Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Erkrankung des Prozessbevollmächtigten, der Mitglied einer Sozietät ist
Leitsatz (NV)
1. Ein schlüssiger Wiedereinsetzungsantrag erfordert die Darlegung einer geeigneten Notfall-Vorsorge, die auch bei einer unvorhersehbaren Verhinderung des Steuerberaters die Funktionsfähigkeit des Büros, insbesondere die Überwachung der Fristsachen, gewährleistet.
2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen, wenn ein Prozessbevollmächtigter, der Mitglied einer Sozietät und für die Bearbeitung des Falls zuständig ist, erkrankt, die ebenfalls beauftragten übrigen Mitglieder der Sozietät es jedoch unterlassen, die erforderlichen fristwahrenden Maßnahmen zu ergreifen.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 2 S. 1, § 56 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten in der Sache um die Zuordnung von zwei PKW des Beigeladenen M zum Sonderbetriebsvermögen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GbR. M ist zugleich Mitglied der mit der Prozessvertretung beauftragten Steuerberatersozietät.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 335 veröffentlicht.
Die Revisionsbegründungsfrist lief am 14. Februar 2006 ab. Auf den Hinweis, dass die Frist abgelaufen sei, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 27. Februar 2006 --beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen am 28. Februar 2006-- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung machte die Klägerin geltend, dass ihr Prozessbevollmächtigter M aufgrund einer längeren und schweren Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, die Revision bis zum 14. Februar 2006 zu begründen. Dazu legte dieser ein Attest vor, dass er vom 10. bis zum 24. Februar 2006 wegen einer schweren, zum Teil hämorrhagischen Gastroenteritis in ambulanter Behandlung gewesen sei. Die Revisionsbegründung ging am 10. März 2006 beim BFH ein. Mit der Revision macht die Klägerin geltend, dass der PKW weder notwendiges noch gewillkürtes (Sonder-)Betriebsvermögen gewesen sei.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Feststellungsbescheide für die Jahre 1997 bis 1999 vom 24. Februar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2003 dergestalt zu ändern, dass die ihr vom Beigeladenen vermieteten PKW, wie ursprünglich erklärt, steuerlich behandelt werden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt, die Revision zu verwerfen bzw. zurückzuweisen.
Die Revisionsbegründung sei verspätet vorgelegt worden. Wiedereinsetzung könne nicht gewährt werden. Der PKW diene dem "Hauptzweck der Unternehmung" und sei notwendiges Sonderbetriebsvermögen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig.
1. Die Revision ist nicht gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils begründet worden. Die Revisionsbegründungsfrist lief am 14. Februar 2006 ab. Die Revisionsbegründung ging aber erst am 10. März 2006, also verspätet, beim BFH ein.
2. Wiedereinsetzung kann nicht gewährt werden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gemäß § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten.
Eine Erkrankung des Prozessbevollmächtigten kann nur dann als schuldlose Verhinderung des Revisionsführers gewertet werden, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar auftritt und so schwer ist, dass es für den Prozessbevollmächtigten unzumutbar ist, die Frist einzuhalten oder rechtzeitig einen Vertreter zu bestellen (BFH-Beschluss vom 29. Oktober 2002 II R 60/01, BFH/NV 2003, 482; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 56 Rz 20 "Krankheit"). Ein schlüssiger Wiedereinsetzungsantrag erfordert die Darlegung einer geeigneten Notfall-Vorsorge, die auch bei einer unvorhersehbaren Verhinderung des Steuerberaters die Funktionsfähigkeit des Büros, insbesondere die Überwachung der Fristsachen, gewährleistet (BFH-Beschluss vom 30. August 2005 III R 15/05, BFH/NV 2006, 89).
Die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist ist auch dann unentschuldbar und damit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen, wenn das für die Bearbeitung der Beschwerde zuständige Mitglied einer Sozietät erkrankt, die ebenfalls beauftragten übrigen Mitglieder der Sozietät es jedoch unterlassen, die erforderlichen fristwahrenden Maßnahmen zu ergreifen (BFH-Beschluss vom 13. September 2002 III B 39/02, BFH/NV 2003, 185). Im Streitfall ist M am 10. Februar 2006 erkrankt. Die Frist zur Begründung der Revision lief erst am 14. Februar 2006 ab. Die Frist hätte ohne weiteres gemäß § 120 Abs. 2 Satz 3 FGO verlängert werden können; den Antrag auf Fristverlängerung hätten die ebenfalls mit der Vertretung beauftragten anderen Mitglieder der Sozietät stellen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 1642111 |
BFH/NV 2007, 253 |