlung vom 16. April 2008 bis gegen 19.00 Uhr dauerte, führte zu keiner Behinderung des Vortrags der Klägerin. Denn angesichts der Vielzahl der von der Klägerin gestellten Sach- und Befangenheitsanträge hat die Klägerin selbst für eine relativ lange Verhandlungsdauer gesorgt. Im Übrigen hat das FG aufgrund des Hinweises des Klägervertreters auf eine starke Erkältung der Klägerin unmittelbar danach eine Vertagung der Sache beschlossen. Ein Verfahrensfehler ist in diesem Vorgehen nicht zu sehen.
b) Verweigerung der Prüfung der rechtmäßigen Besetzung des Gerichts
aa) Soweit mit diesem Vorwurf ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter wegen nicht ausreichender gesetzlicher Legitimation der deutschen Richterschaft im Allgemeinen gerügt werden sollte, hat die Klägerin über die pauschale Behauptung hinaus keine Gesichtspunkte vorgetragen, die geeignet sind, die gegenwärtige Rechtslage verfassungsrechtlich zweifelhaft erscheinen zu lassen. Insbesondere ergibt sich die Verfassungsmäßigkeit der Beteiligung des Justizministers an der Anstellung der Richter aus der diesbezüglichen Regelung des Art. 98 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG).
bb) Hinsichtlich der Besetzung der Richterbank im vorliegenden Verfahren ist die Beschwerde unsubstantiiert.
(1) Der Einwand, die Geschäftsverteilungspläne des FG, die überdies falsch datiert seien, seien sämtlich nichtig, weil sie in Umlaufverfahren beschlossen worden seien, berücksichtigt nicht den in einem von der Klägerin selbst vorgelegten Schreiben des Präsidenten des FG vom 7. Mai 2008 gegebenen Hinweis, dass die Geschäftsverteilungspläne sowohl für das Jahr 2008 als auch für die Vorjahre ordnungsgemäß durch das Präsidium des FG beschlossen und lediglich die technisch zutreffende Umsetzung in den jeweiligen Geschäftsverteilungsplan gegebenenfalls durch Umlaufbeschluss des Präsidiums bestätigt worden ist. Der Senat hat keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Darstellung zu zweifeln.
(2) Unbegründet ist auch die Rüge, die Berufsrichter hätten wegen Besorgnis der Befangenheit an der Entscheidung nicht mitwirken dürfen. Nach § 119 Nr. 2 FGO ist die Besorgnis der Befangenheit eines Richters nur dann ein absoluter Revisionsgrund, wenn der Richter wegen dieser Besorgnis mit Erfolg abgelehnt war. Die Befangenheitsanträge sind im Streitfall aber unanfechtbar zurückgewiesen worden. Der Vorwurf der ungesetzlichen Besetzung des Spruchkörpers beschränkt sich auf die bloße unsubstantiierte Behauptung, obwohl es der Klägerin durch Einsichtnahme in die ihr ausgehändigten Geschäftsverteilungspläne möglich gewesen wäre, sich daraus ergebende Zweifel zu konkretisieren. Das gilt gleichermaßen für die Besetzung mit den ehrenamtlichen Richtern.
cc) Unsubstantiiert ist auch die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Den Sitzungsniederschriften vom 16. April 2008 und vom 28. Mai 2008 ist eindeutig zu entnehmen, dass die Klägerin ausreichend Gelegenheit hatte und davon auch Gebrauch gemacht hat, ihre grundsätzlichen Bedenken gegen die Legitimation der Richterschaft und die gesetzmäßige Besetzung des Spruchkörpers vorzutragen. Da ihre entsprechenden schriftlichen Anträge den jeweiligen Sitzungsniederschriften beigefügt sind, konnte das Gericht diesen Vortrag auch in vollem Umfang berücksichtigen. Dass das Gericht der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt ist, begründet keine Verletzung des Rechts auf Gehör.
Im Übrigen vermittelt die Beschwerdebegründung den Eindruck, dass die Klägerin die rechtliche Würdigung des FG, die Richterbank sei korrekt besetzt gewesen und die für die Besteuerung der Klägerin zugrunde liegenden Gesetze seien verfassungsgemäß, für rechtsfehlerhaft hält. Damit kann aber eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision nicht begründet werden, weil allein die behauptete Unrichtigkeit des angegriffenen Urteils nach § 115 Abs. 2 FGO kein Grund ist, der zur Zulassung der Revision führen kann.
Der Antrag der Klägerin vom 28. August 2008 auf Anordnung der vorläufigen Einstellung der Vollstreckung gemäß § 719 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) führt zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen bringt die Klägerin mit diesem Antrag, den sie laut Schriftsatz vom 18. November 2008 nicht als eigenständiges Verfahren gewertet wissen will, so dass das erteilte Aktenzeichen VIII S 43/08 zu löschen ist, inhaltlich nichts Neues vor. Zum anderen ist dieser Antrag unabhängig von der Frage, ob § 719 Abs. 2 ZPO im finanzgerichtlichen Verfahren überhaupt Anwendung finden kann (vgl. zu dieser Problematik § 150 FGO, § 155 FGO, sowie Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 155 Rz 3 ff.), schon deshalb unbegründet, weil die Voraussetzungen der Vorschrift nicht gegeben sind. § 719 Abs. 2 ZPO setzt nämlich die Einlegung der Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil voraus. Die in § 719 Abs. 2 ZPO enthaltene Sonderregelung verlangt eine zulässige und nicht aussichtslose Revision, um lediglich verzögernde Revisionen zu verhindern und schränkt daher die Einstellungsmöglichkeiten der Zwangsvollstreckung sowohl nach ihren Voraussetzungen als auch inhaltlich ein (vgl. Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 29. Aufl., § 719 Rz 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 67. Aufl., § 719 Rz 7). Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen schon deshalb nicht vor, weil das FG die Revision nicht zugelassen hat und die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision unzulässig ist. Die von der Klägerin angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1995 bis 2000 sind damit unanfechtbar geworden, so dass ein weiteres Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr besteht.
Fundstellen