Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug
Leitsatz (NV)
Nach §15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG kommt ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht, wenn die Eingangsumsätze vom Steuerpflichtigen zur Ausführung von steuerfreien Ausgangsumsätzen verwendet werden. Dies gilt wegen der Maßgeblichkeit der tatsächlichen erstmaligen Verwendung auch dann, wenn der Steuerpflichtige ursprünglich beabsichtigt haben mag, die Vorbezüge für steuerpflichtige Umsätze zu verwenden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt sich in diesem Zusammenhang daher nicht.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; UStG 1980 § 4 Nr. 8 Buchst. f., § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, vermittelt geschäftsmäßig den Erwerb von Gesellschaftsanteilen an Fondsvermögen und verwaltet das in den Fondsgesellschaften angesammelte Vermögen. Für die vermögensverwaltende Tätigkeit sollte von den Anlegern in den Streitjahren nur dann ein gesondertes Honorar erhoben werden, wenn die Fonds einen bestimmten, im vorhinein festgelegten Wertzuwachs erreichen würden.
Für "Ingangsetzungsaufwendungen" (Projektierungs- und Werbekosten) in bezug auf dieses 1989 eingeführte Unternehmenskonzept machte die Klägerin folgende Vorsteuerbeträge geltend:
1989: ... DM
1990: ... DM
Aufgrund der Ergebnisse einer Außenprüfung erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1989 und 1990, in denen er den Vorsteuerabzug für diese Kosten versagte. Das FA begründete dies damit, daß die mit den Ingangsetzungsaufwendungen zusammenhängenden Umsätze der Klägerin in den Abzugsjahren gemäß §4 Nr. 8 Buchst. f des Umsatzsteuergesetzes 1980 (künftig: UStG) steuerbefreit seien. Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) begründete sein klageabweisendes Urteil u. a. wie folgt: Die der Klägerin entstandenen Vorsteuerbeträge für die angefallenen Ingangsetzungskosten seien nach §15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, da die Klägerin in den Streitjahren ausschließlich steuerbefreite Vermittlungsumsätze nach §4 Nr. 8 Buchst. f UStG ausgeführt habe. Aufgrund der unerwartet schlechten Marktentwicklung in den Streitjahren 1989 und 1990 sei es zu keinem Vergütungsanspruch für die Vermögensbetreuung, die als sonstige Leistung steuerpflichtig gewesen wäre, gekommen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich das FG anschließe, sei die Frage, ob und ggf. inwieweit für das Unternehmen bezogene Leistungen nach §15 Abs. 2 UStG vorsteuerabzugsschädlich verwendet würden, nach der Zurechnung der betroffenen Vorbezüge zu den Umsätzen des Unternehmers zu beurteilen (Hinweis auf BFH-Urteil vom 15. September 1994 V R 12/93, BFHE 176, 149, BStBl II 1995, 88). Danach sei von einer vorsteuerabzugsschädlichen Verwendung auch dann auszugehen, wenn ein Vorbezug, der in keinen vom Unternehmer ausgeführten Umsatz Eingang finde und auch nicht sonstwie die Ausführung eines Umsatzes fördere (sog. Fehlmaßnahme), aufgrund von Kostenzurechnungsgesichtspunkten einem bestimmten steuerfreien Umsatz zugerechnet werden könne. Die streitigen Vorbezüge seien den Vermittlungsumsätzen der Klägerin zuzurechnen, da allein diese Umsätze bei wirtschaftlicher Betrachtung die der Klägerin entstandenen Projektierungs- und Werbekosten getragen hätten. Hinzu komme, daß sich die Aufwendungen auf die erzielten Vermittlungsumsätze wohl förderlich ausgewirkt hätten, da das Angebot der -- nur im Erfolgsfalle entgeltlichen -- Vermögensverwaltung ein weiteres Kriterium für die Inanspruchnahme der Leistung der Klägerin gewesen sein möge. Da es nach dem BFH-Urteil in BFHE 176, 149, BStBl II 1995, 88 auf die tatsächliche erstmalige Verwendung der bezogenen Leistungen ankomme, sei es unerheblich, ob die Klägerin damit gerechnet habe oder damit habe rechnen dürfen, daß die Vermögensbetreuung sich ertragreicher als die Vermittlungstätigkeit darstellen werde.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht wird.
