Entscheidungsstichwort (Thema)
Anbringung eines Richterablehnungsgesuchs wegen Besorgnis der Befangenheit
Leitsatz (NV)
Ein Richterablehnungsgesuch i. S. der §§ 51 FGO und 44 ZPO liegt nicht vor, wenn ein Beteiligter zwar Bedenken gegen die Unabhängigkeit und Unbefangenheit eines Richters geltend macht, jedoch keinen zusammenfassenden, eindeutig auf Ablehnung zielenden Antrag stellt und auch sonst nicht erkennen läßt, daß der betreffende Richter in dem laufenden Verfahren nicht mehr mitwirken soll.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1, § 51; ZPO § 44
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hatte im Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid 1980 für den Kläger und Revisionskläger (Kläger) anstelle der beantragten 3 600 DM nur 720 DM als abziehbare Unterhaltsaufwendungen berücksichtigt. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) hatte sich der Prozeßbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 8. März 1982 gegen die Ablehnung eines Fristverlängerungsantrags durch den Berichterstatter des für die Streitsache zuständigen Senats, Richter am Finanzgericht A, gewandt. Eingangs des betreffenden Schreibens ist ausgeführt: ,,Wegen der Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Berichterstatters, des Richters am Finanzgericht A, bestehen erhebliche Bedenken." Im folgenden ist dargelegt, weshalb aus der Sicht des Klägers die Frist hätte verlängert werden müssen. Der Klägervertreter kommt letztlich zu dem Ergebnis, daß aus dem Streitfall selbst heraus eine derartige Verfahrensbeschleunigung nicht gerechtfertigt gewesen sei; es müsse daher vermutet werden, daß für die Ablehnung des Fristverlängerungsantrags ,,statistische Gründe maßgebend sind, die allein in der Person des Berichterstatters ihre Rechtfertigung haben können". Schließlich nimmt der Klägervertreter noch Stellung zu einem mit der Ablehnung des Fristverlängerungsantrags verbundenen Hinweis auf die Erfolglosigkeit des Klageverfahrens. Er betont in diesem Zusammenhang, daß es sich bei der von A mitgeteilten Beurteilung wohl nur um die Ansicht des Berichterstatters und nicht des gesamten Senats handeln könne, und schließt seine Ausführungen wie folgt: ,,Sollte allerdings daraus der Schluß zu ziehen sein, daß für die abschließende Entscheidung des Senats in voller Besetzung es lediglich auf die Ansicht des Berichterstatters ankommt, dann dürfte wohl die sich ergebende Rechtssicherheit eines Kollegialgerichts in Frage gestellt sein."
In der mündlichen Verhandlung vor dem FG war der Kläger weder vertreten noch persönlich anwesend. Das FG hat den Schriftsatz des Klägervertreters vom 8. März 1982 in dem klagabweisenden Urteil, das auch von A unterzeichnet ist, lediglich im Zusammenhang mit der Mitwirkungspflicht des Klägers gemäß § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gewürdigt.
Die gegen das FG-Urteil eingelegte Revision hat der Kläger damit begründet, daß ,,in einem nicht ordnungsgemäßen Verfahren ein Richter mitgewirkt hat, gegen den ein Befangenheitsantrag gestellt worden ist, über den zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht entschieden worden war".
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
1. Die Revision ist nicht statthaft. Denn der Wert des Streitgegenstandes übersteigt eindeutig nicht 10 000 DM (Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -) und das FG hat die Revision nicht zugelassen. Auch liegt kein Fall der Zulässigkeit der Revision gemäß § 116 FGO vor.
Nach § 116 Abs. 1 FGO bedarf es einer Zulassung zur Einlegung der Revision insbesondere dann nicht, wenn als wesentliche Verfahrensmängel gerügt werden, daß das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (Nr. 1) oder daß bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war (Nr. 2). Die Rüge des Klägers kann unter keine der beiden Vorschriften subsumiert werden.
a) § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO kommt nicht in Betracht, weil die dort normierte Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des FG nicht auch den Fall deckt, daß an der angefochtenen Entscheidung des FG in der Hauptsache ein Richter mitgewirkt hat, welcher ohne Erfolg abgelehnt worden war. Für die Fälle der Richterablehnung ist § 116 Abs. 1 Nr. 2 FGO die maßgebende Sonderregelung (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. November 1981 GrS 1/80, Abschn. C II Nr. 3 b, aa, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217).
b) Im Streitfall ist die Revision aber auch nicht nach § 116 Abs. 1 Nr. 2 FGO statthaft. Diese Vorschrift verlangt in ihrer für die vorliegende Streitsache einschlägigen 2. Alternative, daß ein Richterablehnungsgesuch gestellt und diesem - ggf. in einem selbständigen Zwischenverfahren - auch entsprochen worden ist (BFH-Urteil vom 22. Januar 1985 VIII R 303/81, BFHE 143, 247, BStBl II 1985, 363, Nr. 1 der Entscheidungsgründe).
Der Kläger hat jedoch beim FG ein solches Ablehnungsgesuch i. S. der §§ 51 FGO und 44 der Zivilprozeßordnung nicht angebracht. Im Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 8. März 1982 wurden zwar Bedenken gegen die Unabhängigkeit und Unbefangenheit des A geltend gemacht. Doch ist kein zusammenfassender, eindeutig auf eine Ablehnung zielender Antrag gestellt worden. Auch läßt der Inhalt des Schreibens nicht erkennen, daß A nach dem Willen des Klägers in dessen Verfahren wegen Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1980 künftig nicht mehr mitwirken sollte (vgl. hierzu auch das BFH-Urteil vom 18. März 1970 I R 98/68, BFHE 98, 503, BStBl II 1970, 425). Der Kläger geht vielmehr von einer weiteren Mitwirkung des A aus. Dafür spricht insbesondere der Umstand, daß im Schreiben vom 8. März 1982 abschließend die besondere Bedeutung der die Finanzgerichtsbarkeit auszeichnenden Entscheidungszuständigkeit eines Richterkollegiums (§ 5 Abs. 3 FGO) hervorgehoben wird. Der Kläger äußert in diesem Zusammenhang die Hoffnung, daß es bei der Urteilsfindung durch fünf Richter nicht allein auf die Ansicht des Berichterstatters ankommen werde.
2. Bei dieser Rechts- und Sachlage braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Kläger die Revision auch hinreichend begründet hat (§ 120 Abs. 2 FGO). Sie ist bereits wegen fehlender Statthaftigkeit als unzulässig zu verwerfen (§§ 124, 126 Abs. 1 FGO).
Fundstellen