Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrstufiges Feststellungsverfahren bei Treuhand-Kommanditisten; zur Rechtsbehelfsbefugnis; steuerrechtlicher Fortbestand einer gelöschten GmbH
Leitsatz (NV)
1. Beteiligen sich mehrere Personen über einen Treuhänder am Vermögen einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, werden grundsätzlich zwei Gewinnfeststellungen durchgeführt. In dem ersten Feststellungsverfahren wird festgestellt, welchen Gewinn die Personengesellschaft erzielt hat und wie sich dieser auf ihre Gesellschafter verteilt. In einer weiteren Feststellung wird der für den Treuhänder festgestellte Gewinnanteil auf die Treugeber aufgeteilt.
2. Handelt es sich um ein offenes Treuhandverhältnis, können beide Gewinnfeststellungen miteinander verbunden werden. Auf ei nen besonderen Feststellungsbescheid kann verzichtet werden, wenn gegen ein solches Verfahren keine Einwendungen erhoben werden und kein schutzwürdiges Interesse an der Durchführung getrennter Verfahren besteht. Unbeschadet dieser verfahrensrechtlichen Möglichkeiten richtet sich die Rechtsbehelfsbefugnis hinsichtlich der einzelnen Feststellungen allein danach, an welchen Adressaten sie sich unmittelbar richten und wer durch sie direkt betroffen ist.
3. Sind die Gewinnfeststellungsverfahren gestuft vorgenommen worden, so können ausschließlich die Gesellschafter gegen den die Personengesellschaft betreffenden Bescheid erster Ebene Rechtsbehelfe einlegen und klagen. Die Treugeber können in dieses Verfahren weder als Kläger noch mit Hilfe einer Beiladung eingreifen. Daran ändert auch das Ergehen zusammengefaßter Gewinnfeststellungsbescheide nichts.
4. Ein Durchgriff der Treugeber in das Gewinnfeststellungsverfahren erster Ebene für die Personengesellschaft ist sowohl für den Fall einer Beendigung des Treuhandverhältnisses als auch für den Fall des Ausscheidens des Treuhand-Kommanditisten ausgeschlossen.
Normenkette
AO 1977 § 34 Abs. 3, § 155 Abs. 2, § 162 Abs. 3, § 175 Abs. 1 Nr. 1, § 179 Abs. 1, 2 Sätze 1-2, § 180 Abs. 1 Nr. 2a, § 182 Abs. 1, § 183 Abs. 2 Sätze 1-2; FGO § 40 Abs. 2, § 48 Abs. 1, § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, § 128 Abs. 3; EStG § 16 Abs. 3; AktG § 273 Abs. 4; BGB §§ 673, 675; GmbHG § 35 Abs. 1; LöschG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) war neben . . . weiteren Beteiligten seit 1973 Treugeber der C-GmbH, die bis zum 31. Dezember 1984 als Treuhänderin Kommanditistin der Firma P-GmbH & Co. KG (P-KG) gewesen ist.
Als Komplementärin war die S-GmbH und als weitere Kommanditistin die R-GmbH beteiligt. Der Betrieb der P-KG ging ohne Liquidation und unter Übernahme sämtlicher Aktiven und Passiven auf die R-GmbH mit Ablauf des Jahres 1984 über.
Am 25. März 1985 ist die P-KG und am 21. November 1986 sind die S-GmbH und die R-GmbH sowie die C-GmbH wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. Oktober 1934 -- LöschG -- (RGBl I, 914) von Amts wegen in den Handelsregistern gelöscht worden.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) stellte im Anschluß an eine bei der P-KG durchgeführte Außenprüfung (Betriebsprüfungs-Bericht vom 1. Juni 1989) die Besteuerungsgrundlagen für 1984 für die P-KG mit gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändertem Feststellungsbescheid vom 31. März 1992 einheitlich und gesondert fest und gab den Bescheid u. a. dem ehemaligen Alleingesellschafter und alleinigen Geschäftsführer der C-GmbH -- X -- bekannt. Da die Treugeber ihre negativen Kapitalkonten in dem Zeitpunkt der Auflösung der P-KG auf den 31. Dezember 1984 nicht ausgleichen mußten, stellte das FA in Höhe der negativen Kapitalkonten und der anteiligen stillen Reserven einen steuerpflichtigen Aufgabegewinn gemäß § 16 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes fest.
