Entscheidungsstichwort (Thema)
Pauschale Zweifel an der Gesetzgebungslegitimation des Bundes und der ordnungsmäßigen Besetzung der Richterbank
Leitsatz (NV)
1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache genügt pauschales Vorbringen gegen die Gesetzgebungslegitimation der Bundesrepublik Deutschland und Einwände gegen die Gültigkeit sämtlicher bundesdeutscher Gesetze nach der Wiedervereinigung Deutschlands nicht.
2. Allein der Umstand, dass nach der Sitzungstafel für die Verhandlung ‐nur- eine halbe Stunde vorgesehen war, rechtfertigt die Rüge unzulässigen Zeitdrucks (Verletzung des rechtlichen Gehörs) jedenfalls dann nicht, wenn es nach dem Sitzungsprotokoll tatsächlich zu keiner zeitlichen Beschränkung der mündlichen Verhandlung und zu keiner Behinderung des Vortrags des Klägers gekommen ist.
3. Die gesetzliche Legitimation der deutschen Richterschaft im allgemeinen kann nicht wegen der Beteiligung des Justizministers an der Einstellung der Richter, die auf Art. 98 Abs. 3 GG beruht, infrage stehen.
4. Hatte der Kläger Gelegenheit, die Geschäftsverteilungspläne einzusehen, sind Besetzungsrügen nicht hinreichend dargelegt, wenn er keine sich daraus ergebenden Zweifel konkretisiert.
Normenkette
GG Art. 98 Abs. 3, Art. 123; AO §§ 257-258; FGO § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3, § 119 Nr. 2
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 15.01.2008; Aktenzeichen 15 K 128/07) |
Tatbestand
I. Für die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, die in der Klageschrift mit dem Zusatz i.L. bezeichnet war, setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) im Jahr 2005 Kfz-Steuer fest. Ende 2006 beantragte die Klägerin zum wiederholten Mal die Aussetzung der Vollstreckung rückständiger Kfz-Steuer, u.a., weil das FA mangels Rechtsgrundlage nicht zur Beitreibung der Abgaben berechtigt sei. Gegen die Ablehnung dieses Antrags erhob die Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren Klage, die das Finanzgericht (FG) aufgrund mündlicher Verhandlung abwies. In der mündlichen Verhandlung hatte die Klägerin ausweislich der Sitzungsniederschrift insgesamt 17 --fortlaufend nummerierte-- größtenteils vorformulierte Anträge gestellt (im Wesentlichen zur Feststellung der ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts und zur Gesetzgebungslegitimation der Bundesrepublik Deutschland - insbesondere hinsichtlich der Steuerpflicht --"Feststellung der Offenkundigkeit"--, zur Feststellung der verfassungsrechtlichen Legitimation aller Richter und der speziellen Legitimation des Spruchkörpers als gesetzlicher Richter, zur Befangenheit des Spruchkörpers sowie auf Vollstreckungsschutz und Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht --BVerfG--). Den Befangenheitsantrag gegen die Berufsrichter lehnte der mit anderen Berufsrichtern besetzte Spruchkörper des FG ab. In dem schriftlichen Urteil ist der Antrag der Klägerin wie folgt gefasst:
"Die Klägerin beantragt,
vorläufigen Vollstreckungsschutz und Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht zur Klärung der tatsächlichen Rechtsgrundlagen in der Bundesrepublik Deutschland,
hilfsweise beantragt sie sinngemäß,
den Beklagten … zu verpflichten, die Vollstreckung der Kfz-Steuerrückstände … einzustellen."
Das FG hielt es nicht für geboten, das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG die von der Klägerin bezeichneten Vorschriften zur Entscheidung vorzulegen, da es die für die Entscheidung maßgeblichen Gesetze nicht als verfassungswidrig ansah, insbesondere --im Anschluss an das BVerfG-- keinen Zweifel daran hatte, dass auch nach der Wiedervereinigung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland das Grundgesetz (GG) sowie die nachkonstitutionellen und die gemäß Art. 123 GG fortgeltenden vorkonstitutionellen Gesetze rechtswirksam sind. Da laut Handelsregisterauszug für die Klägerin kein Liquidationsvermerk eingetragen war, änderte es die Klägerbezeichnung im Rubrum entsprechend. Den angefochtenen Ablehnungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung beurteilte es als rechtmäßig, da die Voraussetzungen für eine Einstellung der Vollstreckung gemäß § 257 und § 258 der Abgabenordnung nicht vorlägen. Dies habe die Klägerin selbst nicht infrage gestellt, die begehrte dauerhafte Einstellung der Vollstreckung werde auf die irrige Auffassung gestützt, dass die bundesdeutschen Steuergesetze nichtig seien und daher als Ermächtigungsgrundlage zur Festsetzung und Beitreibung nicht dienen könnten.
