Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; Rüge mangelnder Sachaufklärung; Verletzung rechtlichen Gehörs durch Erschwernisse einer gewährten Akteneinsicht
Leitsatz (NV)
1. Die hinreichende Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert substantiierte Ausführungen zur Klärungsfähigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Beantwortung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtsfrage abhängt. Wird ein Verfassungsverstoß geltend gemacht, bedarf es einer substantiierten, an den Vorgaben des GG und der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und BFH orientierten Auseinandersetzung.
2. Ein Verstoß gegen das Recht auf Akteneinsicht kommt nur in Betracht, wenn den Beteiligten die Akteneinsicht ausdrücklich verwehrt wurde. Den Beteiligten und ihren Prozessbevollmächtigten wird grundsätzlich zugemutet, sich zur Ausübung ihres Rechts auf Akteneinsicht zum Gericht zu begeben. Aus § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO ergibt sich kein Anspruch auf Überlassung von Fotokopien der gesamten Gerichtsakten und der gesamten dem Gericht vorgelegten Akten.
Normenkette
FGO § 78 Abs. 1, 2 S. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Urteil vom 12.07.2007; Aktenzeichen IV 321/2004) |
Gründe
Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) erfordert substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Beantwortung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtsfrage abhängig ist. Wird ein Verfassungsverstoß geltend gemacht, genügt die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht den Darlegungsanforderungen. Es bedarf vielmehr einer substantiierten, an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundesfinanzhofs (BFH) orientierte Auseinandersetzung (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Dezember 2003 II B 152/02, BFH/NV 2004, 533; vom 20. März 2006 II B 147/05, BFH/NV 2006, 1320; vom 29. August 2007 II B 108/06, BFH/NV 2007, 2350, jeweils m.w.N.).
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung mit der als rechtsgrundsätzlich herausgestellten Frage, ab wann die Gesamtsteuerbelastung den Kernbereich des Art. 14 GG verletzt, nicht. Die Beschwerdebegründung setzt sich nicht mit dem Beschluss des BVerfG vom 18. Januar 2006 2 BvR 2194/99 (BVerfGE 115, 97) auseinander, wonach der sog. Halbteilungsgrundsatz schon im Grundsätzlichen nicht "als ein striktes, grundsätzlich unabhängig von Zeit und Situation geltendes Gebot hälftiger Teilung zwischen Eigentümer und Staat gedeutet werden" darf. Die nicht näher substantiierten Ausführungen der Beschwerdebegründung zu einer Gesamtsteuerbelastung des Klägers von "weit über 50 %" oder "sogar 80 %" reichen für eine schlüssige Darlegung eines etwaigen Verfassungsverstoßes nicht aus. Ferner fehlt es an jeder Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine aus dem GG herzuleitende steuerliche Belastungsobergrenze überhaupt der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens entgegenstehen kann oder ob diese verfassungsrechtliche Grenzziehung erst gegenüber den auf der Grundlage des Einheitswertbescheids ergangenen Steuerbescheiden Wirkung entfaltet.
2. Soweit der Kläger in der Beschwerdebegründung bestreitet, einer tatsächlichen Verständigung hinsichtlich der Höhe der passiven Rechnungsabgrenzungsposten zugestimmt zu haben, ist ein Revisionszulassungsgrund ebenfalls nicht dargelegt. Der Kläger wendet sich mit seinen Einwendungen lediglich gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung; damit ist jedoch ein Zulassungsgrund nicht dargetan (z.B. BFH-Beschlüsse vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476; vom 7. Februar 2007 I B 77/06, BFH/NV 2007, 961; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 116 FGO Rz 159).
3. Auch die Rüge mangelnder Sachaufklärung ist nicht ordnungsgemäß dargelegt. Insoweit hätte es eines substantiierten Vortrags bedurft, welche konkreten Tatsachen das Finanzgericht (FG) hätte aufklären und welche Beweise es von Amts wegen hätte erheben müssen, aus welchen Gründen sich für das FG die Notwendigkeit einer Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern sie auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. April 2006 X B 162/05, BFH/NV 2006, 1332; vom 22. Mai 2007 X B 143/06, BFH/NV 2007, 1692; Ruban in Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 70). Die Beschwerdebegründung enthält zu keinem dieser Punkte substantiierte Angaben.
4. Schließlich ist auch die Rüge einer Verletzung rechtlichen Gehörs im Hinblick auf die tatsächlichen Umstände, unter denen im Streitfall Akteneinsicht durch das FG gewährt wurde, nicht schlüssig dargelegt.
Nach § 78 Abs. 1 FGO können die Beteiligten die Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Ferner können sich die Beteiligten auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen (§ 78 Abs. 2 Satz 1 FGO). Ein Verstoß gegen § 78 Abs. 1 FGO kommt nur in Betracht, wenn den Beteiligten die Akteneinsicht ausdrücklich verwehrt wurde (BFH-Beschlüsse vom 6. Mai 1998 II B 109/97, BFH/NV 1998, 1498; vom 14. Februar 2002 I B 113/00, BFH/NV 2002, 1161; vom 8. Dezember 2006 XI B 59/06, BFH/NV 2007, 737). Im Streitfall macht der Kläger nicht geltend, ihm sei Akteneinsicht ausdrücklich verwehrt worden.
Hinsichtlich der vom Kläger beanstandeten Erschwernisse der gewährten Akteneinsicht fehlt jede substantiierte und schlüssige Darlegung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Insbesondere fehlt es am Vorbringen, weshalb einem Bedürfnis nach einem Vergleich des Inhalts der eingesehenen Akten mit den eigenen Unterlagen nicht dadurch Rechnung getragen werden kann, dass Abschriften der entsprechenden Aktenteile angefertigt werden. Es ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass es den Beteiligten und ihren Prozessbevollmächtigten aufgrund der in § 78 Abs. 1 FGO getroffenen Regelung grundsätzlich zugemutet wird, sich zur Ausübung ihres Rechts auf Akteneinsicht zum Gericht zu begeben (BFH-Beschluss vom 15. November 2004 V B 182/04, BFH/NV 2005, 569).
Entgegen der in der Beschwerdebegründung sinngemäß vertretenen Rechtsauffassung ergibt sich aus § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO grundsätzlich auch kein Anspruch auf Überlassung von Fotokopien der gesamten Gerichtsakten und der gesamten dem Gericht vorgelegten Akten (BFH-Beschlüsse vom 5. Februar 2003 V B 239/02, BFH/NV 2003, 800; vom 17. Oktober 2007 VI B 138/06, BFH/NV 2008, 101, jeweils m.w.N.). Die Überlassung von Fotokopien der gesamten Akten kann allenfalls dann begehrt werden, wenn substantiiert und nachvollziehbar dargelegt wird, weshalb diese Überlassung erforderlich ist, um die Prozessführung zu erleichtern (BFH-Beschluss vom 12. Juli 2007 X B 48/07, BFH/NV 2007, 1919, m.w.N.). An solchen Darlegungen fehlt es vorliegend.
Fundstellen