Auf der Grundlage dieses Feststellungsbescheides erließ das FA am 31. März 1992 für die beiden Beteiligungen des Antragstellers zwei Feststellungsbescheide, in denen es die ihm als Treugeber zuzurechnenden Besteuerungsgrundlagen, einschließlich des anteiligen Aufgabegewinns einheitlich und gesondert feststellte.
Die vom Antragsteller gegen diese Feststellungsbescheide eingelegten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 1993 als unbegründet zurück. Es führt u. a. aus, der Gewinnfeststellungsbescheid erster Ebene vom 31. März 1992 sei dem ehemaligen Alleingesellschafter der C-GmbH wirksam bekanntgegeben worden. Dieser Feststellungsbescheid sei mithin als Grundlagenbescheid für die gegen den Antragsteller als Treugeber ergangenen Feststellungsbescheide zweiter Ebene vom 31. März 1992 als Folgebescheide gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977 bindend. Über die dagegen vom Antragsteller erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.
Den Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung der Feststellungsbescheide zweiter Ebene vom 31. März 1992 lehnte das FA mit Verfügung vom 30. März 1993 ab. Das FG setzte den Vollzug dieser Feststellungsbescheide mit Beschluß vom 1. Februar 1994 in vollem Umfang aus. Es bestünden ernsthafte Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der angefochtenen Feststellungsbescheide, weil die gegen die Rechtmäßigkeit des Grundlagenbescheides (Gewinnfeststellungsbescheid erster Ebene) erhobenen Einwendungen nicht unbeachtlich seien. Der Feststellungsbescheid erster Ebene habe infolge der Auflösung der C-GmbH nicht deren ehemaligen Alleingesellschafter, sondern entsprechend § 183 Abs. 2 AO 1977 sämtlichen Treugebern bekanntgegeben werden müssen. Die C-GmbH habe die Treugeber nicht mehr wirksam vertreten können, ihre gesetzliche Prozeßstandschaft sei weggefallen. Eine Bestellung eines Nachtragsliquidators für die C-GmbH sei hier überflüssig gewesen, weil die an der P-KG beteiligt gewesenen Kapitalgesellschaften vom Inhalt des Feststellungsbescheides erster Ebene gar nicht mehr betroffen gewesen seien. Fehle es insoweit an einem wirksamen Grundlagenbescheid, seien auch die angefochtenen Feststellungsbescheide als Folgebescheide mit einem wesentlichen Mangel behaftet. Der Treugeber dürfe dann Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid selber geltend machen, wenn der Treuhänder rechtlich nicht mehr existent sei.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde, welcher das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend, es sei nach dem Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 15. Januar 1987 IV B 95/86 (BFH/NV 1987, 659) verfahren. Die den Treugebern bekanntgegebenen Feststellungsbescheide seien zusammengefaßte einheitliche Gewinnfeststellungen sowohl für die Haupt- als auch für die Unterbeteiligungsgesellschaft, soweit die Treugeber der C-GmbH von den Feststellungen hätten betroffen werden können. Das FG gehe insoweit von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Die angefochtenen Feststellungsbescheide enthielten lediglich nicht sämtliche, die P-KG betreffenden Besteuerungsgrundlagen, insbesondere nicht die Beteiligungsverhältnisse der Unterbeteiligungsgesellschaften.
Da die Treugeber die Höhe des Gewinns der P-KG und dessen Verteilung nicht hätten anfechten dürfen, hätten diese Besteuerungsgrundlagen auch nicht in dem zusammengefaßten einheitlichen Feststellungsbescheid für 1984 aufgeführt werden müssen. Eine Bekanntgabe des Grundlagenbescheides an die C-GmbH im Wege der Nachtragsliquidation sei entbehrlich gewesen. Im übrigen sei der Grundlagenbescheid ordnungsgemäß an den ehemaligen Geschäftsführer der C-GmbH bekanntgegeben worden (analog § 74 Abs. 1 oder Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -- GmbHG --). Deren ehemaliger Gesellschafter habe mit Schreiben vom 2. Januar 1986 dem FA mitgeteilt, noch ausstehende Steuerbescheide für die C-GmbH an die X-GmbH zu übersenden. Letzteres sei noch im Jahr 1990 (Schreiben vom 17. September 1990) unter der Bezeichnung "C-Treukapital" per Rundschreiben an alle Treugeber heran getreten und habe sie vom Ergebnis der bei der P-KG durchgeführten Außenprüfung unterrichtet.
