Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Vorabentscheidung vom 11.03.1986 - VII R 117/84

 

Leitsatz (amtlich)

Erstreckt sich die Vorausfestsetzung des Ausfuhrerstattungssatzes auf die anzurechnende Produktionserstattung für Mais zur Herstellung von Stärke?

--Vorlage an den EuGH--

 

Orientierungssatz

Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften: Berechnete sich der Ausfuhrerstattungssatz für im Zollgebiet aus Mais der Tarifstelle 10.05 B des Gemeinsamen Zolltarifs im August/September 1980 hergestellte und danach in Drittländer ausgeführte Sorbite der Tarifstellen 29.04 C und 38.19 T GZT auch dann unter Berücksichtigung des im Ausfuhrmonat gültigen Produktionserstattungssatzes, wenn der am 30. Juli 1980 gültige Ausfuhrerstattungssatz im voraus festgesetzt worden war?

 

Normenkette

EWGVtr Art. 177 Abs. 1, 3; EWGV 2730/79 Art. 3 Abs. 1 Buchst. b; EWGV 2682/72 Art. 5 Abs. 2UAbs. 5; EWGV 562/86; EWGV 1681/80; EWGV 1077/68 Art. 1 Abs. 2; GZT Tarifnr 10.05 Tarifst B

 

Nachgehend

EuGH (Entscheidung vom 02.07.1987; Aktenzeichen 94/86)

 

Tatbestand

I. Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen), verbunden in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, befassen sich mit der Aus- und Einfuhr von Marktordnungswaren. Sie führen in diesem Rahmen Mais aus den USA ein, der zu verschiedenen Produkten verarbeitet und in Drittländer ausgeführt wird. Vom 1.August bis 30.September 1980 führten die Klägerinnen Sorbite der Tarifst. 29.04 C und 38.19 T des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) in verschiedene Drittländer aus. Für das dafür verwendete Grunderzeugnis Mais zur Herstellung von Stärke der Tarifst. 10.05 B GZT hatten sie sich den am 30.Juli 1980 gültigen Erstattungssatz im voraus festsetzen lassen. Die Klägerinnen beantragten, ihnen Ausfuhrerstattung zu gewähren unter Anwendung des am 30.Juli 1980 geltenden Erstattungssatzes. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) gewährte Ausfuhrerstattungen in Höhe von insgesamt 357 833,26 DM. Er legte dabei den Erstattungssatz für Mais zur Stärkeherstellung vom 30.Juli 1980 zugrunde, berichtigte diesen Erstattungssatz um die Schwellenpreisdifferenz zwischen dem Zeitpunkt der Vorausfestsetzung und dem Ausfuhrmonat und zog hiervon die am 30.Juli 1980 maßgebende Produktionserstattung ab. Gegen die entsprechenden Bescheide legten die Klägerinnen Einspruch mit der Begründung ein, für die Kürzung der Ausfuhrerstattung um die Produktionserstattung sei der Ausfuhrmonat maßgebend. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit ihrer Klage beantragten die Klägerinnen, das HZA unter Änderung der betreffenden Bescheide in der Gestalt der Einspruchsentscheidung zu verpflichten, bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattung eine Produktionserstattung für Mais nur in Höhe von 1,723 ECU (European Currency Unit) pro 100 kg (und nicht in Höhe von 2,055 ECU/100 kg) mindernd zu berücksichtigen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage im wesentlichen mit folgender Begründung ab: Das HZA habe die Ausfuhrerstattung zutreffend auf Grund der Verordnung (EWG) Nr. 1681/80 (VO Nr.1681/80) der Kommission vom 27.Juni 1980 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 166/41 vom 1.Juli 1980) unter Berücksichtigung der im jeweiligen Ausfuhrmonat gültigen Schwellenpreisdifferenz festgesetzt und dabei den Erstattungssatz um die in der Fußnote 1 des Anhangs der Verordnung genannten Produktionserstattungen in Höhe von 2,055 ECU/100 kg Mais gekürzt. Für die von den Klägerinnen begehrte Kürzung der Ausfuhrerstattung um die in den Ausfuhrmonaten gültige niedrigere Produktionserstattung fehle es an einer Rechtsgrundlage. Diese enthalte auch nicht Art.5 Abs.2 Unterabs.5 der Verordnung (EWG) Nr. 2682/72 (VO Nr. 2682/72) des Rates vom 12.Dezember 1972 (ABlEG L 289/13 vom 27.Dezember 1972); die dort genannten Änderungen von im voraus festgesetzten Erstattungssätzen lägen hier nicht vor.

