Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterablehnung
Leitsatz (NV)
,,Evident abwegige" und damit rechtsmißbräuchliche Ablehnungsgründe werden vom Senat in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung verworfen.
Normenkette
FGO § 51
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb bis 1973 eine Glaserei als Einzelunternehmer. Zusammen mit seiner Ehefrau war er Gesellschafter einer Isolierglasbau GmbH. Zur Zeit der Klageerhebung war der Kläger Arbeitnehmer. Mit Schreiben vom 26. April 1976 beantragte er den Erlaß der aufgrund einer Betriebsprüfung entstandenen Mehrsteuern für die Veranlagungszeiträume 1968 bis 1972. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den Antrag ab. Beschwerde und Klage hatten keinen Erfolg.
Der Vorsitzende des erkennenden Senats teilte dem Kläger mit Schreiben vom 28. April 1986 mit, daß der Senat nach Beratung am 24. April 1986 die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Daraufhin lehnte der Kläger mit Schriftsatz vom 27. Mai 1986 den Präsidenten des erkennenden Senats und die übrigen Richter des Senats, die an der der Mitteilung vom 28. April 1986 zugrunde liegenden Beratung am 24. April 1986 mitgewirkt hatten, wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Zur Begründung trägt der Kläger vor:
An der Entscheidung über die Ablehnung des Erlaßantrages sei der inzwischen verstorbene Vorsteher des FA Dr. S. beteiligt gewesen. Wie aus dem Spiegelbuch ,,Tatort Finanzministerium" hervorgehe, habe sich Dr. S. der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Beschaffung von Parteispenden für die CDU schuldig gemacht. Außerdem habe er sich als Vertrauensmann der CDU bei Behördenangelegenheiten betätigt. Deshalb seien alle unter seiner Beteiligung zustande gekommenen belastenden Ermessensentscheidungen rechtswidrig, wenn nicht sogar nichtig. Dieser Sachverhalt sei den Vorinstanzen - der Oberfinanzdirektion (OFD) und dem Finanzgericht (FG) - nicht bekannt gewesen. Er hätte aber vom erkennenden Senat beachtet werden müssen.
Entscheidungsgründe
1. Das Ablehnungsgesuch des Klägers ist unzulässig.
Wegen Besorgnis der Befangenheit kann nach § 51 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ein Richter abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es ausschließlich darauf an, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 25. Januar 1972 2 BvA 1/69, Die Öffentliche Verwaltung - DÖV - 1972, 312).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Das Ablehnungsgesuch wird darauf gestützt, daß die abgelehnten Richter in ihrer Beratung am 24. April 1986 Gründe, die die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts ergäben, nicht beachtet hätten. Dies kann jedoch - auch wenn es zuträfe - für sich allein die Besorgnis der Befangenheit i. S. des § 51 FGO i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO nicht begründen. Als Ursache für eine Parteilichkeit des Richters kann grundsätzlich nicht seine einer Partei ungünstige, unrichtige Rechtsauffassung gelten, die in einer Ankündigung der Erledigung eines Revisionsverfahrens nach Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) zum Ausdruck kommt (vgl. hierzu Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Januar 1971 V B 67/69, BFHE 101, 207, BStBl II 1971, 243).
Ungeachtet dessen reicht der Sachvortrag des Klägers nicht aus, um die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts zu begründen. Zwar macht der Kläger geltend, daß sich der Vorsteher des FA der Steuerhinterziehung schuldig gemacht und bei der Einflußnahme auf behördliche Entscheidungen zugunsten der CDU mitgewirkt habe. Er hat jedoch nicht dargetan, daß auch im Streitfall unsachliche Erwägungen (z. B. parteipolitischer Art), die im Zusammenhang mit den vom Kläger gegen den Vorsteher des FA erhobenen Vorwürfen stehen, zur rechtswidrigen Ablehnung des Erlaßantrages durch das FA geführt hätten. Dies kann auch nicht aus dem Inhalt der Akten oder den Umständen des Falles entnommen werden.
Die Ablehnungsgründe sind deshalb ,,evident abwegig" und damit rechtsmißbräuchlich; aus diesem Grunde konnte der Senat in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung über das Ablehnungsgesuch entscheiden (BFH-Beschluß vom 10. März 1972 VI B 141/70, BFHE 105, 316, BStBl II 1972, 570).
2. In der Hauptsache (Revision) ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. d. F. des Zweiten Änderungsgesetzes vom 14. Dezember 1984 (BGBl I 1984, 1514, BStBl I 1985, 8). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich. Die Beteiligten sind vorher davon unterrichtet und gehört worden.
Fundstellen
Haufe-Index 414602 |
BFH/NV 1988, 502 |