Das FA beantragt, den Beschluß des FG vom 1. Februar 1994 aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet abzuweisen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Zu Recht führe das FG aus, es hätte kein mehrstufiges Feststellungsverfahren durchgeführt werden dürfen. Mit der Löschung der Treuhandgesellschaft im Handelsregister sei der zwischen der C-GmbH und den einzelnen Treugebern abgeschlossene entgeltliche Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 Satz 1 i. V. m. § 673 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) beendet worden. Rechtsbeziehungen hätten somit nur noch zwischen den Treugebern und der P-KG bestanden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das FG hat die Beschwerde gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassen.
Das FG hat die Vollziehung der an den Antragsteller ergangenen Gewinnfeststellungsbescheide zweiter Ebene im Ergebnis zu Recht ausgesetzt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO).
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung dieses Bescheides anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (BFH-Beschluß vom 12. November 1992 XI B 69/92, BFHE 170, 106, BStBl II 1993, 263 m. w. N., ständige Rechtsprechung).
1. Beteiligen sich mehrere Personen -- wie im Streitfall -- über einen Treuhänder am Vermögen einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, werden grundsätzlich zwei Gewinnfeststellungen durchgeführt (BFH-Urteil vom 1. Oktober 1992 IV R 130/90, BFHE 170, 36, BStBl II 1993, 574, 576; Urteil des erkennenden Senats vom 17. November 1987 VIII R 83/84, BFHE 152, 230, 231). In dem ersten Gewinnfeststellungsverfahren gemäß §§ 180 Abs. 1 Nr. 2 a, 179 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 AO 1977 wird festgestellt, welchen Gewinn die Personengesellschaft erzielt hat und wie sich dieser Gewinn auf ihre Gesellschafter, also einschließlich des Treuhänder-Kommanditisten, verteilt. In einer weiteren Gewinnfeststellung wird nach § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 der für den Treuhänder festgestellte Gewinnanteil auf die Treugeber aufgeteilt. Der Gewinnfeststellungsbescheid für die Personengesellschaft ist Grundlagenbescheid für das Gewinnfeststellungsverfahren der Treugeber und gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977 bindend, sofern er dem Treuhänder wirksam bekanntgegeben worden ist (§§ 124 Abs. 1 Satz 1, 122 Abs. 1 Satz 1 AO 1977).
Handelt es sich um ein offenes Treuhandverhältnis, können beide Gewinnfeststellungen miteinander verbunden werden. Auf einen besonderen Feststellungsbescheid gemäß § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 kann verzichtet werden, wenn gegen ein solches Verfahren keine Einwendungen erhoben werden und kein schutzwürdiges Interesse an der Durchführung getrennte Verfahren besteht (BFH-Urteil vom 10. August 1989 III R 5/87, BFHE 158, 109, BStBl II 1990, 38, 39 m. w. N.). Unbeschadet dieser verfahrensrechtlichen Möglichkeiten richtet sich die Rechtbehelfs befugnis hinsichtlich der einzelnen Feststellungen allein danach, an welchen Adressaten sie sich unmittelbar richten und wer durch sie direkt betroffen ist (§§ 40 Abs. 2, 48 Abs. 1 FGO).
Sind die Gewinnfeststellungsverfahren gestuft vorgenommen worden, so können ausschließlich die Gesellschafter gegen den die Personengesellschaft betreffenden Gewinnfeststellungsbescheid erster Ebene Rechtsbehelfe einlegen und klagen. Die Treugeber können in dieses Verfahren weder als Kläger (BFH-Urteile vom 13. März 1986 IV R 208/84, BFH/NV 1987, 627, 628; vom 13. März 1986 IV R 204/84, BFHE 146, 340, BStBl II 1986, 584, 585, und vom 24. Mai 1977 IV R 47/76, BFHE 122, 400, BStBl II 1977, 737) noch mit Hilfe einer Beiladung (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 28. August 1990 VIII B 25/90, BFHE 161, 429, BStBl II 1990, 1072, 1073) eingreifen.
