Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum einheitlichen Vertragswerk

 

Leitsatz (NV)

1. Daß bezugsfertige Sondereigentumseinheiten erworben worden sind, kann sich aus dem Inhalt des Treuhandvertrages ergeben, der einerseits die Grundlage für sämtliche das Projekt betreffenden Rechtshandlungen darstellt und andererseits die rechtliche Verflechtung aller dieser Rechtshandlungen bewirkt.

2. Entscheidend ist, ob die Vereinbarungen, die der Erwerber eingegangen ist und die unter sich verflochten sind, sich schon dem Gegenstand nach unter Berücksichtigung aller Umstände der durch sie erstrebten Rechtswirkungen darauf richten, dem Erwerber einen einheitlichen Leistungsgegenstand zu verschaffen, nämlich ein bebautes Grundstück.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 ff.

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 29. Dezember 1983 verkaufte die Stadt X eine noch zu vermessende Teilfläche im Ausmaß von 1 539 qm an verschiedene Personen zu Bauzwecken um einen Festkaufpreis. Auf den Kl. sollten von diesem Kaufpreis entsprechend dem erworbenen Grundstücksanteil von . . . . . . DM entfallen. In der Urkunde verpflichteten sich die Käufer der Stadt gegenüber, innerhalb bestimmter Frist mit der Bebauung des Grundstücks mit einem Mehrfamilienhaus nebst Garagen zu beginnen und diesen Bau zu vollenden. Die Stadt behielt sich das Recht vor, von dem Vertrag einseitig zurückzutreten und die Rückauflassung des Grundstücks zu verlangen, wenn die Bebauungsverpflichtung nicht fristgemäß erfüllt würde. Die Auflassung wurde am 27. Februar 1984 erklärt.

Vor Abschluß des Kaufvertrages hatte der Kl. - ebenso wie die anderen Erwerber - das Angebot einer GmbH, das diese in notariell beurkundeter Form am 16. Dezember 1983 den Bauherren der Bauherrengemeinschaft . . . als jeweiligen Treugebern gemacht hatte, angenommen. Nach den Vorbemerkungen des Treuhandvertrages will der Treugeber ,,zusammen mit weiteren Bauherren jeweils im eigenen Namen und für eigene Rechnung eine noch zu vermessende Teilfläche . . . erwerben und darauf das Bauvorhaben . . . bestehend aus . . . Wohnungseinheiten, . . . PKW-Garagen sowie . . . PKW-Stellplätzen im Freien schlüsselfertig errichten lassen". Die GmbH sollte zur Erleichterung der rechtlichen und wirtschaftlichen Abwicklung des Vorhabens als Treuhänder eingeschaltet werden. Der voraussichtliche Gesamtaufwand für Grundstück, Gebäude und Außenanlagen sollte . . . DM betragen, der den Treugeber daraus treffende Anteil war aus einer der Urkunde als Bestandteil beigefügten Anlage zu ersehen. Der Treugeber beauftragte die GmbH, die Rechte und Interessen des Treugebers beim Erwerb der Grundstücksmiteigentumsanteile und bei Errichtung und Finanzierung der entsprechenden Einheiten in umfassender Weise wahrzunehmen. Dazu sollten insbesondere gehören:

1. Gründung der Bauherrengemeinschaft durch Abschluß eines Gesellschaftsvertrages, dessen Entwurf Bestandteil der Urkunde ist, und zur Vertretung in dieser,

2. Abschluß von Kaufverträgen und Auflassung,

3. Abgabe der zur Teilung nach § 3 WEG erforderlichen Erklärungen einschließlich Gemeinschaftsordnung, Verwaltervertrag usw.,

4. Aufnahme von Darlehen und deren Sicherung,

5. Abschluß von Werkverträgen zur Erstellung des Bauvorhabens sowie von Verträgen über Architekten- und Ingenieurleistungen,

weiter der Abschluß von Verträgen über die wirtschaftliche und finanzielle Betreuung, eines Bürgschaftsvertrages, eines Zinsgarantievertrages, eines Finanzierungsvermittlungsvertrages und andere Verträge.