Mit ihrer Revision beziehen sich die Klägerinnen insbesondere auf Art.3 Abs.1 Buchst.b der Verordnung (EWG) Nr. 2730/79 (VO Nr.2730/79) der Kommission vom 29.November 1979 (ABlEG L 317/1 vom 12.Dezember 1979), Art.5 Abs.2 Unterabs.5 VO Nr.2682/72, Art.1 Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr. 1077/68 (VO Nr. 1077/68) der Kommission vom 26.Juli 1968 (ABlEG L 181/1 vom 27.Juli 1968), Art.3 Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr. 2007/75 (VO Nr. 2007/75) der Kommission vom 31.Juli 1975 (ABlEG L 203/7 vom 1.August 1975) sowie auf die Verordnung (EWG) Nr. 562/86 (VO Nr.562/86) der Kommission vom 25.Februar 1986 (ABlEG L 55/90 vom 1.März 1986). Sie meinen, aus diesen Regelungen ergebe sich, daß auch in Fällen, in denen eine Vorausfestsetzung der Ausfuhrerstattung in Anspruch genommen werde und der Abzug der Produktionserstattung in Betracht komme, als Kürzungsbetrag derjenige Satz der Produktionserstattung angewendet werden müsse, der im Ausfuhrmonat gültig sei. Sie meinen auch, daß eine andere Entscheidung für sie diskriminierend und wettbewerbsverfälschend wirke, da sie die im Streitfall ausgeführte Menge Sorbite aus einer Menge des Grunderzeugnisses Mais hergestellt hätten, die nach dem 1.August 1980 unter zollamtliche Überwachung gestellt worden sei und für die dementsprechend eine Produktionserstattung in Höhe von nur 1,723 ECU/100 kg gezahlt worden sei.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision wirft eine Frage der Auslegung des sekundären Gemeinschaftsrechts auf. Der Senat ist daher zur Vorlage dieser Frage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) verpflichtet (Art.177 Abs.1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft).

Art.16 der Verordnung (EWG) Nr. 2727/75 (VO Nr.2727/75) des Rates vom 29.Oktober 1975 (ABlEG L 281/1 vom 1.November 1975) sieht für die Ausfuhr von Getreideverarbeitungserzeugnissen in Drittländer Ausfuhrerstattungen vor. Maßgebend ist der am Tage der Ausfuhr geltende Erstattungssatz (Art.16 Abs.3 VO Nr. 2727/75). Abweichend davon ermöglicht Art.16 Abs.4 Unterabs.1 VO Nr. 2727/75, daß bei entsprechendem Antrag der am Tage der Vorlage des Antrags geltende Erstattungssatz (berichtigt, wie es hier geschehen ist, nach Maßgabe des im Monat der Ausfuhr gültigen Schwellenpreises) für ein Ausfuhrgeschäft zugrunde gelegt wird, das während der Gültigkeitsdauer der Lizenz durchgeführt wird. Diese Vorausfestsetzung ist auch möglich, wenn wie hier Mais in Form der in Anhang B zur VO Nr. 2727/75 aufgeführten Verarbeitungserzeugnisse ausgeführt wird (Art.16 Abs.4 Unterabs.3 VO Nr. 2727/75).

Auf Grund der von den Klägerinnen vorgelegten Vorausfestsetzungsbescheinigung ist der am 30.Juli 1980 geltende Ausfuhrerstattungssatz im voraus festgesetzt worden. Die für den Monat Juli 1980 geltenden Ausfuhrerstattungssätze ergeben sich aus der VO Nr. 1681/80. Für Mais zur Stärkeherstellung betrug der Erstattungssatz nach dem Anhang zu dieser Verordnung 9,798 ECU/100 kg. Nach der Fußnote 1 dieses Anhangs war dieser Betrag um die Produktionserstattung in Höhe von 2,055 ECU/100 kg Mais zu vermindern. Streitig ist die Tragweite dieser Regelung für Fälle der Vorausfestsetzung der Ausfuhrerstattung.

Die Regelung des Anhangs der VO Nr.1681/80 kann dahin verstanden werden, daß sie den (einheitlichen) Ausfuhrerstattungssatz für den Juli 1980 festlegte, der im vorliegenden Fall anzuwendende, für diesen Zeitraum voraus festgesetzte Ausfuhrerstattungssatz also 9,798 abzüglich 2,055 = 7,743 ECU/100 kg betrug (vorbehaltlich der im vorliegenden Fall nicht streitigen Berichtigung nach Maßgabe des im Monat der Ausfuhr gültigen Schwellenpreises). Ist diese Auslegung richtig, so hat das HZA mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht Ausfuhrerstattung nur in dieser Höhe gewährt.

Ob diese Auslegung richtig ist, ist zweifelhaft. Die VO Nr. 1681/80 könnte auch dahin ausgelegt werden, daß sie den Minderungsbetrag in Höhe von 2,055 ECU/100 kg unabhängig davon, ob vorausfestgesetzt worden ist oder nicht, nur für den Fall angewendet wissen wollte, daß die Ausfuhr im Juli 1980 erfolgte. Dafür spricht z.B. die VO Nr.562/86, eine Nachfolgeverordnung der VO Nr.1681/80. Im Anhang der VO Nr. 562/86 heißt es in der Fußnote, daß der festgesetzte Normalsatz "um den im Zeitpunkt der Ausfuhr für die betreffende Ware geltenden Produktionserstattungsbetrag" vermindert werden muß. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, daß die VO Nr. 562/86 das zuvor geltende System der Berechnung des Ausfuhrerstattungssatzes ändern wollte. Näher liegt es, eine Klarstellung der früheren Regelung anzunehmen. Freilich ist auch nicht auszuschließen, daß diese Neuregelung nicht den Fall der Vorausfestsetzung des Ausfuhrerstattungssatzes für Waren, bei denen eine Produktionserstattung in Betracht kam, im Auge hatte.

