Entscheidungsstichwort (Thema)
Glaubhaftmachung der den Antrag auf Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen
Leitsatz (NV)
1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann in Betracht kommen, wenn der verspätete Eingang eines Schriftsatzes bei Gericht etwa auf eine Betriebsstörung oder -unterbrechung des Telefaxgerätes zurückzuführen ist, die der Absender nicht zu vertreten hat.
2. Der schlüssige Vortrag der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründenden Tatsachen ist durch die Vorlage präsenter Beweismittel glaubhaft zu machen. Dafür ist selbst eine eidesstattliche Versicherung des Anwalts oder des Steuerberaters dann nicht ausreichend, wenn weitere Mittel zur Glaubhaftmachung zur Verfügung stehen.
Normenkette
FGO § 56; ZPO § 294 Abs. 2
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhoben gegen den Einkommensteuer bescheid für 1991 Klage, mit der sie die Berücksichtigung des geltend gemachten höheren Pauschbetrages für Behinderte begehrten.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Das Urteil wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 27. November 1995 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 8. Januar 1996, der am 10. Januar 1996 bei dem FG einging, haben die Kläger Revision eingelegt, die sie auf § 116 Abs. 1 Nrn. 1 und 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützen. Zugleich haben sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Fristversäumnis beantragt. Sie behaupten, ohne Verschulden verhindert gewesen zu sein, die gesetzliche Frist einzuhalten. Am 27. Dezember 1995 sei ab 18.36 Uhr und später nochmals ab 23.18 Uhr versucht worden, die Revision dem FG per Telefax zu über mitteln. Eine Verbindung sei jedoch nicht zustande gekommen. Dies könne durch Zeugnis und eidesstattliche Versicherung sowie durch die Telefaxprotokolle für die Sendezeiten 23.16 Uhr bis 23.18 Uhr und den vorherigen Sendeversuch durch das Telefaxprotokoll für die Zeit von 22.53 Uhr belegt werden.
Die Kläger rügen vorsorglich eine gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) verstoßende Besetzung des erkennenden Senats, da der Vorsitzende die Mehrheit des Senats ohne gesetzliche Grundlage beeinflussen könne.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Mit Schreiben des Vorsitzenden des erkennenden Senats vom 27. August 1996 wurde den Klägern anheimgestellt, insbesondere die im Schriftsatz vom 8. Januar 1996 angegebenen Beweismittel zur Glaubhaftmachung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bis zum 20. September 1996 beizubringen. Die Kläger haben darauf nicht geantwortet.
Entscheidungsgründe
II. Der Senat entscheidet in der Besetzung, die sich aus der von seinem Vorsitzenden getroffenen Regelung über die Mitwirkung der Senatsmitglieder an den Verfahren im Geschäftsjahr 1996 vom 21. Dezember 1995 ergibt. Diese Regelung entspricht den Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
III. Die Revision ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der in § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO vorgesehenen, mit Ablauf des 27. Dezember 1995 endenden Monatsfrist eingelegt wurde und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann.
Nach § 56 Abs. 1 FGO ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind durch präsente Beweismittel glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO, § 294 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --).
Die Kläger haben zwar einen Sachverhalt vorgetragen, bei dessen Vorliegen zumindest denkbar ist, daß sie ohne eigenes oder ihnen zurechenbares Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten gehindert waren, die Rechtsmittelfrist einzuhalten. Denn Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann in Betracht kommen, wenn der verspätete Eingang eines Schriftsatzes bei Gericht etwa auf eine Betriebsstörung oder -unterbrechung des Telefaxgerätes zurückzuführen ist, die der Absender nicht zu vertreten hat (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 14. Juli 1993 III K 13--15/93, BFH/NV 1994, 483, und vom 22. November 1994 VIII B 164/93, BFH/NV 1995, 422). Die Kläger haben jedoch versäumt, die Tatsachen zur Begründung ihres Antrags glaubhaft zu machen.
Der schlüssige Vortrag der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen ist durch die Vorlage präsenter Beweismittel glaubhaft zu machen (vgl. BFH-Beschluß vom 25. April 1995 VIII R 86/94, BFH/NV 1995, 1002, m. w. N.). Dazu genügt eine einfache Erklärung des Prozeßbevollmächtigten -- wie sie im Streitfall vorgelegt worden ist -- nicht. Selbst eine eidesstattliche Versicherung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters ist zumindest dann nicht ausreichend, wenn weitere Mittel der Glaubhaftmachung zur Verfügung stehen (vgl. BFH in BFH/NV 1995, 1002). Vorliegend fehlen insbesondere die lediglich als Beweis angebotene eidesstattliche Versicherung des Kanzleimitarbeiters des Prozeßbevollmächtigten sowie die Sendeprotokolle vom 27. Dezember 1995.
Fundstellen
Haufe-Index 421906 |
BFH/NV 1997, 420 |