Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung an Organmitglied einer Bank bei Weiterbeschäftigung als weisungsabhängiger Arbeitnehmer nach Fusion; Darlegung von Zulassungsgründen
Leitsatz (NV)
1. Ein Übergang des Dienstvertrags eines Organmitglieds vom übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG führt zur Fortsetzung des bisherigen Dienstverhältnisses i.S. der BFH-Rechtsprechung zu § 3 Nr. 9 EStG.
2. Eine Auflösung des Dienstverhältnisses i.S. der BFH-Rechtsprechung zu § 3 Nr. 9 EStG kann nicht angenommen werden, wenn ein Dienstverhältnis als Arbeitsverhältnis zu nicht wesentlich geänderten Konditionen fortgeführt wird.
3. Zur Darlegung einer Divergenz reicht es nicht aus, wenn lediglich eine Abweichung in der Subsumtion des Einzelfalls gerügt wird.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3; EStG § 3 Nr. 9, § 24 Nr. 1, § 34; BGB § 613a; UmwG § 20 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 12.10.2006; Aktenzeichen 14 K 507/04) |
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keinen Erfolg.
1. Die Revision war nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.
a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Diese Voraussetzungen müssen in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dabei muss die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Januar 2007 VIII B 134/05, BFH/NV 2007, 890, m.w.N.). Hat der BFH bereits über die Rechtsfrage entschieden, so ist darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung für erforderlich gehalten wird und warum die bisherige Rechtsprechung nicht auf eine möglicherweise veränderte Rechtslage übertragen werden kann (z.B. BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217).
b) Die von den Klägern für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob ein Organmitglied einer genossenschaftlichen Bank, dessen Organstellung aufgehoben und das nach erfolgter Fusion mit einer übernehmenden Bank dort im Angestelltenverhältnis weiter beschäftigt wird, für eine von seinem früheren Arbeitgeber erhaltene Abfindung von 75 000 DM die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und die Steuerbegünstigung nach § 24 Nr. 1, § 34 EStG in Anspruch nehmen kann, rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Revision, weil ihre Einzelfallbezogenheit offenkundig ist. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache dient nicht dazu, das Revisionsgericht mit der Überprüfung der Entscheidung des Einzelfalls zu befassen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 1. März 2004 X B 151/02, BFH/NV 2004, 951).
c) Hinsichtlich der abstrakter formulierten Frage, ob bei einer Fusion von zwei Genossenschaften unter Berücksichtigung der Rechtsfolgen des § 20 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) von der Fortsetzung des Dienstverhältnisses eines Organmitglieds des übertragenden Rechtsträgers beim übernehmenden Rechtsträger im Sinne der Rechtsprechung des BFH zu § 3 Nr. 9 EStG ausgegangen werden kann, wenn das Organmitglied als Arbeitnehmer aufgrund eines nach der Fusion abgeschlossenen Arbeits- bzw. Anstellungsvertrags mit dem übernehmenden Rechtsträger weiterbeschäftigt wird, fehlt es an Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit.
Der BFH hat bereits entschieden, dass ein Betriebsübergang i.S. des § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses führt. Die Kläger haben nicht vorgetragen, weshalb der Übergang eines Dienstvertrags gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG nicht zur Fortsetzung des bisherigen Dienstverhältnisses führt. Ausführungen der Kläger hierzu wären insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil nicht umstritten ist, dass eine wirksame Verschmelzung nach § 20 UmwG dazu führt, dass Dienstverträge von Organmitgliedern vom übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG übergehen und lediglich die Organstellung als solche mit der Verschmelzung erlischt (vgl. z.B. Urteil des Bundesarbeitsgerichts --BAG-- vom 13. Februar 2003 8 AZR 654/01, BAGE 104, 358, m.w.N.; Semler/Stengel-Simon, UmwG § 20 Rz 56). § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ist gegenüber § 613a BGB ein Auffangtatbestand, der anzuwenden ist, wenn die Voraussetzungen des § 613a BGB nicht vorliegen, weil es beispielsweise an einem Betriebsübergang i.S. des § 613a BGB fehlt oder das Beschäftigungsverhältnis --wie im Streitfall-- kein unter § 613a BGB fallendes Arbeitsverhältnis ist (Semler/Stengel-Kübler/Simon, UmwG § 20 Rz 36 f., 56).
