Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Revisionseinlegung durch eine juristische Person
Leitsatz (NV)
- Wird ein Rechtsmittel auf dem Briefbogen einer Beratungs-GmbH eingelegt, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dieses von der juristischen Person eingelegt wurde.
- Dieser Anschein wird nicht dadurch widerlegt, dass in der Rechtsmittelschrift auf eine beigefügte Prozessvollmacht Bezug genommen wird, durch die der Geschäftsführer der Beratungs-GmbH persönlich bevollmächtigt wird und der Geschäftsführer ohne Hinweis auf seine Stellung als Vertreter der GmbH unterschrieben hat. Auch die weitere Unterzeichnung durch eine angestellte Rechtsanwältin mit dem Zusatz i.V. ist unzulässig.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1
Tatbestand
Das Finanzgericht hat der Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) teilweise stattgegeben, weil die Klägerin als Hausverwalterin nicht gewerblich tätig gewesen sei und sie so auch umsatzsteuerlich nicht als Unternehmerin einer Eigenverbrauchsbesteuerung der privaten Kfz-Nutzung unterliege. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das Urteil wurde am 13. Juni 2000 verkündet und der Klägerin am 1. September 2000 zugestellt. Dagegen hat sie Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Bis zum In-Kraft-Treten des § 62a Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) musste sich vor dem Bundesfinanzhof (BFH) ―wie auch aus der Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil hervorgeht― jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelte, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs). Nach dieser Vorschrift, die im Streitfall noch anzuwenden ist, weil die Vorentscheidung vor dem 1. Januar 2001 verkündet worden ist (Art. 4 2.FGOÄndG), sind Steuerberatungsgesellschaften von der Vertretungsbefugnis ausgeschlossen (s. etwa BFH-Beschluss vom 12. November 1976 III R 14-15/76, BFHE 120, 335, BStBl II 1977, 121; verfassungsrechtlich bestätigt durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 7. August 1978 2 BvR 26/77, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1978, 420; s. auch Senatsbeschluss vom 16. März 2000 IV B 160/99, BFH/NV 2000, 1123).
Die mit Schriftsatz vom 27. September 2000 eingelegte Beschwerde ist (aber) als Erklärung der Treuhand mbH (GmbH) und nicht als eine persönliche Erklärung der unterzeichnenden Personen, des Steuerberaters G oder der angestellten Rechtsanwältin S, anzusehen (vgl. zu Letzterer den BFH-Beschluss vom 21. März 1995 I R 115/94, BFH/NV 1995, 916).
Die Beschwerde wurde unter dem Briefkopf der GmbH eingelegt und in der "Wir-Form" abgefasst. Bei der auf dem Briefbogen einer juristischen Person abgegebenen Erklärung spricht der erste Anschein grundsätzlich für eine Erklärung der juristischen Person (BFH-Beschlüsse vom 30. April 1986 VIII R 199-201/85, BFH/NV 1986, 691). Wird die Erklärung darüber hinaus ―wie im Streitfall― in der "Wir-Form" abgefasst, so deuten Wortlaut und Erklärungsinhalt verstärkt auf eine Erklärung der Gesellschaft hin. Umstände, die diesen Beweis des ersten Anscheins mit hinreichender Deutlichkeit entkräften könnten, sind im Streitfall nicht ersichtlich; insoweit verbleibende Zweifel gehen zu Lasten der Klägerin (BFH-Beschluss vom 21. Mai 1997 I B 136/96, BFH/NV 1997, 888).
Zwar trägt das Beschwerdeschreiben die Unterschrift "G…" mit dem gleichlautenden maschinenschriftlichen Zusatz und der hinzugefügten Bezeichnung "Steuerberater". Dies erlaubt jedoch eine Umdeutung in eine eigene Erklärung des Unterzeichners schon deshalb nicht, weil der Steuerberater G ausweislich des verwendeten Briefkopfes und des gedruckten Hinweises in der Fußzeile der ersten Seite der Beschwerdeschrift Geschäftsführer und damit organschaftlicher Vertreter der GmbH ist (Beschluss des BFH vom 21. Dezember 1988 VIII R 173/84, BFH/NV 1989, 449, m.w.N.). Einer Auslegung, dass es sich um ein Schreiben der Gesellschaft handelt, steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeschrift nur von einem Geschäftsführer unterzeichnet ist, denn es ist rechtlich zulässig, dass eine GmbH durch einen von mehreren Geschäftsführern vertreten wird. Im Hinblick auf den Rechtsgrundsatz des § 164 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist im Interesse der Rechtsklarheit davon auszugehen, dass eine unter dem Briefkopf einer GmbH von deren Geschäftsführer abgegebene Erklärung mangels irgendwelcher Einschränkungen als Erklärung der GmbH angesehen werden muss (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. März 1988 X B 101/87, BFH/NV 1988, 588; vom 8. August 1986 VIII R 64/85, BFH/NV 1987, 182; vom 20. Januar 1987 VI R 28/86, BFH/NV 1987, 387). Die weitere, mit dem handschriftlichen Zusatz i.V. versehene Unterschrift der Rechtsanwältin S deutet ebenfalls darauf hin, dass die Unterzeichnende als Bevollmächtigte der GmbH und nicht der Klägerin aufgetreten ist; eine auf sie lautende Vollmacht der Klägerin wurde auch nicht vorgelegt.
Im Streitfall kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch die vorgelegte auf den Steuerberater G ausgestellte Vollmacht den Beweisanschein für die Beschwerdeerhebung durch die GmbH nicht erschüttern. Die Vollmacht als solche sagt nichts darüber aus, wer das Rechtsmittel eingelegt hat. Aus ihr kann lediglich entnommen werden, ob derjenige, der das Rechtsmittel eingelegt hat, auch dazu bevollmächtigt war (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse des BFH vom 26. April 1989 I B 60/88, BFHE 157, 17, BStBl II 1989, 701; vom 6. Dezember 1990 III R 9/90, BFH/NV 1991, 762; in BFH/NV 1986, 691, und vom 9. Dezember 1999 VIII B 106/99, BFH/NV 2000, 847).
Fundstellen
Haufe-Index 673058 |
BFH/NV 2002, 530 |