Entscheidungsstichwort (Thema)
Terminsverlegung bei Mandatsniederlegung; keine Gehörsverletzung bei Nichtteilnahme an mündlicher Verhandlung; Ansparrücklage für einen zu eröffnenden Betrieb
Leitsatz (NV)
1. Ein erheblicher Grund für eine Terminsverlegung i.S. von § 155 FGO i.V. mit § 227 Abs. 1 ZPO liegt nicht vor, wenn ein Prozessbevollmächtigter kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung das Mandat niederlegt, sofern es sich nicht um eine in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht schwierige Sache handelt und den Kläger an der Niederlegung des Mandats kein Verschulden trifft.
2. Die Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung schließt ein Berufen auf eine Gehörsverletzung aus, wenn es sich um Tatsachen oder Rechtsfragen handelt, die bereits in das Verfahren eingeführt und den Beteiligten bekannt sind.
3. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass eine Ansparrücklage für einen erst noch zu eröffnenden Betrieb nur dann gebildet werden darf, wenn die Investitionsentscheidung hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen ausreichend konkretisiert ist, und dass dies bei anzuschaffenden Wirtschaftsgütern deren verbindliche Bestellung voraussetzt. Ebenso ist geklärt, dass die Grundsätze auch dann gelten, wenn sich nachträglich wegen der tatsächlichen Anschaffung der Wirtschafsgüter herausstellt, dass die Gefahr einer missbräuchlichen Bildung der Rücklage im konkreten Fall nicht bestanden hatte.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 227 Abs. 1; FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; EStG § 7g
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielt als Abteilungsleiter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Für das Jahr 1998 (Streitjahr) reichte er einen Jahresabschluss für einen Gewerbebetrieb "Leasing von Maschinen und technischen Anlagen" ein. Darin war ein Jahresfehlbetrag von 111 581 DM ausgewiesen, der in Höhe von 108 400 DM auf eine Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3, Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entfiel und im Übrigen (3 181 DM) auf eine Rückstellung für Abschluss- und Prüfungskosten. Nach seinen Angaben plante der Kläger, 28 Container zum Preis von jeweils 7 800 DM anzuschaffen und zu vermieten. Tatsächlich erwarb er durch Vertrag vom 19. Juni 2000 von der Firma X-GmbH 36 Container zum Preis von je 5 060 DM. Diese wurde mit der Verwaltung der Container beauftragt, der Kläger erhielt eine Mietgarantie.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte zunächst die geltend gemachten negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Einkommensteuerbescheid 1998 vom 15. Februar 2000, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung). Unter dem 1. März 2000 änderte das FA den Bescheid und erkannte den Verlust nicht mehr an. Während des anschließenden Rechtsbehelfsverfahrens wurde eine Außenprüfung für das Jahr 2000 durchgeführt. Das FA war nunmehr der Ansicht, der Kläger erziele allenfalls sonstige Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 3 EStG. Es fehle jedoch an der Einkünfteerzielungsabsicht, weil die über eine Mietzeit von sechs Jahren erzielbaren Einnahmen niedriger seien als die zu erwartenden Ausgaben. Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 2003 wies das FA den Rechtsbehelf des Klägers als unbegründet zurück.
Im anschließenden Klageverfahren bestimmte der Einzelrichter den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 28. April 2005. Der Klägervertreter beantragte dessen Aufhebung, weil der mit der Streitsache befasste Rechtsanwalt einen anderen unaufschiebbaren Termin wahrzunehmen habe. Der Einzelrichter kam dem Antrag nach und bestimmte später den 12. Juni 2006 für die mündliche Verhandlung. Mit Schreiben vom 6. Juni 2006 beantragte der Klägervertreter wiederum die Aufhebung des Termins, weil er vom Kläger zur Teilnahme daran nicht beauftragt worden sei. Nachdem der Einzelrichter der Kanzlei mitgeteilt hatte, dass eine Aufhebung nicht in Betracht komme, legte der Klägervertreter per Telefax vom 9. Juni 2006 das Mandat nieder. In der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2006 erschien für den Kläger niemand.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es war der Ansicht, ein erheblicher Grund für eine Terminsaufhebung habe nicht vorgelegen. In materiell-rechtlicher Hinsicht führte es aus, die Containervermietung sei über eine Vermögensverwaltung nicht hinausgegangen. Außerdem seien die Container nicht neu gewesen, weil sie bei Abschluss des Kaufvertrages vermietet gewesen seien. Hinzu komme, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bei einem erst zu eröffnenden Betrieb die Wirtschaftsgüter, die die wesentlichen Betriebsgrundlagen ausmachten, bereits bestellt worden sein müssten. Im Streitfall datiere der Kaufvertrag jedoch vom 19. Juni 2000. Zu den Steuerberatungskosten führte das FG aus, es seien keine Zahlungsnachweise vorgelegt worden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit der Beschwerde, mit der er Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie eine Divergenz zur Rechtsprechung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) geltend macht.