Entscheidungsstichwort (Thema)
Überraschungsentscheidung; Schuldzinsenabzug bei Vermietung und Verpachtung
Leitsatz (NV)
1. Ein Urteil ist nicht schon deshalb eine unzulässige Überraschungsentscheidung, weil es von Vergleichsvorschlägen abweicht, die das FG in einem Erörterungstermin unterbreitet hat, denen die Beteiligten aber nicht gefolgt sind.
2. Eine mit der Überführung des Grundstücks in die Erwerbssphäre getroffene neue Finanzierungsentscheidung wirkt sich steuerrechtlich nicht aus, wenn der Steuerpflichtige neu aufgenommene Kredite tatsächlich dazu verwendet, ein anderes, selbst genutztes Objekt zu finanzieren.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 21 Abs. 1 S. 1; GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 Sätze 1, 3, Abs. 2
Verfahrensgang
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Ein Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), liegt nicht vor. Das angefochtene Urteil ist keine Überraschungsentscheidung.
Eine Überraschungsentscheidung und damit eine Verletzung eines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste (vgl. BFH-Beschluss vom 2. November 2006 VIII B 64/06, BFH/NV 2007, 262).
Ein Urteil ist nicht schon deshalb eine unzulässige Überraschungsentscheidung, weil es von Verständigungsvorschlägen abweicht, die das Finanzgericht (FG) in der mündlichen Verhandlung unterbreitet hat, denen die Beteiligten aber nicht gefolgt sind (so BFH-Beschluss vom 10. Juni 2005 IV B 44/05, juris). Eine Verständigung, wie sie das FG im Erörterungstermin vom 5. September 2006 angeregt hat, folgt anderen Prinzipien als die das finanzgerichtliche Klageverfahren abschließende Entscheidung. Dient die Verständigung vorrangig der Verfahrensbeschleunigung und dem Rechtsfrieden (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1984 VIII R 131/76, BFHE 142, 549, BStBl II 1985, 354), so beruht das Urteil auf der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Gerichts unter Beachtung der Grundsätze der Beweislast (§ 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) und des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 FGO). Der Anspruch der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) auf rechtliches Gehör ist aber durch die angefochtene Entscheidung nicht verletzt worden. Denn ausweislich der Niederschrift über den Erörterungstermin wurde die Streitsache mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert. Auch in den auf den Erörterungstermin folgenden Schriftsätzen sind die Beteiligten auf die Sach- und Rechtslage eingegangen.
2. Die Revision ist auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FGO zuzulassen. Die angefochtene Entscheidung entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung des BFH, die einen wirtschaftlichen Zusammenhang von als Werbungskosten geltend gemachten Schuldzinsen mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung bei der hier gegebenen Fallkonstellation nur dann bejaht, wenn der Steuerpflichtige Anschaffungskosten eines der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudes tatsächlich mit den Darlehensmitteln begleicht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 1. März 2005 IX R 58/03, BFHE 209, 299, BStBl II 2005, 597, m.w.N.). Eine mit der Überführung des Grundstücks in die Erwerbssphäre getroffene neue Finanzierungsentscheidung wirkt sich steuerrechtlich nicht aus, wenn der Steuerpflichtige --wie hier die Kläger-- neu aufgenommene Kredite nach den das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG tatsächlich dazu verwendet, ein anderes --selbstgenutztes-- Objekt zu finanzieren.
Fundstellen
Haufe-Index 1778480 |
BFH/NV 2007, 1649 |