Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Verlust des Ablehnungsrechts
Leitsatz (NV)
Ein Beteiligter am finanzgerichtlichen Verfahren verhält sich rechtsmißbräuchlich, wenn er Tatsachen, die ihm schon vor Rechtshängigkeit bekannt waren, erst in der geraume Zeit nach Klageerhebung stattfindenden mündlichen Verhandlung unter dem Gesichtspunkt der Richterablehnung geltend macht. Wenn er bei solcher Sach lage rügelos mit dem später abgelehnten Richter korrespondiert und diesem gegenüber Anträge stellt, verliert er außerdem sein Ablehnungsrecht nach § 51 Abs. 1 FGO i. V. m. § 43 ZPO.
Normenkette
FGO § 51; ZPO §§ 42-43
Verfahrensgang
Tatbestand
Am 20. August 1992 hat der Prozeßbevollmächtigte (P) der Beschwerdeführer in deren Namen eine formularmäßige, vom 13. April 1992 datierende Untätigkeitsklage beim Finanzgericht (FG) eingereicht, die durch Vorbescheid vom 27. Oktober 1992 unter Bezugnahme auf den Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. Mai 1992 III B 138/92 (BFHE 167, 303, BStBl II 1992, 673) wegen Rechtsmißbrauchs als unzulässig verworfen wurde. An der Entscheidung wirkte u. a. der Vorsitzende Richter am FG A mit.
Nachdem P am 4. Dezember 1992 Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, Klageermäßigung angekündigt und außerdem mit A wegen Akteneinsicht korrespondiert hatte, wurde am 2. März 1993 Termin zur mündlichen Verhandlung auf 22. März 1993 anberaumt. Die Ladung hierzu wurde P am 4. März 1993 zugestellt.
Im Termin überreichte P einen Schriftsatz vom 19. März 1993, der u. a. ein gegen A gerichtetes Befangenheitsgesuch enthielt. Die Sache wurde vertagt, das Befangenheitsgesuch durch Beschluß vom 16. Februar 1994 abgelehnt.
Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, verfolgt P im Namen der Beschwerdeführer das Befangenheitsgesuch unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 19. März 1993 weiter. Eine zusätzliche Begründung ist zwar angekündigt, aber nicht eingereicht worden.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Im Ergebnis zu Recht haben die Beschwerdeführer mit ihrem Ablehnungsgesuch keinen Erfolg gehabt. Es war unzulässig.
Schon der äußere Zeitablauf zeigt, daß es bei der Berufung auf § 51 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. den §§ 41 ff. der Zivilprozeßordnung (ZPO) nicht darum ging, die Beschwerdeführer, wie dies die ausschließliche Zielsetzung dieser Regelung ist, vor Parteilichkeit oder sonstiger Unsachlichkeit zu schützen, sondern um Zeitgewinn: Die Ablehnung wurde erst in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, obgleich alle im Gesuch geltend gemachten Ablehnungsgründe, soweit sie überhaupt konkretisierbar sind und einen Sachbezug erkennen lassen, lange zurücklagen und P jedenfalls seit Juli 1992, also vor Rechtshängigkeit, bekannt waren. Darin liegt ein Rechtsmißbrauch, der einer Sachentscheidung über das Gesuch entgegensteht (vgl. Gräber/Koch, Kommentar zur FGO, 3. Aufl., 1993, § 51 Rz. 28 m. w. N.).
Da P sich außerdem während des Klageverfahrens dem Senat des FG und auch seinem Vorsitzenden A gegenüber wiederholt rügelos eingelassen hat, verbietet sich eine Sachprüfung und -entscheidung hinsichtlich der bisher geltend gemachten Ablehnungsgründe auch nach § 51 Abs. 1 FGO i. V. m. § 43 ZPO (Gräber, a. a. O., Rz. 32 m. w. N.).
Sonstige (neue) Ablehnungsgründe sind nicht geltend gemacht worden.
Fundstellen
Haufe-Index 424380 |
BFH/NV 1995, 905 |