Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung; Abzug von Aufwendungen für politische Anzeigen als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (NV)
Macht der Beschwerdeführer geltend, der Rechtsfrage, ob §33 EStG verfassungskonform dahingehend auszulegen sei, daß die Aufwendungen des einzelnen Bürgers im Rahmen einer individuellen politischen Betätigung -- politische Meinungsäußerungen im Wege von privat finanzierten Zeitungsanzeigen -- zumindest als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig seien, wenn es sich insoweit nicht um Spenden oder Beiträge an politische Parteien handele, so genügt die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Regelung den Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes ebensowenig wie der weitere Hinweis darauf, die Rechtsfrage sei bislang höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt.
Normenkette
EStG §§ 10b, 12 S. 1, § 33 Abs. 1-2, § 34g; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 S. 1
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist durch Beschluß zu verwerfen (§132 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Die Beschwerde behauptet die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, ob §33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verfassungskonform dahingehend auszulegen sei, daß auch Aufwendungen im Rahmen einer politischen Betätigung des einzelnen Bürgers abzugsfähig seien, die nicht Spenden oder Beiträge an politische Parteien darstellen.
Die Beschwerde legt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage jedoch nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dar (§115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 FGO).
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. von §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 31. August 1995 VIII B 21/93, BFHE 178, 379, BStBl II 1995, 890, unter Ziff. II. der Gründe, ständige Rechtsprechung).
Zur ordnungsgemäßen Darlegung dieses Zulassungsgrundes muß die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage eingehen und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit deutlich gemacht werden. Sie muß darlegen, inwieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist. Das gilt auch, wenn die grundsätzliche Bedeutung auf einen Verstoß gegen das Grundgesetz gestützt wird. Die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift reicht nicht aus (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 27. März 1992 III B 547/90, BFHE 168, 17, BStBl II 1992, 842, unter Ziff. 2. b der Gründe, m. w. N.). Insbesondere reicht es nicht vorzutragen, die Rechtsfrage sei höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt.
Die Beschwerde stellt zum einen die steuerrechtlichen Regelungen (vgl. §§10 b, 34 g EStG) mit ihrem Regelungsinhalt und vor allem den sachlichen Hintergrund sowie die in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Parteienfinanzierung, auf denen sie beruhen, nicht näher dar (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 9. April 1992 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 f., BStBl II 1992, 766 f., m. w. N.). Die Beschwerde geht ebensowenig auf die Frage ein, inwieweit es von Verfassungswegen geboten sein kann, über die Berücksichtigung des Existenzminimums hinaus im Sinne des sog. subjektiven Nettoprinzips (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 25. September 1992 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BStBl II 1993, 413, unter Ziff. C. I. 2. der Gründe; ferner Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, §2 Rdnr. A 129 f.; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., §2 Rz. 11, m. w. N.) und abweichend von §12 Satz 1 EStG der privaten Lebensführung zuzurechnende Aufwendungen steuerlich zu berücksichtigen. §12 EStG schreibt vor, daß Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringen, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen, soweit in den §§10 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 bis 9, §10 b und §§33 bis 33 c EStG nichts anderes bestimmt ist.
Die Beschwerde geht auch nicht auf die Tatbestandsvoraussetzungen des §33 EStG ein und deren Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. zu den Merkmalen der Außergewöhnlichkeit und der Zwangsläufigkeit z. B. Urteil des erkennenden Senats vom 22. Oktober 1996 III R 265/94, BFHE 182, 352, BStBl II 1997, 558).
Die Beschwerde behauptet zwar, nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) wirkten die Parteien lediglich bei politischen Willensbildungen des Volkes mit. Deshalb bleibe auch der einzelne Bürger zu einer solchen Mitwirkung berechtigt.
Daraus leitet die Beschwerde, allerdings ohne nähere Ausführungen, eine verfassungswidrige steuerrechtliche Ungleichbehandlung bei der Geltendmachung von im Zusammenhang mit dieser Mitwirkung entstehenden Aufwendungen ab. Art. 3 Abs. 1 GG kann abgesehen von einem willkürlichen Verhalten des Gesetzgebers vor allem dann verletzt sein, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß diese die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (Beschluß des BVerfG vom 7. Oktober 1980 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72, 88; von Münch/Kunig, Kommentar zum Grundgesetz, 4. Aufl., Art. 3 Rz. 14). Die Beschwerde macht zu diesem Prüfungsmaßstab keine inhaltlichen Ausführungen. Überdies fehlen jegliche Darlegungen, inwieweit der Gleichheitssatz bei der Verteilung staatlicher Vergünstigungen anwendbar ist im Sinne eines Gebotes gleicher Begünstigung und ob der einzelne einen Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Handeln des Gesetzgebers aus Art. 3 Abs. 1 GG herleiten kann (vgl. Gubelt in von Münch/Kunig, a. a. O., Art. 3 Rz. 14, m. w. N.).
Keinerlei Darlegungen enthält die Beschwerde schließlich zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage im Allgemeininteresse. Es liegt keineswegs auf der Hand, daß einzelne Bürger zur Wahrnehmung ihrer verfassungsrechtlich verbürgten Rechte auf Mitwirkung an der Willensbildung des Volkes in nennenswertem Umfang Aufwendungen in einer Form tätigen, die eine steuerrechtliche Berücksichtigung nach geltendem Recht nicht zuläßt.
Von einer weiteren Begründung wird nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 154173 |
BFH/NV 1999, 646 |