Die GmbH erklärte, daß sie vor Schließung der Bauherrengemeinschaft bzw. Planungs- und Finanzierungssicherheit für das beabsichtigte Bauvorhaben weder den Gesellschaftsvertrag unter den Bauherren noch den Grundstückskaufvertrag sowie den Werkvertrag abschließen werde. Die Entscheidung über die Vergabe des Bauwerks oblag dem pflichtgemäßen Ermessen des Treuhänders.

Der Treugeber war verpflichtet, der GmbH zur Durchführung des Treuhandvertrages Vollmacht zu erteilen. Weiter war er verpflichtet, sein Eigenkapital von . . . v.H. des voraussichtlichen Gesamtaufwandes auf Anforderung der GmbH rechtzeitig einzuzahlen. Weiter verpflichtete sich der Treugeber, für die Dauer des Treuhandverhältnisses ohne Zustimmung des Treuhänders keine Verfügungen über den Grundbesitz zu treffen. Mit Zustimmung des Treuhänders sollte der Treugeber über seine Rechte aus dem Treuhandvertrag verfügen können, ,,wenn und soweit er über seinen Grundstücksanteil und seinen Gesellschaftsanteil an der Bauherrengemeinschaft gleichzeitig und in gleicher Weise verfügt und wenn alle Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag sowie aus den Verträgen jedes Bauherrn mit den verschiedenen Vertragspartnern vom nachfolgenden Bauherrn in gleicher Weise eingegangen und die in dieser Urkunde niedergelegten Vollmachten in gleicher Weise erteilt werden". Die GmbH war ihrerseits verpflichtet, bei sämtlichen abzuschließenden Verträgen die Bauherrn nur entsprechend ihrer Beteiligung zu verpflichten.

Die GmbH war zur fristlosen Kündigung des Treuhandverhältnisses berechtigt, wenn der Treugeber seinen Verpflichtungen, insbesondere der zur Einzahlung des Eigenkapitals, nicht nachkommen sollte. Im Falle der Kündigung durch die GmbH sollte diese zur Vertretung des Treugebers bei allen Maßnahmen berechtigt sein, ,,die zum Ausscheiden des Treugebers aus der Bauherrengemeinschaft und zur Übertragung des Grundstücksanteils des Treugebers auf einen anderen Treugeber erforderlich sind". Nach dem Inhalt des Entwurfs des Gesellschaftsvertrages, der für den Abschluß durch die GmbH verbindlich war, konnte ein Bauherr aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn er seinen Verpflichtungen, insbesondere den finanziellen Verpflichtungen, nicht nachkommen sollte, der Treuhandauftrag gekündigt wurde oder der Bauherr in Vermögensverfall geraten sollte. In diesen Fällen war die GmbH als gemeinsamer Vertreter ermächtigt, nach pflichtgemäßem Ermessen den Ausschluß zu erklären und einen neuen Bauherren als Nachfolger in die Gesellschaft aufzunehmen. Im Falle seines Ausschlusses war der ausgeschiedene Gesellschafter verpflichtet, seinen Miteigentumsanteil lastenfrei auf den neuen Gesellschafter zu übertragen und die GmbH ermächtigt, diese Übertragung durchzuführen.

Im Zuge der Annahme des Treuhandvertragsangebots haben die einzelnen Annehmenden die umfassende Vollmacht in notariell beurkundeter Form erteilt.

Das FA war der Auffassung, es liege ein auf den Erwerb von fertigem Wohnraum gerichtetes einheitliches Vertragswerk vor. Es kürzte den auf den Kl. entfallenden Gesamtaufwand um seiner Meinung nach nicht der grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung zuzuordnende Posten und setzte mit Bescheid vom 29. Januar 1985 gegen den Kl. GrESt in Höhe von . . . DM fest.

Einspruch und damit verbundener Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hatten keinen Erfolg.

Gleichzeitig mit der Klageerhebung hat der Kl. beantragt, die Vollziehung des GrESt-Bescheids insoweit auszusetzen, als die Steuerfestsetzung auf einer den Grundstückskaufpreis übersteigenden Gegenleistung beruht.

Das FG hat dem Antrag stattgegeben. Der Kl. hätte lediglich gegenüber der Stadt einen Grundstücksübereignungsanspruch erworben. Es sei nicht feststellbar, daß ein Dritter an dem Grundstück die Verwertungsbefugnis erlangt habe.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde beantragt das FA, den Vollziehungsaussetzungsantrag unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des FG zur Abweisung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung.