Hieran ändert sich auch bei Ergehen zusammengefaßter Gewinnfeststellungsbescheide nichts; denn das Klagerecht nach § 48 Abs. 1 FGO stellt auf das konkret bestehende Gesellschaftsverhältnis ab. Ein solcher Bescheid faßt zwar einheitliche Gewinnfeststellungen zusammen, die jedoch nach ihrem Gegenstand selbständig sind (BFHE 146, 340, BStBl II 1986, 584, 585; BFH/NV 1987, 627, 628).
Ein Durchgriff der Treugeber in das Gewinnfeststellungsverfahren erster Ebene für die Personengesellschaft ist sowohl für den Fall einer Beendigung des Treuhandverhältnisses (vgl. BFH-Beschluß vom 28. März 1979 I B 78/78, BFHE 128, 8, BStBl II 1979, 607, 608) als auch für den Fall des Ausscheidens des Treuhand-Kommanditisten und der Treugeber verneint worden (vgl. FG-Hamburg, Urteil vom 27. Februar 1981 I 23/80, Entscheidungen der Finanzgerichte 1981, 578; Revision durch Beschluß des BFH vom 30. März 1983 I R 110/81, nach Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs als unbegründet zurückgewiesen worden, vgl. EFG 1983, 433, Nr. 593/1981).
Durch die Beendigung des Treuhandverhältnisses, sei es durch einvernehmliche Aufhebung, sei es durch Erlöschen einer juristischen Person als Treuhänderin (§§ 675, 673 BGB; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 52. Aufl., § 673 Rz. 3), werden die Treugeber nicht anstelle des Treuhänders Gesellschafter der Personengesellschaft. Ebensowenig geht die Rechtsstellung des Treuhänders auf die Treugeber über (BFH-Beschluß vom 10. November 1977 IV B 33--34/76, BFHE 123, 412, BStBl II 1978, 15; Anmerkung von Martens in Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 114, Rechtsspruch 25 Ziff. 2). Ist die Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft Gegenstand eines Treuhandverhältnisses, schließt der Treuhänder, auch wenn es sich um ein offenes Treuhandverhältnis handelt, den Gesellschaftsvertrag im eigenen Namen ab. Er allein wird Träger aller Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag. Der Treugeber ist zivilrechtlich in keiner Beziehung Gesellschafter. Zwischen ihm und der Personengesellschaft bzw. den anderen Gesellschaftern bestehen keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen, sondern allein auf schuldrechtlicher Grundlage, regelmäßig eines als Geschäftsbesorgungsvertrag anzusehenden Treuhandvertrages, mit dem Treuhänder (BFH-Urteile vom 10. Dezember 1992 XI R 45/88, BFHE 170, 487, BStBl II 1993, 538, 540, und vom 21. April 1988 IV R 47/85, BFHE 153, 545, BStBl II 1989, 722, 724). Ebenso fehlt es im Falle des Ausscheidens des Treuhänders an der erforderlichen unmittelbaren Rechtsbeziehung des Treugebers zur Personengesellschaft.
Die Beschränkung der Klagebefugnis analog § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO auf den Treuhänder dient u. a. dem Zweck zu verhindern, daß Personen, die nach den Vorschriften des Gesellschaftsrechts kein Recht auf Einblick in die Geschäftsbücher und Bilanzen des Unternehmens haben, anläßlich eines Steuerstreits ein solches Recht erwerben (Beschluß in BFHE 161, 429, BStBl II 1990, 1072, 1073). Dieser Zweck würde verfehlt, wenn etwa bei fortbestehender KG allein wegen der Löschung der GmbH als Treuhand-Kommanditistin oder auch bei Beendigung des Treuhandverhältnisses die gesellschaftsrechtlichen Befugnisse in vollem Umfang auf die Treugeber übergingen. Der Antragsteller war aber nicht gehindert geltend zu machen, daß der geänderte Feststellungsbescheid erster Ebene für die P-KG, der Grundlage für die gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geänderten Feststellungsbescheide zweiter Ebene war, nicht wirksam bekanntgegeben worden sei. Werden die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 bestritten, so wird damit ein Mangel des Folgebescheides unmittelbar geltend gemacht, der im Rahmen der Begründetheit der gerichtlichen Klage zu prüfen ist (vgl. BFH-Urteile vom 15. April 1988 III R 26/85, BFHE 153, 98, BStBl II 1988, 660; vom 25. März 1986 III B 6/85, BFHE 146, 225, BStBl II 1986, 477).