Die Beantwortung folgender streitentscheidender Fragen habe rechtsgrundsätzliche Bedeutung: Hängt der Vorsteuerabzug für Ingangsetzungskosten einer beabsichtigten, aber zunächst nicht erfolgreichen umsatzsteuerpflichtigen unternehmerischen Tätigkeit davon ab, ob der Unternehmer ansonsten umsatzsteuerpflichtige oder umsatzsteuerfreie Umsätze ausführt? Oder ist für den Vorsteuerabzug maßgeblich, welche Umsätze der Unternehmer mit den Vorbezügen ausführen wollte?
Die grundsätzliche Bedeutung dieser Fragen ergebe sich daraus, daß die bisherige BFH-Rechtsprechung durch das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 29. Februar 1996 Rs. C-110/94 -- INZO -- (Slg. 1996, I-857, BStBl II 1996, 655) in Frage gestellt sei. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei für den Vorsteuerabzug entscheidend, zu welchem Zweck der Unternehmer Vorbezüge erworben habe. Wende man diesen Rechtsgedanken auf den teilweise erfolglosen Unternehmer an, so seien Vorbezüge, die für die Fehlmaßnahme aufgewendet würden, nicht mehr nach Kostengesichtspunkten einer anderen erfolgreichen Geschäftssparte zuzurechnen. Entscheidend für die Frage der Abziehbarkeit von Vorsteuern sei allein, ob mit den Vorbezügen steuerpflichtige Umsätze ausgeführt werden sollten. Zu diesem Thema lägen kontroverse Entscheidungen der FG vor. Ferner gebe es auch im Schrifttum neue Denkansätze dazu.
Die Klägerin beantragt, die Revision zuzulassen.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. des §115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt deshalb nur wegen einer klärungsbedürftigen und im Revisionsverfahren klärbaren Frage in Betracht. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt oder bereits aufgrund der Rechtsprechung des BFH geklärt ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Januar 1991 VI B 140/89, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309, und vom 23. Januar 1992 II B 64/91, BFH/NV 1992, 676).
Nach §15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist die Steuer für Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Dabei kommt es grundsätzlich auf die erstmalige Verwendung an (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteile vom 30. November 1989 V R 85/84, BFHE 159, 272, BStBl II 1990, 345; vom 12. März 1992 V R 70/87, BFHE 168, 447, BStBl II 1992, 755; vgl. auch §15 a UStG).
Nach der Vorentscheidung hat die Klägerin die Leistungen, die bei ihr zu "Ingangsetzungsaufwendungen" führten, zur Ausführung der laufenden steuerfreien Vermittlungsumsätze verwendet. Nach dem Wortlaut des §15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG und der bisherigen Rechtsprechung des BFH ist deshalb nicht zweifelhaft, daß diese Umsätze den Vorsteuerabzug ausschließen.
Aufgrund der Ausführungen der Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift ergibt sich kein weiterer Klärungsbedarf. Das dort zitierte Urteil des EuGH -- INZO -- (Slg. 1996, I- 857, BStBl II 1996, 655) betrifft die Frage, ob der Vorsteuerabzug bei einem Steuerpflichtigen ausgeschlossen ist, wenn die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit nicht zu steuerbaren Umsätzen führt. Ähnlich war es in der Rechtssache C-37/95; hier ging es um den Vorsteuerabzug aus Investitionsarbeiten, die der Steuerpflichtige -- jedenfalls nach Ansicht des EuGH -- nie verwendet hat, um steuerbare Umsätze zu bewirken (EuGH-Urteil vom 15. Januar 1998 Rs. C-37/95 -- Ghent Coal Terminal --, Slg. 1998, I-1, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht -- UVR -- 1998, 95, Umsatzsteuer- Rundschau -- UR -- 198, 149). Im Streitfall steht aber nach der Vorentscheidung fest, daß die Klägerin die Eingangsumsätze, um die es geht, (im Rahmen ihrer Verwendungsabsicht) zur Ausführung steuerfreier Vermittlungsumsätze verwendet hat, wenn sie auch ursprünglich beabsichtigt haben mag, die Vorbezüge für steuerpflichtige Umsätze zu verwenden. Die genannte Rechtsprechung des EuGH gibt deshalb keinen Anlaß, (erneut) zu überprüfen, ob §15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG wegen der enttäuschten Umsatzerwartungen der Klägerin wirklich den Vorsteuerabzug ausschließt.
Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen