Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbösernde Änderungsfestsetzung
Leitsatz (NV)
Ist eine verbösernde kraftfahrzeugsteuerrechtliche Änderungsfestsetzung wegen Ermittlungsmängeln oder mangelnder Erheblichkeit der neuen Tatsache ausgeschlossen, so kann sie, falls kraftfahrzeugsteuerrechtlich geboten, bezogen auf einen unbefristeten KraftSt-Bescheid jedenfalls mit Wirkung für künftige Entrichtungszeiträume erfolgen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer solchen Festsetzung bestehen insoweit nicht.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2; KraftStG § 6; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Im Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) streiten die Beteiligten über eine Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung und im Zusammenhang damit über die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Einstufung eines von dem Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) gehaltenen Kraftfahrzeugs (PKW oder LKW) ab 30. August 1991. Das FG hat die Vollziehung des auf §173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Änderungsbescheides des Antragsgegners und Beschwerdeführers (Finanzamt -- FA --) vom 13. Dezember 1995 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom 7. November 1996 antragsgemäß "für die Dauer der Rechtshängigkeit der Haupt sacheklage ... in Höhe von ... DM" ausgesetzt und sich hinsichtlich des Sachverhalts im einzelnen lediglich auf die Einspruchsentscheidung, "die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze" bezogen. Begründet hat es seinen Beschluß -- auch hinsichtlich der Vollziehungsaussetzung der Änderungsfestsetzung für die Zukunft -- so, wie seine Entscheidung, die dem Senatsbeschluß vom 29. Juli 1997 VII B 90/97 vorangegangen war.
Gegen den Beschluß des FG richtet sich die von diesem zugelassene Beschwerde des FA. Sie ist auf die gleichen Gründe gestützt wie das Rechtsmittel der beschwerdeführenden Finanzbehörde im Verfahren VII B 90/97 (BFH/NV 1998, 16).
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (zur Zulässigkeit der Zurückverweisung im Beschwerdeverfahren Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, §132 Anm. 10, §143 Anm. 8). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Änderungsfestsetzung (§69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) ergeben sich zwar, soweit die Neuveranlagung frühere Entrichtungszeiträume unter Einschluß des laufenden Entrichtungszeitraums betrifft, nicht jedoch im übrigen (hinsichtlich künftiger Entrichtungszeiträume). Die erforderliche Abgrenzung, die allein auf Grund der Vorentscheidung nicht möglich ist, und die danach zu treffende Entscheidung ist dem FG zu überlassen.
Die rückwirkende Änderung begegnet, wie vom FG im Ergebnis zutreffend entschieden, Bedenken, die eine Vollziehungsaussetzung insoweit rechtfertigen (zur Begründung Senatsbeschluß in VII B 90/97 -- fehlende Ursächlichkeit der Unkenntnis der Fahrzeugbeschaffenheit bei der früheren Veranlagung). Keine durchgreifenden Bedenken bestehen indessen gegen eine kraftfahrzeugsteuerrechtlich etwa gebotene Änderung für die Zukunft.
In seinem Urteil vom 10. Dezember 1991 VII R 10/90 (BFHE 166, 395, 398, BStBl II 1992, 324), auf das sich die Vorinstanz für ihre gegenteilige Auffassung stützt, hat der Senat zwar erkannt, daß die Änderung eines Kraftfahrzeugsteuerbescheides auch für die Zukunft ausscheidet, wenn der Berufung auf neue Tatsachen der Grundsatz von Treu und Glauben entgegensteht. Diese Aussage bezieht sich jedoch auf Fälle, in denen der amtlichen Ermittlungspflicht nicht genügt worden ist, was das FG nicht angenommen hat. Sie ist zudem dahin einzuschränken, daß eine Änderung für die Zukunft bei einem Kraftfahrzeugsteuerdauerbescheid nur bezüglich eines noch nicht abgeschlossenen laufenden Entrichtungszeitraums zu unterbleiben hat. Da die Kraftfahrzeugsteuer (als Steuerzahlungsschuld; Senat, Urteil vom 9. Februar 1993 VII R 12/92, BFHE 170, 300, 302, BStBl II 1994, 207) bei fortlaufenden Entrichtungszeiträumen mit Beginn des jeweiligen Entrichtungszeitraums entsteht (§6 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes) -- also jeweils neu --, ist eine der Rechtslage entsprechende Neu- bzw. Änderungsfestsetzung möglich. Der Dauerbescheid hat bezüglich jedes Entrichtungszeitraums des durch die Haltung begründeten Kraftfahrzeugsteuertatbestandes dieselbe Wirkung wie sie hierfür erlassenen Einzelsteuerbescheiden zukäme. Dies rechtfertigt es, für die Änderung gemäß §173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 an den jeweiligen Beginn eines Entrichtungszeitraums anzuknüpfen (ebenso Egly/Mößlang, Kraftfahrzeugsteuer, 3. Aufl. 1981, S. 326, und die überwiegende finanzgerichtliche Rechtsprechung).
Fundstellen
Haufe-Index 66506 |
BFH/NV 1998, 90 |