Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung von bebauten und unbebauten Grundstücken
Leitsatz (NV)
Die für die Abgrenzung zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken maßgebliche Zumutbarkeit der bestimmungsgemäßen Nutzung eines Gebäudes zum Feststellungszeitpunkt richtet sich auch im Beitrittsgebiet nach dessen tatsächlichem Zustand und nicht danach, ob eine formal erforderliche Nutzungsgenehmigung vorliegt, oder nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der Gebäudenutzung.
Normenkette
BewG § 72 Abs. 3, § 129 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines im Beitrittsgebiet belegenen Grundstücks, auf dem sich ein ursprünglich als Arbeiterwohnheim genutztes und am 1. Januar der Jahre 1991 und 1998 teilweise vermietetes Gebäude befindet. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) bewertete das Grundstück als Geschäftsgrundstück und stellte den Einheitswert auf diese Stichtage im Sachwertverfahren fest. Das Finanzgericht (FG) stellte als Grundstückshauptgruppe "gemischt genutztes Grundstück" fest und wies die auf Aufhebung der Einheitswertbescheide gerichtete Klage im Übrigen nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Beauftragung eines weiteren Sachverständigen, der sich allerdings zur erbetenen Angabe von Vergleichsmieten nicht in der Lage sah, mit der Begründung ab, der Grundbesitz sei entgegen der Ansicht der Klägerin als bebautes Grundstück zu bewerten. Auch wenn man den Rechtsgedanken der im Beitrittsgebiet nach § 129 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht anwendbaren Vorschrift des § 72 Abs. 3 BewG über Grundstücke mit zerstörten oder dem Verfall preisgegebenen Gebäuden anwende, sei der Grundbesitz nicht als unbebaut zu bewerten. Das Gebäude sei zu den maßgebenden Stichtagen nach dem sächsischen Baurecht benutzbar gewesen. Es handle sich allerdings um ein gemischt genutztes Grundstück, das im Ertragswertverfahren zu bewerten sei. Die danach errechneten Einheitswerte seien höher als die vom FA festgestellten Einheitswerte.
Die Klägerin stützt ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie auf Verfahrensmängel.
Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Klägerin hat die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht hinreichend dargelegt.
1. Um das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) hinreichend darzulegen, muss in der Beschwerdebegründung ebenso wie zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (BFH-Beschluss vom 1. September 2004 II B 156/03, BFH/NV 2005, 71).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hat in ihren Ausführungen das BFH-Urteil vom 14. Mai 2003 II R 14/01 (BFHE 202, 371, BStBl II 2003, 906), das zur Rechtslage im Beitrittsgebiet ergangen ist, nicht berücksichtigt. Nach dieser Entscheidung bestimmt sich die Abgrenzung zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken nach der Zumutbarkeit der bestimmungsgemäßen Gebäudenutzung zum Feststellungszeitpunkt. Ob es zumutbar ist, ein Gebäude zu benutzen, richtet sich nach seinem tatsächlichen Zustand und nicht danach, ob eine formal erforderliche Nutzungsgenehmigung vorliegt, oder nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit einer Gebäudenutzung. Ein Raum ist auf Dauer nicht benutzbar, wenn ein zu seiner Benutzung erforderlicher Gebäudeteil zerstört ist oder wenn der Raum oder Gebäudeteil sich in einem Zustand befindet, der aus Gründen der Bau- oder Gesundheitsaufsicht eine dauernde, der Zweckbestimmung entsprechende Benutzung des Raumes nicht gestattet. Dabei ist es unerheblich, ob der Raum tatsächlich benutzt wird.
Die Klägerin hat nicht begründet, inwiefern der Streitfall eine weitere Klärung der Rechtslage erfordern soll und es nicht nur um die Abgrenzung von bebauten und unbebauten Grundstücken im Einzelfall geht.
2. Die Klägerin hat auch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) nicht hinreichend dargelegt. Sie rügt der Sache nach keine Abweichung des Urteils des FG von den von ihr angeführten BFH-Entscheidungen im Grundsätzlichen durch Gegenüberstellung von voneinander abweichenden, die jeweilige Entscheidung tragenden Rechtssätzen, sondern lediglich eine unzutreffende Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Einzelfall. Einen Grund für die Zulassung der Revision macht die Klägerin damit nicht geltend (BFH-Beschlüsse vom 4. Mai 2005 XI B 225/03, BFH/NV 2005, 1603; vom 30. Mai 2005 X B 149/04, BFH/NV 2005, 1618; vom 31. Mai 2005 III B 143/04, BFH/NV 2005, 1632, und vom 8. Juni 2005 X B 16/05, BFH/NV 2005, 1621, je m.w.N.).
3. Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) hat die Klägerin ebenfalls nicht in zulässiger Weise dargelegt.
Soweit sie vorbringt, das FG hätte den Sachverhalt weiter aufklären müssen, fehlen bereits Ausführungen zu einem möglichen Rügeverlust gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung durch ihr Verhalten in der mündlichen Verhandlung vor dem FG (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 19. Januar 2005 II B 27/04, BFH/NV 2005, 913, und vom 29. Juni 2005 VI B 120/04, BFH/NV 2005, 1848, m.w.N.). Mit ihren Einwendungen gegen die Beweiswürdigung des FG macht die Klägerin keine Verfahrensmängel, sondern materiell-rechtliche Fehler geltend (BFH-Beschluss vom 31. Mai 2005 VIII B 294/03, BFH/NV 2005, 1832, m.w.N.).
Den Ausführungen der Klägerin lässt sich auch keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) entnehmen. Dieses Recht verpflichtet das Gericht nur dazu, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber auch dazu, der Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch einen Beteiligten zu folgen (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Tz. 123, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1461763 |
BFH/NV 2006, 254 |