Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen Ablehnung der Berichtigung einer unanfechtbaren Entscheidung; fehlerhafte Zustellung
Leitsatz (NV)
1. Ist gegen eine Entscheidung des FG die Beschwerde nicht gegeben, so kann auch ein nachfolgender Beschluss, der diese Entscheidung betrifft - hier: Berichtigungsbeschluss nach § 107 FGO ‐ nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
2. Die Wirksamkeit eines Beschlusses wird nicht dadurch berührt, dass dieser wegen offenbarer Unrichtigkeit des Rubrums nicht dem richtigen Beteiligten zugestellt wird.
Normenkette
FGO §§ 53, 107, 128; VwZG § 9
Verfahrensgang
Sächsisches FG (Beschluss vom 14.08.2006; Aktenzeichen 1 V 2241/05) |
Tatbestand
I. Das Finanzamt I hatte aufgrund einer Außenprüfung gegenüber der X-GmbH (GmbH) einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2004 erlassen. Bevor das Finanzgericht (FG) über den Antrag der GmbH auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) dieses Bescheides entschieden hatte, ging mit Wirkung vom 1. Februar 2006 die Zuständigkeit nach § 17 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) auf den Beschwerdeführer (Finanzamt II --FA--) über. Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2006, der auch der GmbH zur Kenntnis gegeben worden ist, teilte das FA dem FG den Zuständigkeitswechsel mit. Das FG richtete deshalb den folgenden Schriftwechsel nicht mehr an das Finanzamt I, sondern an das FA.
Mit Beschluss vom 23. März 2006 gab das FG dem Antrag auf AdV des geänderten Umsatzsteuerbescheides für 2004 teilweise statt. Der Beschluss enthält die Rechtsmittelbelehrung: "Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde nicht gegeben, § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung." Im Rubrum des Beschlusses war als Antragsgegner, gegen den sich der Beschluss richtet, das Finanzamt I aufgeführt.
Mit Beschluss vom 14. August 2006 berichtigte das FG --nach vorherigem Hinweis an die Beteiligten-- das Rubrum des Aussetzungsbeschlusses gemäß § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO), indem es als Antragsgegner --anstatt wie bisher das Finanzamt I-- nunmehr das FA aufführte. Die offenbar unrichtige Bezeichnung des Antragsgegners im Rubrum des Beschlusses habe ihre Ursache allein darin, dass die Entscheidung vom Berichterstatter zu einem Zeitpunkt vorbereitet worden sei, als Antragsgegner noch das Finanzamt I gewesen sei. Der Senat habe die unrichtig gewordene Bezeichnung des Antragsgegners ohne weitere Prüfung übernommen. Nach der Rechtsmittelbelehrung zu diesem Beschluss ist "hiergegen" die Beschwerde an den Bundesfinanzhof (BFH) gegeben.
Mit der Beschwerde gegen den Berichtigungsbeschluss macht das FA dessen Unwirksamkeit geltend.
Mit Beschluss vom 18. April 2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet; der zum Insolvenzverwalter bestellte Rechtsanwalt, der Beschwerdegegner, erklärte mit Schreiben vom 21. Juni 2006, er nehme den Rechtsstreit gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 der Insolvenzordnung (InsO) auf und stellte einen Kostenausgleichsantrag.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist nicht statthaft (§ 128 Abs. 4 Satz 1 FGO) und daher durch Beschluss (§ 132 FGO) als unzulässig zu verwerfen.
1. Zwar steht den Beteiligten sowohl gegen einen Berichtigungsbeschluss i.S. des § 107 Abs. 1 FGO als auch gegen den die Berichtigung ablehnenden Beschluss grundsätzlich das Rechtsmittel der Beschwerde zu (Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 107 FGO Rz 8). Dies gilt aber gemäß § 128 Abs. 1 letzter Halbsatz FGO nur, soweit nicht in der FGO etwas anderes bestimmt ist. Ist deshalb gegen eine Entscheidung des FG die Beschwerde nicht gegeben, so kann auch ein nachfolgender Beschluss, der diese Entscheidung betrifft --wie hier der Berichtigungsbeschluss nach § 107 FGO-- nicht mit der Beschwerde angefochten werden (z.B. BFH-Beschlüsse vom 16. September 1994 XI B 37/94, BFH/NV 1995, 144; vom 27. Oktober 2004 VI B 59/03, BFH/NV 2005, 374).
2. Gegen den Beschluss über die AdV steht den Beteiligten gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO die Beschwerde nur dann zu, wenn sie in dem Beschluss zugelassen worden ist. Dies hat das FG ausweislich der Rechtsmittelbelehrung zum Beschluss vom 23. März 2006 nicht getan. Der mit diesem Beschluss zusammenhängende Berichtigungsbeschluss vom 14. August 2006 enthält insoweit keine Abänderung; denn die Rechtsmittelbelehrung über die Möglichkeit der Einlegung der Beschwerde bezieht sich ausdrücklich und klar erkennbar allein auf die Berichtigung. Diese Rechtsmittelbelehrung ist allerdings unzutreffend; durch eine dem Gesetz widersprechende Rechtsmittelbelehrung wird das dort bezeichnete Rechtsmittel aber nicht statthaft (z.B. BFH-Beschluss vom 31. Mai 2002 V B 56/02, BFH/NV 2002, 1325).
Vorsorglich weist der Senat auf Folgendes hin: Beschlüsse, die ein FG außerhalb der mündlichen Verhandlung fasst, werden erst mit der Bekanntgabe gegenüber den Betroffenen wirksam (§ 155 FGO i.V.m. § 329 der Zivilprozessordnung). Für die Bekanntgabe schreibt § 53 Abs. 1 FGO dann keine besondere Form vor, wenn mit dem Beschluss --wie im Streitfall der Beschluss über die AdV vom 23. März 2006-- keine Frist in Lauf gesetzt wird. In diesem Fall genügt eine formlose Mitteilung des Beschlusses (BFH-Beschluss vom 12. April 1989 I B 97/88, BFH/NV 1990, 168).
Anhaltspunkte dafür, dass die GmbH den ausweislich der Akten vom FG am 29. März 2006 zur Post gegebenen Beschluss vom 23. März 2006 nicht mehr vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 18. April 2006 erhalten hat, bestehen nicht; vielmehr hat deren Prozessbevollmächtigter mit Schreiben vom 4. April 2006 einen diesbezüglichen Kostenfestsetzungsantrag gestellt. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH berührt deshalb die Wirksamkeit des Beschlusses vom 23. März 2006 gegenüber der GmbH nicht. Entgegen der Auffassung des FA wird dessen Wirksamkeit auch nicht dadurch berührt, dass der Beschluss zunächst --wegen der offenbaren Unrichtigkeit im Rubrum-- nur dem Finanzamt I zugestellt wurde. Grundsätzlich haben Zustellungsmängel nicht die Unwirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung, sondern nur zur Folge, dass Rechtsmittelfristen nicht in Gang gesetzt werden (grundlegend Urteil des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 9. November 1976 GmS-OGB 2/75, BFHE 121, 1, BStBl II 1977, 275; z.B. BFH-Beschlüsse vom 2. September 2003 V B 129/02, BFH/NV 2004, 205; vom 31. Mai 2001 V B 41/01, BFH/NV 2001, 1615, m.w.N.).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes abgesehen. Nach dieser Vorschrift sind Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht zu erheben. Die Voraussetzung ist regelmäßig gegeben, wenn in einer Rechtsmittelbelehrung --wie im Streitfall-- ein unstatthaftes Rechtsmittel als gegeben bezeichnet wird und der Rechtsmittelführer dadurch veranlasst wird, ein unzulässiges Rechtsmittel einzulegen (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 374).
Fundstellen