Für die Auffassung der Klägerinnen könnte auch Art.5 Abs.2 Unterabs.5 VO Nr. 2682/72 herangezogen werden. Durch die Verordnung (EWG) Nr. 1877/80 (VO Nr. 1877/80) des Rates vom 15.Juli 1980 (ABlEG L 184/10 vom 17.Juli 1980) sind die Produktionserstattungen u.a. für Mais zur Stärkeherstellung mit Wirkung vom 1.August 1980 verringert worden (auf 1,723 ECU/100 kg). Es stellt sich die Frage, ob diese Regelung eine "Maßnahme" i.S. des Art.5 Abs.2 Unterabs.5 Satz 1 VO Nr. 2682/72 ist, "um einschlägige bestehende Bestimmungen zu ändern". Dem Wortlaut nach kann das nicht schlechthin verneint werden, zumal es sich bei der Änderung der VO Nr. 1877/80 nicht um die Anwendung von speziellen Preisanpassungsmechanismen handelte.

Nach Art.3 Abs.1 Buchst.b VO Nr. 2730/79 ist im Falle der Vorausfestsetzung "maßgebender Zeitpunkt für ... die gegebenenfalls vorzunehmenden Berichtigungen des Erstattungssatzes ... der Tag der Ausfuhr". Falls der nach Art.4 Abs.3 VO Nr. 2682/72 vorzunehmende Abzug der Produktionserstattung eine Berichtigung i.S. des Art.3 Abs.1 Buchst.b VO Nr. 2730/79 ist, hätten die Klägerinnen mit ihren Angriffen gegen die Vorentscheidung recht. Allerdings könnte dem entgegengehalten werden, daß die Berücksichtigung der jeweiligen Produktionserstattung kein Fall der eigentlichen "Berichtigung" ist, Art.3 Abs.1 Buchst.b VO Nr. 2730/79 vielmehr nur die Fälle betrifft, in denen auch das Gemeinschaftsrecht von "berichtigen" spricht, nämlich z.B. Art.16 Abs.4 VO Nr. 2727/75, wonach der Erstattungsbetrag nach Maßgabe des im Monat der Ausfuhr gültigen Schwellenpreises zu "berichtigen" ist.

Die Klägerinnen berufen sich u.a. auch auf Art.1 Abs.2 der VO Nr. 1077/68, wonach der Erstattungsbetrag, falls die Erstattung bei der Ausfuhr im voraus festgesetzt wird, der nach dem vorangegangenen Absatz errechneten Höhe entspricht, zuzüglich oder abzüglich des etwaigen Unterschieds zwischen der Erstattung bei der Erzeugung, die im Monat der Lizenzbeantragung gewährt, und der Erstattung bei der Erzeugung, die im Ausfuhrmonat gewährt wurde. Eine ähnliche Regelung ist in Art.3 Abs.2 VO Nr. 2007/75 enthalten. Zwar unterliegt es keinem Zweifel, daß diese beiden Verordnungen im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar sind. Es ist aber nicht ohne weiteres erkennbar, warum die in den beiden Verordnungen geregelten Fälle hinsichtlich der Frage des maßgebenden Satzes für den Abzug der Produktionserstattung anders behandelt werden sollten als der vorliegende Fall.

Die Klägerinnen weisen darauf hin, daß sie die im August/September 1980 ausgeführte Ware unter Verwendung von erst nach dem 1.August 1980 unter zollamtliche Überwachung gestelltem Mais hergestellt und daher nur eine Produktionserstattung in Höhe von 1,723 ECU/100 kg erhalten hätten (vgl. VO Nr. 1877/80). Wirtschaftlich sinnvoll ist es also in der Tat nicht, den höheren Abzugsbetrag der VO Nr. 1681/80 im vorliegenden Fall anzuwenden. Dagegen kann allerdings eingewendet werden, es sei stets die Folge einer Vorausfestsetzung, daß nicht der "richtige" Satz zur Anwendung komme. Dagegen könnte wiederum geltend gemacht werden, die Vorausfestsetzung der Ausfuhrerstattung müsse nicht zwangsläufig in der Weise erfolgen, daß auch der Faktor Produktionserstattung auf den Antragszeitpunkt festgelegt wird; es kann als sinnvoller angesehen werden, nur den Normalsatz der Ausfuhrerstattung auf den bestimmten Zeitpunkt zu fixieren, davon aber die "richtige" Produktionserstattung abzuziehen, d.h. jene, die im Ausfuhrmonat gilt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61463

BFHE 146, 184

BFHE 1986, 184

HFR 1986, 377-377 (ST)

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