2. a) Im Streitfall ist erkennbar kein zusammengefaßter Feststellungsbescheid für 1984 ergangen. Es fehlen die erforderlichen Feststellungen zu den gesamten Besteuerungsgrundlagen der P-KG und die Gewinnverteilung auf deren ehemalige Gesellschafter. Die Gewinnverteilung auf der Ebene der P-KG wirkt sich jedoch auf den für die C-GmbH als Treuhänderin festgestellten Anteil zwangsläufig aus.
Die vom FA im Beschwerdeverfahren erstmals aufgestellte Behauptung, diese Bescheide seien sinngemäß als zusammengefaßte einheitliche Gewinnfeststellungsbescheide zu behandeln, ist weder nach deren Inhalt noch nach dem in den angefochtenen Feststellungsbescheiden zum Ausdruck gebrachten Regelungswillen gerechtfertigt. Die vom Antragsteller angefochtenen Feststellungsbescheide für 1984 vom 31. März 1992 nehmen in Teil "B. Erläuterungen" auf das für die P-KG durchgeführte Gewinnfeststellungsverfahren und den darin "bestandskräftig" ermittelten und auf den Treugeber entfallenden Anteil Bezug. Außerdem wird das Feststellungsverfahren auf die Ebene der Treugeber und deshalb auf die Verteilung des im zuvor genannten Feststellungsverfahren festgestellten Verlustes/Gewinnes ausdrücklich beschränkt.
b) Zutreffend ist das FG von einer nicht ordnungsgemäßen Bekanntgabe des Feststellungsbescheides für 1984 vom 31. März 1992 bezüglich der P-KG durch die Zustellung an den ehemaligen Alleingesellschafter und Geschäftsführer der im Handels register zu diesem Zeitpunkt bereits gelöschten C-GmbH ausgegangen.
Mit der Umwandlung der P-KG auf die R-GmbH war die KG handels- und steuerrechtlich vollbeendet (Urteile des erkennenden Senats vom 8. Oktober 1991 VIII R 85/88, BFH/NV 1992, 324, 325 m. w. N.; vom 23. Oktober 1990 VIII R 142/85, BFHE 162, 99, BStBl II 1991, 401, 402).
Nach Vollbeendigung der KG sind die die Feststellungszeiträume der noch bestehenden KG betreffenden Feststellungsbescheide den ehemaligen Gesellschaftern der KG, soweit die Feststellungen die Zeit ihrer Zugehörigkeit als Gesellschafter betreffen, einzeln bekanntzugeben (§ 183 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO 1977; Urteil des erkennenden Senats vom 27. April 1993 VIII R 27/92, BFHE 171, 392, BStBl II 1994, 3, 4).
Wird eine GmbH von Amts wegen im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 2 Abs. 1 LöschG gelöscht, so kommt dem nur deklaratorische Bedeutung zu. Steuerrechtlich wird eine GmbH solange als fortbestehend angesehen, wie steuerrechtliche Abwicklungsmaßnahmen notwendig werden, und zwar auch solche, die ein zu verteilendes Vermögen nicht voraussetzen. Zu diesen Abwicklungsmaßnahmen gehört u. a. die Entgegennahme von Steuerbescheiden für die gelöschte GmbH (Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 34 AO 1977 Rz. 60; Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung,. 15. Aufl., § 122 AO 1977 Rz. 13; Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 122 Rz. 16) oder die Beteiligung an einem Verfahren, z. B. durch notwendige Beiladung (BFH-Urteil vom 26. März 1980 I R 111/79, BFHE 130, 477, BStBl II 1980, 587, 588). Ihre Beteiligtenfähigkeit wird durch die Löschung nicht berührt. Allerdings verliert der bisherige gesetzliche Vertreter (§ 35 Abs. 1 GmbHG) seine Vertretungsbefugnis. Die GmbH wird mangels eines vertretungsberechtigten Organs prozeßunfähig (BFH-Beschluß vom 18. Februar 1993 X B 165/92, BFH/NV 1994, 214, 215; Urteil vom 18. März 1986 VII R 146/81, BFHE 146, 492, BStBl II 1986, 589, 590).
