Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit von Feststellungsklagen; entsprechende Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO bei NZB; Gewährung von PKH
Leitsatz (NV)
1. Eine mit dem Ziel der Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage erhobene Feststellungsklage ist unzulässig.
2. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch bei Verpflichtungsbegehren möglich.
3. § 126 Abs. 4 FGO ist im NZB-Verfahren entsprechend anwendbar.
4. Die Rechtsverfolgung verspricht die für die Gewährung von PKH erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn für dessen Eintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht.
Normenkette
FGO §§ 41, 100 Abs. 1 S. 4, § 126 Abs. 4, § 142 Abs. 1; ZPO § 114
Tatbestand
I. Der nicht nach § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vertretene Antragsteller beantragt, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) für die Einlegung einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 23. Dezember 2008 14 K 189/08 zu gewähren. Diesem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 18. Juli 2008 beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--), die zum 15. Juli 2008 fällige Kfz-Steuer von 191 € zu stunden und ihre Entrichtung in drei Monatsraten ab August 2008 zu gestatten, und zwar wegen einer schweren Erkrankung seiner Ehefrau und den damit verbundenen erheblichen Kostenbelastungen. Das FA lehnte diesen Antrag ab. Dagegen legte der Antragsteller Einspruch ein.
Während des Einspruchsverfahrens erhob der Antragsteller beim FG "Feststellungsklage mit Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung", mit der er einstweiligen Rechtsschutz begehrte und für den Fall, dass die Sache durch Zahlung oder Stattgabe des Einspruchs zwischenzeitlich beendet werde, beantragte, festzustellen, "dass es rechtswidrig ist, im Krankheitsfalle keine Stundung zu gewähren", und "dass eine einjährige Vorauszahlung der Kfz-Steuer rechts- und verfassungswidrig ist, da de lege ferenda ein neues Rechtsdenken vorliegt".
Nachdem der Antragsteller die Kfz-Steuer entrichtet hatte, nahm er den Einspruch mit Schreiben vom 4. September 2008 zurück.
Zwei Wochen nach Eingang der Klage beantragte der Antragsteller beim FG, ihm PKH zu gewähren. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2008 ersuchte er das FG, "erst einmal über den PKH-Antrag zu entscheiden, denn Klage und Anordnungsantrag stehen unter dem Vorbehalt der PKH-Gewährung, was als Bedingung formuliert wurde und hiermit nochmals wiederholt wird".
Das FG behandelte den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in einem gesonderten Verfahren. Die Feststellungsklage wies es durch Gerichtsbescheid mit der Begründung ab, sie sei unzulässig, weil sie der Antragsteller mit dem Schriftsatz vom 13. Oktober 2008 unter die Bedingung der Bewilligung von PKH gestellt habe. Dies sei mit der Bedingungsfeindlichkeit einer Klage unvereinbar.
Der Antragsteller beantragte durch den Schriftsatz vom 28. November 2008 fristgerecht mündliche Verhandlung und erklärte, die "Bedingung, dass die Klage an den PKH-Antrag gebunden wurde", zurückzunehmen. Das FG wies die Klage nunmehr durch Urteil unter Wiederholung der Begründung des Gerichtsbescheids ab.
Der Antragsteller beantragte innerhalb der in § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO bestimmten Frist für die Einlegung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, ihm PKH für ein Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des FG zu gewähren, und legte ebenfalls vor Ablauf der Beschwerdefrist die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) vor. Die Klage habe nicht als unzulässig abgewiesen werden dürfen; denn ganz offensichtlich liege hier keine "bedingungsfeindliche" Prozessführung vor. Materiell sei die allgemeine Rechtsfrage zu entscheiden, ob in einem Härtefall kurzfristige Stundungen der Kfz-Steuer zu gewähren seien. Zu der Frage der Stundung bei Krankheit eines Familienangehörigen sei noch keine Entscheidung ergangen.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf Gewährung von PKH hat keinen Erfolg.
1. Es kann dahinstehen, ob für einen PKH-Antrag abweichend von der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Rechtslage (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Februar 2005 III S 17/04 (PKH), BFH/NV 2005, 1124, und vom 9. Juni 2008 V S 41/07 (PKH), BFH/NV 2008, 1855) seit der Neugestaltung des Vertretungszwangs vor dem BFH durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 2840) mit Wirkung ab 1. Juli 2008 Vertretungszwang besteht (offen BFH-Beschlüsse vom 25. September 2008 X S 39/08 (PKH), juris, und vom 28. Januar 2009 XI S 15/08 (PKH), juris; vgl. dazu Spindler, Der Betrieb 2008, 1283, und in Hübschmann/Hepp/ Spitaler --HHSp--, § 62 FGO Rz 101; Bergkemper in HHSp, § 129 FGO Rz 7; Loose, Der AO-Steuer-Berater 2008, 252, und in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 62 FGO Rz 44). Der Antrag ist jedenfalls unbegründet und daher abzulehnen.
2. Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn für dessen Eintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (BFH-Beschlüsse vom 2. September 2003 X S 2/03 (PKH), BFH/NV 2004, 342, und vom 17. März 2008 II S 24/07 (PKH), BFH/NV 2008, 1176).
