Leitsatz (amtlich)
Vor der Auferlegung der besonderen Gebühr nach § 140 Abs. 1 FGO und § 47 GKG hat das Gericht gemäß Art. 103 Abs. 1 GG der betroffenen Partei ausreichende Gelegenheit zu geben, sich zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen zu äußern.
Normenkette
FGO § 140 Abs. 1; GKG § 47; GG Art. 103 Abs. 1
Tatbestand
Nachdem der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die ihm von der Geschäftsstelle des FG zur Vorlage der Prozeßvollmacht und zur Einreichung der Klagebegründung gesetzte Frist versäumt hatte, wurden er und der Kläger zur mündlichen Verhandlung geladen. Am Tage vor dem Verhandlungstermin gingen die Vollmacht und die Klagebegründungsschrift beim FG ein. Zur mündlichen Verhandlung erschien lediglich der Vertreter des beklagten FA. Dieser stellte nach Entgegennahme einer Ausfertigung der Klagebegründung den Antrag, die Sache zur weiteren Vorbereitung zu vertagen. Das FG entsprach dem Antrag. Es erlegte dem Kläger gemäß § 140 Abs. 1 FGO und § 47 des Gerichtskostengesetzes (GKG) eine Gebühr in Höhe von 60 DM auf, weil durch sein Verschulden oder durch das Verschulden seines Vertreters die Vertagung erforderlich geworden sei.
Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Beschwerde macht der Kläger u. a. geltend: Das FG habe ihm kein rechtliches Gehör gewährt, obgleich die Auferlegung der Gebühr Strafcharakter habe. Es habe also den Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
Der Kläger beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben. Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist begründet.
Das gemäß § 140 Abs. 1 FGO auf die Gerichtskosten im finanzgerichtlichen Verfahren sinngemäß anwendbare GKG erteilt durch § 47 Abs. 1 Satz 1 dem Gericht die Befugnis, einer Partei von Amts wegen eine besondere Gebühr in Höhe der vollen Gebühr aufzuerlegen, wenn durch Verschulden dieser Partei oder ihres Vertreters die Vertagung einer mündlichen Verhandlung nötig ist. Vor der Auferlegung der besonderen Gebühr hat jedoch das Gericht gemäß Art. 103 Abs. 1 GG der betroffenen Partei ausreichende Gelegenheit zu geben, sich zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen zu äußern. Denn es handelt sich um eine Prozeßstrafe (vgl. Oberlandesgericht Hamm, Beschluß 15 W 85/68 vom 2. April 1968, NJW 1968, 1434 mit weiteren Nachweisen). Dieser Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs war das FG nicht dadurch enthoben, daß es den Kläger und seinen Prozeßbevollmächtigten zur mündlichen Verhandlung geladen und sie dabei gemäß § 91 Abs. 2 FGO darauf hingewiesen hatte, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann. Denn der Kläger und sein Bevollmächtigter mußten diesen Hinweis nur auf den Gegenstand des Klageverfahrens beziehen, brauchten also nicht mit der Möglichkeit zu rechnen, daß das FG eine Entscheidung trifft, die mit diesem Gegenstand nichts zu tun hat.
Die Verletzung des rechtlichen Gehörs kann auch nicht im gegenwärtigen Beschwerdeverfahren geheilt werden. Die Erfüllung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor der Auferlegung einer besonderen Gebühr bietet der betroffenen Partei stets die Aussicht, die Strafmaßnahme abwenden zu können. Denn das FG ist selbst bei einem Verschulden der Partei zur Auferlegung der Gebühr nicht verpflichtet, sondern lediglich berechtigt. Es kann daher von der Partei überzeugt werden, daß die Strafmaßnahme nicht erforderlich sei. Die Partei hat also ein besonderes Interesse daran, daß das FG selbst ihren Anspruch auf rechtliches Gehör erfüllt.
Der vom Kläger angefochtene Beschluß des FG war somit aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 68290 |
BStBl II 1969, 550 |
BFHE 1969, 98 |