Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungsfreie Revision wegen fehlender Begründung der Entscheidung
Leitsatz (NV)
1. Das Fehlen eines ausdrücklichen Revisionsantrages ist unschädlich, wenn sich aus dem Revisionsvorbringen das Begehren des Klägers entnehmen läßt, daß er an seinem bisherigen Antrag festhält und eine erneute Verhandlung und Entscheidung beim FG erstrebt.
2. Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gehört zwar zu den absoluten Revisionsgründen, nicht jedoch zu den besonders schwerwiegenden Verfahrensmängeln, die eine zulassungsfreie Verfahrensrevision eröffnen.
3. Die Wiedergabe der Entscheidungsgründe dient der Mitteilung der wesentlichen rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgebend waren. Ein Fehlen von Entscheidungsgründen liegt nur vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung zu überprüfen. Das ist nur dann der Fall, wenn das FG seine Entscheidung überhaupt nicht oder jedenfalls zu einem wesentlichen Teil nicht begründet hat, indem es selbständige Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat (stg. Rspr.).
4. Die Rüge einer zu kurzen, lücken- oder fehlerhaften Begründung berechtigt hingegen nicht zu einer zulassungsfreien Revision.
5. Der Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde wirkt sich nicht auf die wegen mangelhafter Begründung unzulässig erhobene -- zulassungsfreie -- Verfahrensrevision aus (stg. Rspr.).
Normenkette
FGO § 79 Abs. 1 Nr. 2, § 105 Abs. 2 Nrn. 4-5, § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 3, § 120 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Im Anschluß an eine Prüfung der Steuerfahndung hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) gegen den Kläger und Revisionskläger (Kläger) und weitere Feststellungsbeteiligte den Bezug von Kapitaleinkünften in den Jahren 1971 und 1972 im Rahmen der Partnerschaftsgruppe Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in X AG, im Jahr 1973 im Rahmen der Partnerschaftsgruppe GbR in Y AG und in den Jahren 1973 bis 1978 im Rahmen der Partnerschaftsgruppe GbR in Z AG festgestellt.
Einsprüche und Klagen blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) ist zu der Überzeugung gelangt, daß in sämtlichen Fällen ausländische Basisgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung bestanden und daß die inländischen Gesellschafter im Rahmen der jeweils gebildeten sog. Partnerschaftsgruppen in der Rechtsform einer GbR aufgrund lediglich fingierter Darlehen Einkünfte aus Kapitalvermögen in der von der Fahndungsprüfung ermittelten Höhe bezogen haben.
Gegen das Urteil hat der Kläger gleichzeitig Revision und Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Mit der Revision rügt der Kläger, das FG habe Beweisanträge zu Unrecht abgelehnt. Die nach § 79 b Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gesetzte Ausschlußfrist sei nicht ordnungsgemäß verfügt worden. Die Tatsachenwürdigung des FG sei denklogisch nicht möglich und in sich unschlüssig. Zu Unrecht habe das FG den Beweisantrag auf Einvernahme des W als Zeugen als rechtsunerheblich beurteilt. Der benannte Zeuge hätte insbesondere bestätigt, daß die gewährten Darlehen tatsächlich zur Herstellung des III. Bauabschnitts benötigt worden seien und damit die zugeflossenen Beträge nicht als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu beurteilen seien.
Das Urteil sei ferner nicht mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO). Die Entscheidungsgründe erlaubten nicht zu überprüfen, wie das FG zu einer Zuordnung der Einnahmen beim Kläger gelangt sei. Der Kläger habe im Klageverfahren vorgetragen, daß im Falle der Annahme ungerechtfertigter Einnahmen hierfür jedenfalls kein Besteuerungstatbestand nach dem Einkommensteuergesetz gegeben sei. Auf diesen wesentlichen Streitpunkt sei das FG nicht eingegangen. Ebensowenig habe sich das FG mit den Grundlagen des Liechtensteinischen Gesellschaftsrechts auseinandergesetzt.
Mit Beschluß vom heutigen Tage hat der Senat auf die Nichtzulassungsbeschwerde die Revision hinsichtlich der Feststellungen 1973 bis 1978 der Partnerschaftsgruppe GbR in Z AG zugelassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig und war deshalb durch Beschluß zu verwerfen (§§ 124 Abs. 1, 126 Abs. 1 FGO).
1. Das Fehlen eines ausdrücklichen Revisionsantrages (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO) ist unschädlich, weil sich aus dem Revisionsvorbringen das Begehren des Klägers entnehmen läßt, daß er an seinem bisherigen Antrag festhält und eine erneute Verhandlung und Entscheidung beim FG erstrebt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 18. März 1987 V R 96/86, BFH/NV 1987, 591; BFH-Urteil vom 21. Oktober 1987 IX R 129, 131/84, BFH/NV 1988, 437).
2. Die zulassungsfreie Verfahrensrevision ist nur zulässig, wenn innerhalb der Revisionsbegründungsfrist zumindest einer der in dieser Vorschrift abschließend aufgezählten Verfahrensfehler schlüssig gerügt worden ist, d. h., wenn die zur Begründung des Verfahrensverstoßes angeführten Tatsachen -- ihre Richtigkeit unterstellt -- einen Mangel i. S. des § 116 Abs. 1 FGO ergeben (vgl. BFH-Beschluß vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568). Die vorliegende Revision genügt diesen Anforderungen nicht.
a) Die Rüge, der Berichterstatter habe eine Ausschlußfrist nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 FGO mangels voller Unterschrift auf der Verfügung nicht ordnungsgemäß gesetzt und deshalb zu Unrecht einen Beweisantrag abgelehnt, ist nicht geeignet, einen Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 FGO schlüssig darzutun.
Der Kläger rügt damit der Sache nach, das FG habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Dieser Verfahrensmangel gehört zwar zu den absoluten Revisionsgründen (§ 119 Nr. 3 FGO), jedoch nicht zu den besonders schwerwiegenden Verfahrensmängeln, die eine zulassungsfreie Verfahrensrevision nach § 116 Abs. 1 FGO eröffnen (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Juli 1979 VI R 3/79, BFHE 128, 176, BStBl II 1979, 654).
b) Ein Mangel i. S. des § 116 Abs. 1 FGO wird ebensowenig mit der Rüge schlüssig geltend gemacht, der Zeuge W habe erst in der mündlichen Verhandlung benannt werden können, weil er sich vorher zur Aussage nicht bereiterklärt habe, und seine Zeugenaussage hätte im Zusammenhang mit weiteren Beweismitteln, u. a. mit dem Urteil des Fürstlich Liechtensteinischen Landgerichtes, ergeben, daß keine fingierten Darlehen vorgelegen haben könnten.
Wie ausgeführt, eröffnet die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht die zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 FGO. Die Behauptung, die Tatsachenwürdigung des Gerichts sei denklogisch nicht möglich und in sich unschlüssig, stellt keinen Verfahrensmangel, sondern allenfalls einen materiell-rechtlichen Mangel der angefochtenen Entscheidung dar (Beschluß des erkennenden Senats vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671, 672).
c) Schließlich hat der Kläger auch die Verfahrensrüge fehlender rechtlicher Entscheidungsgründe nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht schlüssig erhoben.
Die Verfahrensrüge des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO dient wie die Bestimmung des § 105 Abs. 2 Nrn. 4 und 5 FGO, wonach das Urteil einen Tatbestand und Entscheidungsgründe enthalten muß, der Sicherstellung, daß die Beteiligten ihre prozessualen Rechte wahrnehmen können. Die Wiedergabe der Entscheidungsgründe dient der Mitteilung der wesentlichen rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgebend waren. Ein Fehlen von Entscheidungsgründen liegt deshalb nur vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung zu überprüfen. Das ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann der Fall, wenn das FG seine Entscheidung überhaupt nicht oder jedenfalls zu einem wesentlichen Teil nicht begründet, indem ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen wird (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 15. April 1986 VIII R 325/84, BFHE 147, 101, BStBl II 1987, 195; vom 17. September 1991 X R 19/91, BFH/NV 1992, 750 m. w. N.; Beschluß vom 12. Juli 1994 VII R 2/94, BFH/NV 1995, 230 m. w. N.).
Die Rüge einer zu kurzen, lücken- oder fehlerhaften Begründung berechtigt hingegen nicht zu einer zulassungsfreien Revision; denn die Verfahrensrüge nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO darf nicht nur dazu dienen, lediglich die Rüge der Verletzung materiellen Rechts zu verdecken (vgl. Beschlüsse des BFH vom 13. Dezember 1988 IX R 90/88, BFH/NV 1989, 527; vom 14. Dezember 1989 III R 49/89, BFH/NV 1991, 288).
Zur Zurechnung der Kapitaleinkünfte hat das FG seine rechtlichen Erwägungen im angefochtenen Urteil dargelegt. Wenn das Urteil nicht im einzelnen die Subsumtionsschritte darstellt und insbesondere keine weiteren Ausführungen enthält, warum das Gericht die Basisgesellschaften als einer Kapitalgesellschaft ähnliche Gebilde einstuft, so ergibt sich daraus allenfalls, daß die Begründung lückenhaft ist, nicht aber, daß sie vollständig fehlt. Dem Kläger wäre es anhand der Urteilsbegründung ohne weiteres möglich, im Rahmen eines zugelassenen Rechtsmittels diese behaupteten materiell-rechtlichen Mängel der angefochtenen Entscheidung ordnungsgemäß zu rügen.
3. Der Kläger hat neben der vorliegenden Verfahrensrevision Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision eingelegt. Der Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde VIII B 131/95 wirkt sich nicht auf die wegen mangelhafter Begründung unzulässig erhobene Verfahrensrevision aus (BFH-Beschluß vom 12. April 1991 III R 181/90, BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638; Beschluß des erkennenden Senats vom 30. August 1995 VIII R 83/93, nicht veröffentlicht, ständige Rechtsprechung; a. A. Ruban/Gräber, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 116 Rz. 6 a).
Fundstellen
Haufe-Index 421186 |
BFH/NV 1996, 556 |