Die nach Zustellung des Urteils beantragten Anträge auf Berichtigung des Protokolls und des Urteilstatbestandes blieben ebenso erfolglos wie der Antrag auf Ergänzung des Urteils.
Die 169 Seiten umfassende Beschwerde (Streitwert: 277 €) gegen die Nichtzulassung der Revision stützt die Klägerin auf die rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Sache, die Notwendigkeit einer höchstrichterlichen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie auf unheilbare Verfahrensfehler, unter anderem wegen vermeintlichen Entzugs des gesetzlichen Richters, des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt. Der Senat deutet das Vorbringen der Klägerin zu diesem Zulassungsgrund dahin, dass sie die Gültigkeit sämtlicher bundesdeutscher Gesetze, insbesondere diejenigen, die die Steuerpflicht begründen, als Grundlage des finanzgerichtlichen Urteils in Frage stellt. Diese pauschale Behauptung genügt nicht dem Darlegungserfordernis. Insbesondere fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der die grundsätzliche Gültigkeit der Rechtsnormen bejahenden Rechtsprechung des BVerfG, die beispielhaft in dem FG-Urteil zitiert ist.
2. Das Vorliegen des Zulassungsgrundes der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beziehungsweise der Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO erläutert die Klägerin auch nicht ansatzweise.
3. Mit ihrem Vorbringen behauptet die Klägerin nahezu ausschließlich Verfahrensmängel der finanzgerichtlichen Entscheidung. Auch diese Einwände führen nicht zur Zulässigkeit der Beschwerde. Denn die behaupteten Mängel sind nicht ordnungsgemäß dargelegt und liegen auch nach Aktenlage offensichtlich nicht vor.
Im Einzelnen:
a) Unzulässiger Zeitdruck durch Hauptverhandlungsterminierung.
Wie das Protokoll der Hauptverhandlung ausweist, dauerte die Verhandlung insgesamt sechseinhalb Stunden. Der Umstand, dass der nachfolgende Termin bereits eine halbe Stunde nach Beginn dieser Verhandlung anberaumt war, hat -- das ist offensichtlich-- zu keiner zeitlichen Beschränkung der mündlichen Verhandlung und zu keiner Behinderung des Vortrags der Klägerin geführt.
b) Verweigerung der Prüfung der rechtmäßigen Besetzung des Gerichts.
aa) Soweit mit diesem Vorwurf ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter wegen nicht ausreichender gesetzlicher Legitimation der deutschen Richterschaft im Allgemeinen gerügt werden sollte, hat die Klägerin über die pauschale Behauptung hinaus keine Gesichtspunkte vorgetragen, die geeignet sind, die gegenwärtige Rechtslage verfassungsrechtlich zweifelhaft erscheinen zu lassen. Insbesondere ergibt sich die Verfassungsmäßigkeit der Beteiligung des Justizministers an der Anstellung der Richter aus der diesbezüglichen Regelung des Art. 98 Abs. 3 GG.
bb) Hinsichtlich der Besetzung der Richterbank im vorliegenden Verfahren fehlen dem Vorbringen jegliche auf den konkreten Rechtsstreit bezogene Anhaltspunkte.
(1) Der Einwand, die Geschäftsverteilungspläne 2007 und 2008, die überdies falsch datiert seien, seien nichtig, weil sie in Umlaufverfahren beschlossen worden seien, berücksichtigt nicht den in einem von der Klägerin selbst vorgelegten Schreiben des Präsidenten des FG gegebenen Hinweis, dass die Geschäftsverteilungspläne ordnungsgemäß durch das Präsidium des FG beschlossen und lediglich die technisch zutreffende Umsetzung in den jeweiligen Geschäftsverteilungsplan gegebenenfalls durch Umlaufbeschluss des Präsidiums bestätigt worden ist. Der Senat hat keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Darstellung zu zweifeln.
