Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH-Beschwerde: Kosten des Schulbesuchs als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (NV)
PKH ist mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht zu gewähren, wenn im finanzgerichtlichen Prozess Aufwendungen für die Unterbringung eines Kindes im Internat als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden, die Notwendigkeit des Schulbesuchs aber nicht durch ein im Vorhinein erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen wird.
Normenkette
FGO §§ 128, 142 Abs. 1; ZPO § 114; EStG § 33
Tatbestand
I. Die Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Mutter des am 8. August 1984 geborenen Sohnes M aus ihrer ersten Ehe. Für dieses Kind hatte sie in den Streitjahren 1997 und 1998 das Sorgerecht inne. Sie bezog Kindergeld in Höhe von 2 640 DM jährlich. Der Sohn der Klägerin war im Alter von 11 Jahren Opfer eines Gewaltverbrechens geworden und leidet nach den Feststellungen einer Kinderpsychiaterin unter angstneurotischen Zuständen. Er war während der Streitjahre im Rahmen der "Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht" nach § 34 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) ―Kinder- und Jugendhilfe― in einem Internat untergebracht. Die Kosten für dieses Internat trug das Jugendamt, das einen Teil der Kosten von der Klägerin und ihrem geschiedenen Ehemann zurückforderte: Der Barunterhalt des Kindesvaters in Höhe von 615 DM floss direkt an das Jugendamt, die Klägerin bezahlte bis einschließlich August 1997 monatlich 355 DM und in der Folgezeit monatlich 281,50 DM.
Die Kosten des Internats beliefen sich in den Streitjahren auf monatlich 3 649 DM. Hiervon entfielen als Teilbeträge auf Schulgeld 1 277,15 DM, auf Unterkunft 364,90 DM, auf Verpflegung 437,88 DM und auf Betreuung 1 569,07 DM.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1997 begehrte die Klägerin, Aufwendungen für die Betreuung ihres im Internat untergebrachten Sohnes ohne Anrechnung einer zumutbaren Eigenbelastung als außergewöhnliche Belastung in Höhe von 11 948 DM anzuerkennen. Diese Aufwendungen hat sie wie folgt ermittelt:
Betreuungsanteil (Zahlungen Jugendamt, monatlich 355 DM) |
4 260 DM |
ergänzende Unterhaltsleistungen (monatlich 423 DM) |
5 076 DM |
Sonderaufwendungen (monatlich 217,67 DM) |
2 612 DM |
Summe |
11 948 DM |
Für das Jahr 1998 begehrte sie den Abzug von 11 066 DM, die sie wie folgt aufschlüsselte:
Betreuungsanteil (Zahlungen Jugendamt, monatlich 281,50 DM) |
3 378 DM |
ergänzende Unterhaltsleistungen (monatlich 423 DM) |
5 076 DM |
Sonderaufwendungen (monatlich 217,67 DM) |
2 612 DM |
Summe |
11 066 DM |
Die ergänzenden Unterhalts- und Sonderaufwendungen hat die Klägerin im Einzelnen erläutert.
Der Beklagte (das Finanzamt ―FA―) berücksichtigte von den an das Jugendamt tatsächlich gezahlten Beträgen in Höhe von 3 966 DM (1997) und 3 378 DM (1998) lediglich 43 v.H. (= 1 706 DM bzw. 1 453 DM) als Kinderbetreuungskosten nach § 33c des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Streitjahre geltenden Fassung, wobei unter Abzug einer zumutbaren Eigenbelastung nach § 33 Abs. 3 EStG effektiv nur der Pauschbetrag in Höhe von 480 DM nach § 33c Abs. 4 EStG zum Ansatz kam. Die Bemessung der Kinderbetreuungskosten mit 43 v.H. der Gesamtzahlungen der Klägerin an das Jugendamt resultiert daraus, dass das FA den von dem Internat ausgewiesenen Kostenanteil für Betreuung in Höhe von 1 569,07 DM mit den monatlichen Gesamtkosten des Internats in Höhe von 3 649 DM ins Verhältnis setzte. Unter entsprechender Verhältnisrechnung ermittelte es den Anteil des Schulgeldes mit 35 v.H. der Gesamtzahlungen der Klägerin an das Jugendamt, mithin auf 1 389 DM (1997) bzw. 1 183 DM (1998). Von diesen Beträgen wurden jeweils 30 v.H. nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG als Sonderausgaben berücksichtigt. Ferner gewährte das FA einen hälftigen Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG in Höhe von 900 DM sowie einen Haushaltsfreibetrag nach § 32 Abs. 7 EStG. Eine weiter gehende Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen lehnte es ab.