Entgegen der Auffassung des FG ist die Aussetzung der Vollziehung der GrESt- Bescheide nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO nicht geboten. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß bezugsfertige Sondereigentumseinheiten erworben wurden. Dies ergibt sich aus dem Inhalt des Treuhandvertrages, der einerseits die Grundlage für alle das Projekt betreffenden Rechtshandlungen darstellt und andererseits die rechtliche Verflechtung aller dieser Rechtshandlungen darstellt. Denn dem einzelnen Erwerber war es durch den Zwang zum Abschluß des Treuhandvertrages als Zugangsvoraussetzung zum Grundstückskaufvertrag nur möglich, ein weitgehend vorformuliertes komplettes Vertragswerk anzunehmen, das ihn nur bei absoluter Vertragstreue letztendlich in den Genuß einer fertiggestellten Sondereigentumseinheit bringen sollte.

Entgegen der Auffassung des FG kann im Rahmen der grunderwerbsteuerrechtlichen Würdigung die Frage des Gegenstandes des Erwerbsvorganges nicht damit beantwortet werden, daß der Grundstücksübereignungsanspruch sich nur gegen die Veräußerin richtet, nicht aber gegen andere Vertragsparteien. Entscheidend ist vielmehr, ob die Vereinbarungen, die der Erwerber eingegangen ist, und die unter sich verflochten sind, sich schon dem Gegenstand nach unter Berücksichtigung aller Umstände der durch sie erstrebten Rechtswirkung darauf richten, ihm einen einheitlichen Leistungsgegenstand, nämlich ein bebautes Grundstück, zu verschaffen. Im Hinblick darauf, daß der Miteigentumsanteil bei mangelnder Erfüllung aller sonstigen Verpflichtungen herauszugeben war und die Treuhandgesellschaft zur Durchführung der Herausgabe ermächtigt und bevollmächtigt war, bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, daß die Vereinbarungen der Sache nach auf diesen einheitlichen Leistungsgegenstand bezogen waren.

Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 18. September 1985 II B 24- 29/85 (BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627) ausgeführt hat, muß demjenigen, der - wie der tatsächliche Ablauf erweist - die Rechtsmacht innehat, ein Projekt dieser Art anzubieten, das Grundstück notwendigerweise vom Eigentümer ,,an die Hand" gegeben worden sein, und kommt es - entgegen der Ansicht des FG - auf den Weg dieser Bindung im Ergebnis nicht an. Denn auch insoweit beweist der tatsächliche Ablauf, daß der Anbieter bestimmen kann, wer dem Grundstückseigentümer gegenüber als Käufer - den jener zu aktzeptieren hat - auftritt. Der Treuhänder, der sich dieser Einbindung des Grundstückseigentümers nicht vergewissert hat, ist nicht - wie im vorliegenden Fall - in der Lage, dem erwerbenden Treugeber gegenüber die Verpflichtung zum Abschluß des Kaufvertrages über ein bestimmtes Grundstück einzugehen. Außerdem liegt es in der Natur der Sache, daß die bis zur Projektreife erforderlichen Aufwendungen nur gemacht werden, wenn der Grundstückseigentümer sich einverstanden erklärt hat, jeden vom Anbieter präsentierten Käufer anzunehmen.

Für den Umfang der GrESt-Schuld des Erwerbers ist es auch belanglos, wer derjenige ist, der wahrhaft die Rechtsmacht innehat, dem Erwerber den nach dem Gesamtinhalt der Vertragsvereinbarungen geschuldeten einheitlichen Leistungsgegenstand zu verschaffen, wozu er sich unter gleichzeitiger (verdeckter) Abtretung seiner diesem gegenüber bestehenden Ansprüche auch des Grundstückseigentümers bedient. Die dadurch entstehende grunderwerbsteuerrechtlich erhebliche Beziehung zwischen Grundstückseigentümer und Erwerber bestimmt wegen der Einbettung des Kaufvertrages in das Vertragswerk nicht für sich den Gegenstand des der GrESt unterliegenden Erwerbsvorgangs, der von der übergeordneten Leistungspflicht zur Verschaffung einer fertiggestellten Teileigentumseinheit geprägt wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415273

BFH/NV 1989, 45

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge