Leitsatz (amtlich)
„Schenkt” die Frau dem Ehemann ein Grundstück von beträchtlichem Wert, kurz nachdem der Mann die hohen auf dem Grundstück lastenden Hypotheken abgelöst hatte, so spricht der erste Anschein nicht für eine Schenkung und eine Gegenschenkung, sondern für ein einheitliches entgeltliches Geschäft.
Normenkette
GrEStG § 3 Nr. 2; ErbStG § 3 Abs. 1 Nrn. 1-2
Tatbestand
Der Antragsteller (Beschwerdeführer) hat am 5. Mai und 29. August 1962 auf dem Grundstück seiner Frau lastende Hypotheken in Höhe von 623 000 DM abgelöst. Durch Vertrag vom 19. September 1962 erklärten die Eheleute die Schenkung und Übertragung des Grundstücks an den Mann. Nach Ermittlungen im Jahr 1966 hat das FA – Beschwerdegegner – von dem Antragsteller Grunderwerbsteuer aus einer Besteuerungsgrundlage von 623 000 DM angefordert. Nach erfolglosem Einspruch beruft sich der Antragsteller mit der Klage auf § 3 Nr. 2 GrEStG. Das FG hat die beantragte Aussetzung der Vollziehung abgelehnt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Der glaubhaft gemachte Sachverhalt (vgl. Beschluß des BFH II B 17/68 vom 23. Juli 1968, BFH 92, 440, BStBl II 1968, 589) erweckt keinen ernstlichen Zweifel (vgl. BFH-Beschlüsse III B 9/66 vom 10. Februar 1967, BFH 87, 477, BStBl III 1967, 182; III B 21/66 vom 30. Juni 1967, BFH 89, 92, BStBl III 1967, 533; II B 17/67 vom 24. Oktober 1967, BFH 90, 532, BStBl II 1968, 229) an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, Abs. 2 Satz 2 FGO).
Der Erwerb unterliegt der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Er wäre auf Grund des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nach näherer Maßgabe des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen, wenn und soweit er eine Grundstücksschenkung unter Lebenden im Sinne des ErbStG darstellt.
Allerdings weist der Wortlaut des Vertrags vom 19. September 1962 auf nichts anderes als auf eine Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts (§ 516 Abs. 1, § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB) und damit auch des ErbStG (§ 3 Abs. 1 Nr. 1) hin. Die Frage ist indessen, ob diese Erklärungen den Vertragswillen vollständig wiedergeben und ob sie in der rechtlichen Qualifikation des Gewollten (Schenkung) zutreffen. Die Wahrscheinlichkeit spricht dagegen.
Merkmal der Schenkung ist die Unentgeltlichkeit (§ 516 Abs. 1 BGB) oder Freigebigkeit (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Soweit eine Gegenleistung gewährt wird, liegt eine Schenkung nicht vor (allenfalls gemischte Schenkung). Dieser Gesichtspunkt schließt gegenseitige Schenkungen nicht schlechthin aus, so bei den üblichen Gelegenheitsgeschenken. Voraussetzung dafür ist aber, daß die Leistung des einen nicht von der Leistung des anderen abhängig ist und abhängig sein soll.
Bei Werten von mehr als einer halben Million Deutscher Mark spricht wenig dafür, daß zunächst der Mann die Frau, höchstens ein halbes Jahr darauf aber die Frau den Mann ohne Gegenwert bereichern wollte. Der erste Anschein spricht vielmehr dafür, daß beide Geschäfte in innerem Zusammenhang stehen und wechselseitig voneinander abhängig sein sollten. Als Konsequenz dessen wäre entweder ein Kauf (§ 433 BGB) mit schenkungsartigen Vertragsbedingungen, ein aus Kauf und Schenkung gemischtes Geschäft oder allenfalls noch eine Schenkung unter Auflage (§ 525 Abs. 1 BGB; vgl. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG) – die allerdings im engeren Sinne keine Gegenleistung ist – in Frage gekommen.
Die steuerrechtlichen Folgerungen aus diesen drei möglichen Fällen sind unterschiedlich. Eine Schenkung unter Auflage kann indessen mangels tatsächlichen Anhalts für dieses Verfahren ausgeschlossen werden. Sowohl bei einem Kauf als auch bei einer gemischten Schenkung erweist sich indessen die Besteuerung aus der Gegenleistung als gerechtfertigt (§ 10 Abs. 1 GrEStG).
Der Antragsteller hat den aus einem insoweit typischen Geschehensablauf gezogenen Schluß auf ein einheitliches Geschäft in diesem Verfahren nicht zu entkräften versucht; sein Hinweis, das Grundstück sei unbelastet auf ihn übergegangen, ist unter der Prämisse, daß der Verzicht auf die Rechte aus der Ablösung der Hypotheken und die „Schenkung” des Grundstücks ein einheitliches Geschäft seien, unerheblich. Zwar ist auch in diesem Verfahren der Steuerbescheid ohne Rüge zu überprüfen (BFH-Beschluß II B 1/67 vom 30. Mai 1967, BFH 89, 68) und ergänzend das Vorbringen der Klage heranzuziehen (vgl. BFH-Beschluß II S 3/67 vom 25. Juli 1967, BFH 89, 120, BStBl III 1967, 531). Es ist aber in diesem Verfahren nicht Sache des FG oder des BFH, aus den Akten des FA erst zu suchen, was der Antragsteller in tatsächlicher Hinsicht vielleicht vorbringen könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 557324 |
BStBl II 1969, 173 |
BFHE 1969, 357 |