Mit ihren nach erfolglosen Einsprüchen erhobenen Klagen verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zugleich beantragte sie Prozesskostenhilfe (PKH). Der Antrag war nur insoweit hinsichtlich des Jahres 1997 erfolgreich, als das Finanzgericht (FG) der Klägerin PKH in Höhe von 8 v.H. der Verfahrenskosten bewilligte. Das FG war der Auffassung, dass die Sonderbelastungen der Klägerin für den Unterhalt und die Ausbildung ihres Sohnes im Streitfall ausreichend durch das Kindergeld, den Haushaltsfreibetrag (§ 32 Abs. 7 EStG), den hälftigen Ausbildungsfreibetrag (§ 33a Abs. 2 EStG) sowie den Abzug von Kinderbetreuungskosten nach § 33c EStG und von Schulgeldzahlungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG berücksichtigt worden seien. Lediglich hinsichtlich der Betreuungskosten habe die Klage wegen Einkommensteuer 1997 aufgrund des Vorlagebeschlusses des FG Berlin vom 14. September 2000 4 K 4142/99 (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2001, 72) teilweise Aussicht auf Erfolg. Dagegen könne die Klägerin für das Jahr 1998 auch dann keine niedrigere Steuerfestsetzung erreichen, wenn die Betreuungskosten ohne Abzug einer zumutbaren Belastung berücksichtigt würden. Denn die Klägerin habe noch weitere Kosten geltend gemacht, die als außergewöhnliche Belastung anerkannt worden seien. Würden die Kinderbetreuungskosten ohne Anrechnung einer zumutbaren Eigenbelastung anerkannt, minderten sich die übrigen anzusetzenden außergewöhnlichen Belastungen, was zu keiner anderen Steuerfestsetzung führte.
Mit ihren dagegen gerichteten Beschwerden trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Das FG habe ihre Nachweise bezüglich des Gesundheitszustandes ihres Sohnes sowie die medizinisch notwendige Unterbringung im Internat nicht ausreichend gewürdigt. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass ihr Sohn im Alter von 11 Jahren Opfer eines Gewaltverbrechens geworden sei und hierdurch bis heute unter angstneurotischen Zuständen leide. Unstreitig sei weiterhin, dass bei einer psychosomatischen Erkrankung auch der übrige Gesundheitszustand beeinträchtigt sei und ihr Sohn daher neben der psychosomatischen ärztlichen Behandlung auch einer medizinischen Betreuung bedürfe, die seit Jahren durch die Kinderärztin erfolge. Entgegen den Ausführungen des FG sei die Unterbringung in dem Internat auch als medizinische Heilbehandlung indiziert mit dem Ziel, den Sohn wieder beschwerdefrei in den Alltag des Lebens einzugliedern. Dies ergäbe sich aus einem noch einzuholenden medizinischen Sachverständigengutachten und ferner aus dem Zeugnis der behandelnden Kinderärztin. Was die rechtlichen Ausführungen im angefochtenen Beschluss anbelange, so könnten diese ebenso wenig überzeugen wie die Bezugnahme auf die teilweise ältere Rechtsprechung.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung bzw. Abänderung der angefochtenen Beschlüsse, dem Antrag auf Gewährung von PKH zu entsprechen.
Das FA beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerden sind unbegründet.
1. Da die Beschlüsse am 28. Dezember 2000 zugestellt wurden, richtet sich die Zulässigkeit der Beschwerden nach § 128 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (FGO a.F.; vgl. Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567). Nach § 128 FGO a.F. waren Beschlüsse im Verfahren wegen PKH mit der Beschwerde anfechtbar.
2. Auf Antrag erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die hiernach erforderlichen Erfolgsaussichten sind bei der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht gegeben (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 24. Februar 1999 X B 204, 205/98, BFH/NV 1999, 1181, sowie vom 19. Mai 1999 VI B 22/99, BFHE 188, 403, BFH/NV 1999, 1425). Ein Erfolg der beim FG anhängigen Klagen ist über die anteilig bewilligte PKH hinaus ―nach dem derzeitigen Stand der Dinge jedenfalls― unwahrscheinlich. Aufwendungen für den Schulbesuch eines Kindes können grundsätzlich nur dann als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, wenn es sich um krankheitsbedingte Aufwendungen handelt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. BFH-Urteil vom 7. Juni 2000 III R 54/98, BFHE 193, 79, BStBl II 2001, 94, m.w.N.). Danach könnten Kosten für die Unterbringung im Internat als außergewöhnliche Belastung nur anerkannt werden, wenn der Internatsbesuch für eine medizinische Heilbehandlung erforderlich wäre. Der Senat verlangt in ständiger Rechtsprechung, dass die medizinische Zwangsläufigkeit durch ein vor Einleitung derartiger Maßnahmen erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen wird (BFH-Urteile vom 26. Juni 1992 III R 8/91, BFHE 169, 37, BStBl II 1993, 278, und in BFHE 193, 79, BStBl II 2001, 94, m.w.N.). Die Klägerin hat bislang kein vor dem Schulbesuch ihres Sohnes eingeholtes amtsärztliches Attest vorgelegt, aus dem sich ergäbe, dass der Besuch der Schule medizinisch notwendig und eine Heilbehandlung in anderer ―etwa ambulanter― Weise nicht möglich gewesen sei. Das FG ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet.
Fundstellen
Haufe-Index 726104 |
BFH/NV 2002, 928 |