Auch ist in der Rechtsprechung des BFH bereits geklärt, dass eine Auflösung des Dienstverhältnisses nicht vorliegt, wenn es nach einer sog. Änderungskündigung zu nicht wesentlich geänderten Konditionen fortgeführt wird (z.B. BFH-Urteile vom 16. Juli 1997 XI R 85/96, BFHE 183, 532, BStBl II 1997, 666; vom 12. April 2000 XI R 1/99, BFH/NV 2000, 1195, beide m.w.N.). Die Kläger haben nicht substantiiert dargelegt, weshalb diese Rechtsprechung nicht auch dann anzuwenden ist, wenn ein Dienstverhältnis als Arbeitsverhältnis zu geänderten Konditionen fortgeführt wird, ohne dass zusätzlich eine Kündigungserklärung ausgesprochen wurde. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, weshalb in diesen Fällen eine Auflösung des Dienstverhältnisses angenommen werden sollte, obwohl es, ebenso wie bei einer Änderungskündigung, nicht zu einer formalen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses kommt, sondern nur zu einer Änderung der Beschäftigungsbedingungen. Die Kläger beschränken sich insoweit auf den nicht weiter substantiierten Hinweis, die von ihnen aufgeworfene Frage sei bisher obergerichtlich noch nicht geklärt, sowie auf die Bemerkung, der Streitfall sei kein Einzelfall, da im Genossenschaftswesen der Banken eine weitere Fusionswelle zu erwarten sei. Dieser Vortrag genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
2. Aus den gleichen Gründen ist die Revision auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen. Denn die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts erfordert als spezieller Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) gleichfalls die Darlegung einer klärungsbedürftigen und klärbaren Rechtsfrage (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 15. Dezember 2004 X B 48/04, BFH/NV 2005, 698; vom 14. August 2006 III B 198/05, BFH/NV 2006, 2281; vom 5. Dezember 2006 VIII B 4/06, BFH/NV 2007, 490; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 41, § 116 Rz 38).
3. Die Zulassung der Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO erforderlich.
a) Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen, wenn das angegriffene Urteil des Finanzgerichts (FG) in seinen tragenden Gründen von einer Entscheidung des BFH oder eines anderen Gerichts abweicht (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 116 Rz 41). Entgegen der Ansicht der Kläger liegt keine solche Abweichung des FG-Urteils zu den von ihnen genannten Entscheidungen des BAG vor.
In dem von den Klägern genannten BAG-Urteil in BAGE 104, 358, das auf die von ihnen ebenfalls genannten BAG-Beschlüsse vom 21. Februar 1994 2 AZB 28/93 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1995, 675) und vom 25. Juni 1997 5 AZB 41/96 (NJW 1998, 260) Bezug nimmt, heißt es wörtlich: "Ein Dienstvertrag verwandelt sich zwar bei einem … Verlust der Organstellung nicht automatisch in einen Arbeitsvertrag, weder bei einer Verschmelzung (BAG 21. Februar 1994 - 2 AZB 28/93 - AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 17 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 28 mwN) noch in sonstigen Fällen des Verlustes, zB bei einer Abberufung (BAG 25. Juni 1997 - 5 AZB 41/96 - AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 36 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 37). Die bisherige rechtliche Zuordnung eines schuldrechtlichen Vertrages zu den Vertragstypen des BGB bleibt hiervon unberührt. Das Bundesarbeitsgericht hat aber sowohl im Falle der Fusion (BAG 22. Februar 1974 - 2 AZR 289/73 - AP ArbGG 1953 § 5 Nr. 19 = EzA ArbGG § 2 Nr. 3) als auch in sonstigen Fällen des Verlustes der Organstellung darauf hingewiesen, daß mit der Vereinbarung der Weiterbeschäftigung auf einem anderen Dienstposten das Anstellungsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt wird." Sinngemäß übereinstimmend hiermit hat das FG ausgeführt (Seite 6 des Urteils): "Der Verlust der Organstellung infolge einer Verschmelzung führt … grundsätzlich … nicht zur Umwandlung des Dienst- in ein Arbeitsverhältnis. Etwas anderes gilt hingegen, wenn das Dienstverhältnis nach Beendigung der Organstellung als Arbeitsverhältnis fortgesetzt wird, beispielsweise das frühere Organmitglied nunmehr --wie andere Arbeitnehmer auch-- den Weisungen der Organmitglieder des übernehmenden Rechtsträgers unterliegt."
b) Hinsichtlich der BFH-Urteile in BFHE 183, 532, BStBl II 1997, 666, und in BFH/NV 2000, 1195, auf die sich das angegriffene FG-Urteil ausdrücklich bezieht, machen die Kläger keine Abweichung im Grundsätzlichen geltend, sondern wenden sich lediglich gegen die Abweichung in der Subsumtion des Einzelfalls und damit gegen die materielle Richtigkeit. Das reicht zur ordnungsgemäßen Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes jedoch nicht aus (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24, 45, 55 sowie § 116 Rz 42, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1891431 |
BFH/NV 2008, 376 |