Die GmbH bedarf jedoch zu ihrer recht lichen Vertretung eines gesetzlichen Ver treters. Werden nach der Löschung im Handelsregister weitere Abwicklungsmaßnahmen notwendig, so lebt die Vertretungsbefugnis eines früheren Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans bzw. eines Liquidators nicht von selbst wieder auf. Vielmehr muß entsprechend § 273 Abs. 4 des Aktiengesetzes auf Antrag vom Registergericht ein Nachtragsliquidator bestellt werden, der insoweit auch die steuerrechtlichen Pflichten zu erfüllen hat (§ 34 Abs. 3 AO 1977; BFH/NV 1994, 214, 215; BFHE 146, 492, BStBl II 1986, 589; BFH-Urteil in BFHE 130, 477, BStBl II 1980, 587, 588; ferner ebenso der Bundesminister der Finanzen in dem in Übereinstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder ergangenen Schreiben zur Bekanntgabe von schriftlichen Verwaltungsakten vom 8. April 1991 IV A 5 -- S 0284 -- 1/91, BStBl I 1991, 398, Ziff. 2.9.2.2).
Der infolge nicht wirksamer Bekanntgabe des Gewinnfeststellungsbescheides für die P-KG nicht bindend (§ 182 Abs. 1 AO 1977) festgestellte Gewinnanteil der C- GmbH als Treuhand-Kommanditistin ist auch nicht entsprechend § 155 Abs. 2, § 162 Abs. 3 i. V. m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 lediglich vorläufig im Schätzungswege in den ausgesetzten Feststellungsbescheiden zweiter Ebene angesetzt worden. § 155 Abs. 2 AO 1977 gestattet nach seinem Wortlaut ("noch nicht") und dem Sinn und Zweck dieser Regelung nur vorläufige Maßnahmen (BFH-Urteil vom 20. September 1989 X R 8/86, BFHE 158, 205, BStBl II 1990, 177, 178 mit umfangreichen Nachweisen). Die Zuständigkeit für eine solche vorläufige Entscheidung einer in das gesonderte Feststellungsverfahren gehörenden Feststellung kann nur in Anspruch genommen werden, solange darüber noch nicht in einem Feststellungsbescheid entschieden worden ist (vgl. BFHE 153, 98, BStBl II 1988, 660; BFH-Urteil vom 26. Juli 1983 VIII R 28/79, BFHE 139, 335, BStBl II 1984, 290).
Das FA ist in den angefochtenen Feststellungsbescheiden zweiter Ebene vom 31. März 1992 nach der eigenen Begründung zu diesen Bescheiden (Teil B. Erläuterungen) vom Vorliegen eines wirksamen Grundlagenbescheides für die P-KG ausgegangen und einer sich hieraus ergebenden Verpflichtung zur Änderung der Feststellungsbescheide zweiter Ebene als Folge bescheide gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977. Aus diesem Grunde kann von einer nur vorläufigen Entscheidung über eine in das gesonderte Feststellungsverfahren erster Ebene gehörenden Frage nicht gesprochen werden (vgl. auch Tipke/Kruse, a.a.O., § 155 AO 1977 Rz. 9, wonach sich § 155 Abs. 2 AO 1977 nur auf den ursprünglichen Grundlagenbescheid bezieht).
Anders als in dem vom IV. Senat des BFH im Urteil in BFH/NV 1987, 627, 628 entschiedenen Fall handelt es sich im Streitfall bei dem Gewinnfeststellungsbescheid erster Ebene für die P-KG nicht um einen Erstbescheid, sondern um einen gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Bescheid. Entfaltet der Änderungsbescheid mangels wirksamer Bekanntgabe jedoch keine Bindungswirkung, so blieb der ursprüngliche Gewinnfeststellungsbescheid für die P-KG vom 7. Januar 1987 wirksam.
Fundstellen
Haufe-Index 420504 |
BFH/NV 1995, 759 |