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Das FG hätte den Termin zur mündlichen Verhandlung verlegen müssen, weil zuvor bereits angekündigt worden sei, dass eine Teilnahme des Klägervertreters nicht möglich sei. Außerdem weiche das FG mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des BFH ab, die zur Vermietung beweglicher Wirtschaftsgüter ergangen sei. Nach dem BFH-Urteil vom 22. Januar 2003 X R 37/00 (BFHE 201, 264, BStBl II 2003, 464) seien Erwerb, Vermietung und Veräußerung von Wohnmobilen als Gewerbebetrieb anzusehen, wenn die damit zusammenhängenden Tätigkeiten sich gegenseitig bedingten und derartig miteinander verflochten seien, dass sie nach der Verkehrsanschauung als einheitlich anzusehen seien. Entsprechendes gelte für die Vermietung von Flugzeugen (BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IV B 44/02, BFH/NV 2002, 1559). Die Sachverhalte seien mit dem Streitfall vergleichbar. Der Kläger habe entgegen der Rechtsansicht des FG den Bereich der privaten Vermögensverwaltung überschritten, wie sich bereits aus der Zahl von 36 angeschafften Containern sowie aus der Umsatzsteuerpflicht der Vermietung ergebe. Auch die Meinung, die Container seien nicht neu gewesen, sei unzutreffend. Allein aus der Tatsache, dass sie bereits vermietet gewesen seien, könne nicht gefolgert werden, sie seien schon genutzt worden. Die Container seien vielmehr durch die Firma X-GmbH vermietet gewesen, bevor sie durch diese zur Nutzung freigegeben worden seien. Ein Wirtschaftsgut sei dann als neu anzusehen, wenn es beim Veräußerer zum Umlaufvermögen gehört habe. Dies sei hier der Fall. Außerdem habe das FG § 7g EStG unzutreffend angewandt. Es sei unklar, ob das FG seine Entscheidung auf § 7g Abs. 3 oder Abs. 7 EStG gestützt habe. In dem vom FG angeführten BFH-Urteil vom 25. April 2002 IV R 30/00 (BFHE 199, 170, BStBl II 2004, 182) sei ein Betrieb kurze Zeit nach der Eröffnung wieder aufgegeben worden, während der Kläger im Streitfall seinen Betrieb fortgeführt habe. Nach dem BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 III R 40/05 (BFH/NV 2006, 2058) solle eine Förderung "ins Blaue hinein" vermieden werden. Diese Gefahr habe im Streitfall nicht bestanden. Zum Zeitpunkt der Bildung der Ansparrücklage sei bereits klar gewesen, dass der Kläger die Container anschaffen würde, so wie dies im Jahre 2000 auch tatsächlich geschehen sei. Eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme der Rücklage scheide daher aus. Hinsichtlich der Nichtanerkennung der geltend gemachten Steuerberatungskosten liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 FGO). Das Gericht hätte den Kläger zur Vorlage geeigneter Belege auffordern müssen und hätte den Abzug der Steuerberatungskosten nicht wegen fehlender Nachweise ablehnen dürfen. Aus dem Umstand, dass der Kläger durch eine Steuerberatungskanzlei vertreten gewesen sei, sei für das Gericht zu folgern gewesen, dass Beratungskosten auch tatsächlich angefallen seien.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) wurden nicht schlüssig dargelegt oder liegen nicht vor.
a) Das FG hat nicht dadurch das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, dass es den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2006 wegen der vom Klägervertreter erklärten Mandatsniederlegung nicht aufhob.
Von einer Verletzung rechtlichen Gehörs ist auszugehen, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung i.S. von § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorlagen und der Termin gleichwohl nicht zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs verlegt wurde (BFH-Beschluss vom 15. Juni 2001 IV B 25/00, BFH/NV 2001, 1579). Mit dem Hinweis auf die --zwischenzeitliche-- Mandatsniederlegung, die kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt wurde, hat der Kläger keinen erheblichen Grund i.S. von § 227 Abs. 1 ZPO dargelegt. Dies hätte vorausgesetzt, dass es sich um eine in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht schwierige Sache handelte und den Kläger an der Niederlegung des Mandats kein Verschulden traf (BFH-Beschluss vom 18. August 2003 X S 5/03 (PKH), BFH/NV 2004, 66). Zumindest zu letzter Voraussetzung fehlt es an einem entsprechenden Vortrag (s. BFH-Beschluss vom 15. April 2003 X B 20/03, BFH/NV 2003, 1085). Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers hatte die Mandatsniederlegung auf die Wirksamkeit der vorherigen Ladung keinen Einfluss (BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 1085).
