Entscheidungsstichwort (Thema)
Ein ESt-Bescheid beim Wechsel von der normalen unbeschränkten zur erweitert unbeschränkten EStpflicht
Leitsatz (NV)
Wechselt eine natürliche Person innerhalb eines Kalenderjahres von der normalen unbeschränkten zur erweitert unbeschränkten EStpflicht, so darf für den Veranlagungszeitraum nur ein ESt-Bescheid erlassen werden.
Normenkette
EStG 1988/89 § 1 Abs. 2; EStG 1988/89 § 1 Abs. 3; EStG 1988/89 § 2 Abs. 7
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist teils unzulässig und teils unbegründet. Sie war deshalb insgesamt als unbegründet zurückzuweisen. Im Streitfall war nur eine Veranlagung zur Einkommensteuer 1990 durchzuführen. Insoweit ist die Rechtslage eindeutig. Die Rechtsfrage, auf deren angebliche grundsätzliche Bedeutung die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ihre Nichtzulassungsbeschwerde gestützt hat, ist nicht klärungsbedürftig.
1. § 2 Abs. 7 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) schreibt als Grundsatz vor, daß die Grundlagen für die Festsetzung der Einkommensteuer jeweils für ein Kalenderjahr zusammengefaßt zu ermitteln sind. Dieser Grundsatz gilt, soweit das EStG nicht ausnahmsweise etwas anderes vorsieht, für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Personen gleichermaßen. Nur dann, wenn innerhalb des Kalenderjahres ein Wechsel von der unbeschränkten zur beschränkten oder von der beschränkten zur unbeschränkten Steuerpflicht stattfindet, gilt nach § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG etwas anderes. Dann sind die Grundlagen für die Festsetzung der Einkommensteuer getrennt für die Zeiträume zu ermitteln, in denen einerseits unbeschränkte und andererseits beschränkte Einkommensteuerpflicht bestand. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG sind jedoch im Streitfall nicht erfüllt, weil die Klägerin während des gesamten Streitjahres 1990 unbeschränkt steuerpflichtig war. Deshalb findet auf sie § 2 Abs. 7 Satz 2 EStG Anwendung.
2. Die Beschwerdebegründung beruht auf einer Verkennung des Begriffs der unbeschränkten Steuerpflicht. Diese ist eine Form der persönlichen Steuerpflicht. Die persönliche Steuerpflicht hat die Aufgabe, die Grenzen der Zugehörigkeit einer Person und der ihr zuzurechnenden Besteuerungsobjekte zur inländischen Steuergewalt zu umschreiben. Bezogen auf die Einkommensteuer gibt sie Antwort auf die Frage, welche Person mit welchen Einkünften der inländischen Steuergewalt unterworfen ist (vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, 13. Aufl., S. 133). Sie regelt die Steuerbarkeit von Einkünften, indem sie an der persönlichen Beziehung der sie erzielenden Person zur Bundesrepublik Deutschland als dem besteuernden Staat ansetzt. So gesehen umschreibt der Begriff der unbeschränkten Steuerpflicht eine Steuerrechtsfolge. Auch wenn die unbeschränkte Steuerpflicht in § 1 Abs. 1 und 3 EStG an unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen anknüpft, so ist doch die Rechtsfolge beider Vorschriften die gleiche. In diesem Sinne unterscheidet sich die in den beiden Absätzen geregelte Steuerpflicht rechtsfolgemäßig nicht. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, daß in § 1 Abs. 3 EStG von gelten auch die Rede ist. Es handelt sich dabei nur um eine definitorische Fiktion (vgl. Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, 1940, S. 98ff.; Meßmer, Die Fiktion im Steuerrecht - Bräuche und Mißbräuche -, Steuerberater-Jahrbuch 1977/78, S. 65ff., 83). Der Gesetzgeber hätte in § 1 Abs. 3 EStG ebenso formulieren können Unbeschränkt steuerpflichtig sind auch...
3. Gibt es rechtsfolgemäßig nur eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht einer natürlichen Person, dann kann die Auffassung der Klägerin nicht zutreffen, § 32b EStG finde im Bereich des § 1 Abs. 3 EStG keine Anwendung. Das Gegenteil ist der Fall. Im Bereich einer unbeschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 EStG sind alle Vorschriften anwendbar, die für den Fall einer unbeschränkten Steuerpflicht gelten. Zwar können die Vorschriften eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) die Steuerfreiheit von Einkünften begründen, die an sich gemäß § 1 Abs. 3 EStG steuerbar sind. Die entsprechende Steuerfreiheit ist aber eine solche nach Art des § 3 EStG, die die persönliche Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG unberührt läßt. Im übrigen kann die Steuerfreiheit von Einkünften nach einem DBA auch bei unbeschränkter Steuerpflicht i.S. des § 1 Abs. 1 EStG eintreten. Auch insoweit besteht zwischen den Rechtsfolgen der beiden Absätze kein Unterschied.
4. Soweit die Klägerin ihre Nichtzulassungsbeschwerde auf die Verwendung bestimmter Erklärungsvordrucke durch die Finanzverwaltung stützt, ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig, weil im Veranlagungsverfahren nicht über Fragen der Erklärungspflicht zu entscheiden ist. Die Rechtsfrage ist deshalb in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.
5. Der Senat hält die unter Nrn. 1 bis 3 wiedergegebenen Rechtsgrundsätze für selbstverständlich. Von einer Entscheidung in einem Revisionsverfahren kann eine weitere Klärung oder Fortentwicklung des Rechts nicht erwartet werden. In diesem Sinne ist die Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig.
Fundstellen
Haufe-Index 419839 |
BFH/NV 1994, 852 |