(2) Soweit die Besetzungsrüge die dem Spruchkörper angehörenden ehrenamtlichen Richter betrifft, behauptet die Klägerin, ohne den konkreten Sachverhalt betreffende Anhaltspunkte vorzubringen, dass die "Schöffenliste" manipuliert sei und eine Beeinflussung des Einsatzes von Schöffen möglich gemacht habe. Damit ist dem Darlegungserfordernis des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht genügt. Die Klägerin hatte während der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren Gelegenheit, die Listen einzusehen und hat davon auch Gebrauch gemacht. Die Klägerin hatte demnach hinreichend Gelegenheit, konkrete Anhaltspunkte für die vermeintliche Vorenthaltung des gesetzlichen Richters aufzudecken und vorzutragen. Weder während der Verhandlung noch mit der vorliegenden Beschwerde hat sie aber ihre Behauptung, die Liste sei nicht manipulationsfrei erstellt bzw. benutzt worden, belegt. Nach Aktenlage ist die ordnungsgemäße Heranziehung der ehrenamtlichen Richter nicht zweifelhaft.
(3) Die Klägerin kann auch nicht mit der Rüge gehört werden, die Berufsrichter hätten wegen Befangenheit nicht an der Entscheidung mitwirken dürfen. Nach § 119 Nr. 2 FGO ist die Besorgnis der Befangenheit eines Richters nur dann ein absoluter Revisionsgrund, wenn der Richter wegen dieser Besorgnis mit Erfolg abgelehnt war. Der Befangenheitsantrag ist hier aber unanfechtbar zurückgewiesen worden. Der auch hier erhobene Vorwurf der ungesetzlichen Besetzung des Spruchkörpers beschränkt sich wieder auf die bloße unsubstantiierte Behauptung, obwohl es der Klägerin durch Einsichtnahme in die ihr ausgehändigten Geschäftsverteilungspläne möglich gewesen wäre, sich daraus ergebende Zweifel zu konkretisieren.
cc) Soweit insoweit eine Verletzung des rechtlichen Gehöranspruchs behauptet wird, ist dies nicht nachvollziehbar. Aus dem Protokoll ergibt sich zweifelsfrei, dass die Klägerin Gelegenheit hatte, ihre grundsätzlichen Bedenken gegen die Legitimation der Richterschaft und die gesetzmäßige Besetzung des Spruchkörpers vorzutragen. Den Kern ihres Vorbringens hat sie laut Protokoll --insbesondere auch ausweislich ihres eigenen sog. Gedächtnisprotokolls-- dargestellt. Damit geht auch die Rüge ins Leere, sie sei am Verlesen und am mündlichen Begründen ihrer Anträge unter Verstoß gegen das Öffentlichkeitsprinzip gehindert worden. Ihre entsprechenden schriftlichen Anträge sind dem Protokoll beigefügt, so dass das Gericht, auch die ehrenamtlichen Richter, den vollständigen Vortrag der Klägerin in der Beratung berücksichtigen konnten.
c) Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Behinderung des mündlichen Vortrags.
Dazu hätte es in diesem Beschwerdeverfahren der Darlegung bedurft, was die Klägerin, wäre sie dazu gekommen, im Einzelnen noch vorgetragen hätte und welche Auswirkungen dieses weitere Vorbringen auf die Entscheidung des FG gehabt hätte. Das ist unterblieben.
Zusammengefasst vermitteln die Ausführungen der Klägerin den Eindruck, dass die Klägerin die --der Entscheidung zugrunde liegende-- rechtliche Würdigung des FG, wonach die Beteiligten zutreffend bezeichnet und die Richterbank korrekt besetzt war, und die der steuerlichen Inanspruchnahme der Klägerin zugrunde liegenden Gesetze verfassungsgemäß sind, für unzutreffend hält. Damit kann jedoch eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision nicht begründet werden, weil allein die behauptete Unrichtigkeit des angegriffenen Urteils nach § 115 Abs. 2 FGO kein Grund ist, der zur Zulassung der Revision führen kann.
Fundstellen