3. Die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Weder aus seinem Vorbringen noch aus der Vorentscheidung oder dem sonstigen Akteninhalt ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass einer der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe für die Zulassung der Revision vorliegen könnte. Nach dieser Vorschrift ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Wenn das FG die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hätte, läge zwar ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor (BFH-Beschlüsse vom 26. Juni 2006 II B 99/05, BFH/NV 2006, 1860, und vom 27. August 2007 IV B 98/06, BFH/NV 2007, 2322, m.w.N.). Dies ist aber nicht der Fall.
a) Es ist allerdings zweifelhaft, ob das FG die Klage mit zutreffender Begründung als unzulässig angesehen hat. Eine Klage kann zwar nicht zulässig unter der Bedingung erhoben werden, dass für das Klageverfahren PKH gewährt wird (BFH-Beschlüsse vom 3. April 1987 VI B 150/85, BFHE 149, 409, BStBl II 1987, 573, und vom 3. Februar 2005 VII B 304/03, BFH/NV 2005, 1111).
Der vorliegende Fall weist aber die Besonderheit auf, dass die Klage jedenfalls nach ihrem Wortlaut zunächst unbedingt erhoben wurde. Im Hinblick darauf ist es fraglich, ob eine zunächst unbedingt erhobene Klage durch nachträgliche Erklärung wirksam unter die Bedingung gestellt werden kann, dass PKH gewährt wird. Bejaht man dies übereinstimmend mit der Ansicht des FG, stellt sich ferner die vom FG nicht erörterte Frage, ob die vom Antragsteller im Schreiben vom 28. November 2008 erklärte Rücknahme der Bedingung ebenfalls wirksam ist und welche Folgen sich daraus ergeben.
b) Dies kann aber auf sich beruhen; denn auch bei zutreffender Handhabung der verfahrensrechtlichen Vorschriften wäre die Entscheidung des FG nicht anders ausgefallen (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Juli 2007 IV B 69/06, BFH/NV 2007, 2297). § 126 Abs. 4 FGO, wonach die Revision zurückzuweisen ist, wenn die Entscheidungsgründe des finanzgerichtlichen Urteils zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts ergeben, sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig darstellt, ist im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision entsprechend anwendbar (BFH-Beschlüsse vom 26. September 2007 VII B 75/07, BFH/NV 2008, 126; vom 8. Februar 2008 VII B 156/07, BFH/NV 2008, 967, und vom 16. Juli 2008 X B 25/08, BFH/NV 2008, 1673).
c) Die vom Antragsteller erhobene Feststellungsklage ist unter keinem Gesichtspunkt zulässig.
aa) Nach § 41 Abs. 1 FGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Die Feststellung kann gemäß § 41 Abs. 2 FGO nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
Unter "Rechtsverhältnis" i.S. des § 41 Abs. 1 FGO ist die sich aus einem konkreten Sachverhalt ergebende, aufgrund von Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen zu verstehen. Die begehrte Feststellung braucht sich nicht auf das Rechtsverhältnis als Ganzes zu beziehen, sondern kann sich auf einzelne Berechtigungen oder Verpflichtungen beschränken, die aus einem umfassenden Rechtsverhältnis erwachsen. Nicht feststellungsfähig sind hingegen einzelne Vorfragen oder Elemente eines Rechtsverhältnisses (BFH-Urteil vom 23. September 1999 XI R 66/98, BFHE 190, 278, BStBl 2000, 533).
bb) Die Feststellungsanträge des Antragstellers sind danach unzulässig.
aaa) Das Begehren des Antragstellers, festzustellen, "dass es rechtswidrig ist, im Krankheitsfalle keine Stundung zu gewähren", betrifft kein konkretes Rechtsverhältnis, sondern eine abstrakte Rechtsfrage, die nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO nur in einem Verfahren geklärt werden kann, das auf die Verpflichtung eines Finanzamts zur Stundung einer Steuer nach § 222 der Abgabenordnung (AO) gerichtet ist, und zwar unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles.
bbb) Die Frage, ob die in § 11 Abs. 1 und 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes getroffene Regelung, nach der die Kfz-Steuer, wenn sie im Jahr nicht mehr als 500 € beträgt, für die Dauer eines Jahres im Voraus zu entrichten ist, verfassungsgemäß ist, kann ebenfalls nicht isoliert in einem Feststellungsverfahren nach § 41 Abs. 1 FGO, sondern nur im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Bescheid geklärt werden, durch den der Jahresbetrag der Steuer und dessen Fälligkeit bestimmt werden.
cc) Eine Klage auf Feststellung, dass die Ablehnung der beantragten Stundung rechtswidrig gewesen sei, hat der Antragsteller nicht erhoben.
Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist im Übrigen zwar nicht nur in Anfechtungssachen, sondern auch bei Verpflichtungsbegehren möglich. Dies gilt auch im Falle der Überprüfung einer Ermessensentscheidung jedenfalls dann, wenn der Kläger schlüssig vorträgt, es liege eine Ermessensreduzierung auf Null vor (BFH-Urteil vom 29. Januar 2003 XI R 82/00, BFHE 201, 399, BStBl II 2003, 550). Die Fortsetzungsfeststellungsklage setzt aber in entsprechender Anwendung des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO voraus, dass sich der Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt hat.
Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Der Bescheid des FA über die Ablehnung der Stundung hat sich nicht erledigt, sondern wurde durch die Rücknahme des Einspruchs des Antragstellers bestandskräftig. Die Folgen der Ablehnung der Stundung insbesondere hinsichtlich der Entstehung von Säumniszuschlägen (§ 240 AO) blieben daher unberührt.
4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Fundstellen