b) Auch insoweit, als der Kläger vorträgt, das FG habe ein Überraschungsurteil gefällt, weil es die Steuerberatungskosten nicht gewinnmindernd berücksichtigt habe, ohne ihn vorher zur Vorlage von Belegen aufgefordert zu haben, liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Wie vorstehend ausgeführt, war das FG nicht gehalten, dem Antrag auf Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2006 zu entsprechen. In der mündlichen Verhandlung hätte bei einem Erscheinen des Klägers oder eines Prozessbevollmächtigten die Möglichkeit bestanden, die Abziehbarkeit der geltend gemachten Steuerberatungskosten zu erörtern. Die Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung schließt ein Berufen auf eine Gehörsverletzung aus, sofern es sich um Tatsachen oder Rechtsfragen handelt, die bereits in das Verfahren eingeführt und den Beteiligten bekannt sind (Senatsurteil vom 21. Januar 1998 III R 31/97, BFH/NV 1998, 732). Letzteres ist im Streitfall zu bejahen. Es war abzusehen, dass auch die Steuerberatungskosten Gegenstand des finanzgerichtlichen Urteils sein würden, da auch die insoweit gebildete Rückstellung im Änderungsbescheid vom 1. März 2000 nicht mehr anerkannt worden war. Im Übrigen konnte das FG die Rückstellung für Steuerberatungskosten schon deshalb nicht anerkennen, weil es die wirtschaftliche Betätigung des Klägers als Vermögensverwaltung beurteilte.
c) Die Rüge, das FG habe zu Unrecht angenommen, die angeschafften Container seien wegen der vorherigen Vermietung nicht neu gewesen, wurde nicht in zulässiger Form erhoben (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Das Vorbringen lässt sich allenfalls als Verfahrensrüge der mangelnden Sachaufklärung durch das FG (§ 76 Abs. 1 FGO) verstehen. Hierfür wären jedoch Ausführungen dazu nötig gewesen, dass, weshalb und welche Tatsachen das FG hätte aufklären und welche Beweise es hätte erheben müssen, aus welchen Gründen sich die Notwendigkeit einer Aufklärung hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich voraussichtlich ergeben hätten und inwieweit die weitere Aufklärung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen müssen (BFH-Beschluss vom 6. September 2006 VIII B 187/05, BFH/NV 2007, 74). Diesen Anforderungen genügt das pauschale Vorbringen des Klägers nicht.
2. Ebenso wenig ist die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) geboten.
a) Das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung durch eine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) wurde nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Art dargelegt. Der Kläger trägt vor, das FG hätte im Hinblick auf die BFH-Rechtsprechung zur Vermietung von Wohnmobilen (BFH in BFHE 201, 264, BStBl II 2003, 464) und von Flugzeugen (BFH in BFH/NV 2002, 1559) zu einer gewerblichen Betätigung und damit zur Anwendbarkeit des § 7g EStG kommen müssen, da die jeweiligen Sachverhalte vergleichbar seien. Zur Darlegung einer Divergenz, die eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert, ist es notwendig, einen tragenden Rechtssatz des angefochtenen Urteils herauszustellen und einem hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz der Divergenzentscheidung so gegenüberzustellen, dass eine Abweichung erkennbar wird (Senatsbeschluss vom 27. Mai 2005 III B 5/05, BFH/NV 2005, 1758). Dies hat der Kläger nicht getan, sondern lediglich sinngemäß gerügt, das Urteil des FG sei angesichts der BFH-Rechtsprechung unzutreffend.
b) Auch mit seinen Ausführungen zur Anwendung des § 7g EStG durch das FG hat der Kläger keinen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO dargelegt. Der Kläger trägt insoweit sinngemäß vor, das BFH-Urteil in BFHE 199, 170, BStBl II 2004, 182, auf das sich das FG gestützt habe, sei nicht einschlägig, da im Streitfall der Betrieb tatsächlich eröffnet worden sei, die Container tatsächlich bestellt worden seien und die Gefahr einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Steuervergünstigung nicht bestanden habe. Mit diesem Vorbringen hat der Kläger weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch die Erforderlichkeit einer BFH-Entscheidung zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) dargetan. Denn in der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass eine Ansparrücklage für einen erst noch zu eröffnenden Betrieb nur dann gebildet werden darf, wenn die Investitionsentscheidung hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen ausreichend konkretisiert ist, und dass dies bei anzuschaffenden Wirtschaftsgütern deren verbindliche Bestellung voraussetzt (s. BFH-Beschluss vom 26. Juli 2005 VIII B 134/04, BFH/NV 2005, 2186). Ebenso ist geklärt, dass diese Grundsätze auch dann gelten, wenn sich nachträglich wegen der tatsächlichen Anschaffung der Wirtschaftsgüter herausstellt, dass die Gefahr einer missbräuchlichen Bildung einer Ansparrücklage im konkreten Fall nicht bestanden hatte (s. Senatsurteil in BFH/NV 2006, 2058).
Fundstellen
Haufe-Index 1814361 |
BFH/NV 2007, 2284 |